Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis: Zustimmungsklage. Verbindung von Zustimmungsklage und Entziehungsklage. Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis gegenüber dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter. Wichtiger Grund. Einwendungen des Geschäftsführers gegen die Entziehungsklage. schwerwiegende Pflichtverletzung. Verhältnismäßigkeit der Mittel bei Entziehungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen der Komplementär-GmbH die Geschäftsführungsbefugnis in einer GmbH & Co. KG entzogen werden kann.

 

Orientierungssatz

1. Nach HGB §§ 117, 161 Abs 2 ist der Antrag auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich von allen übrigen Gesellschaftern zu stellen und ein Gesellschafter, der zur Erhebung der Entziehungsklage nicht bereit ist, kann unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflichten bei Vorliegen eines Entziehungsgrundes – auch bei Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung – verurteilt werden, seine Zustimmung zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis zu erteilen; das Zustimmungsurteil ersetzt dann die Mitwirkung an der Klage (Fortentwicklung BGH, 1975-04-28, II ZR 16/73, BGHZ 64, 253).

2. Die Zustimmungsklage kann mit der Entziehungsklage verbunden und gleichzeitig darüber entschieden werden (Fortentwicklung BGH, 1976-10-18, II ZR 98/75, BGHZ 68, 81).

3. Die Geschäftsführungsbefugnis kann auch dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer KG entzogen werden, und, soweit die persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist, muß diese sich das Tun und Unterlassen ihrer Geschäftsführer zurechnen lassen (Festhaltung BGH, 1976-10-18, II ZR 98/75, WM 4 1977, 500).

4. Verstöße gegen die gesellschaftsvertragliche Ordnung bilden zwar nicht in jedem Falle einen wichtigen Grund zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis. Das wird insbesondere dann nicht angenommen werden können, wenn die – objektiv festzustellende – Vertragsverletzung darauf beruht, daß sich der geschäftsführende Gesellschafter über die seinen Mitgesellschaftern zustehenden Mitwirkungsrechte entschuldbar geirrt hat.

5. Der Geschäftsführer kann sich nach Treu und Glauben auf die mit der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis verbundenen Nachteile nicht berufen, wenn er schwerwiegende und grobe Treueverstöße noch nach Zustellung der Entziehungsklage und Kenntnis ihrer Begründung fortsetzt.

6. Eine schwerwiegende Verletzung der Geschäftsführerpflichten liegt auch dann vor, wenn gegen die gesellschaftsvertraglich festgelegte Organisationsordnung verstoßen wird.

7. Wenn sich ein Gesellschafter zur Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Komplementär-GmbH entschlossen hat, kann diese Klage nicht mit der Begründung abgewiesen werden, dem Gesellschafter steht das mildere Mittel der Abberufung der Geschäftsführer in der Komplementär-GmbH zur Verfügung.

 

Normenkette

HGB §§ 161, 117

 

Verfahrensgang

LG Dortmund

OLG Hamm

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Juli 1982 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Die Parteien sind die Gesellschafter der S. U. GmbH & Co. KG. Die Beklagte zu 1 ist die Komplementär-GmbH, die Kläger und die Beklagten zu 2 und 3 sind die Kommanditisten. Diese sind zugleich die Gesellschafter der Beklagten zu 1; deren Geschäftsführer sind die Beklagten zu 2 und 3.

Die Kläger erheben gegen die Beklagten zu 2 und 3 eine Reihe von Vorwürfen, in denen sie wichtige Gründe zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten zu 1 sehen. Sie haben beantragt, der Beklagten zu 1 die Befugnis zur Geschäftsführung zu entziehen und die Beklagten zu 2 und 3 zur Zustimmung zu verurteilen.

Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß nach den §§ 117, 161 Abs. 2 HGB der Antrag auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich von allen übrigen Gesellschaftern zu stellen ist und daß ein Gesellschafter, der zur Erhebung der Entziehungsklage nicht bereit ist, unter dem Gesichtspunkt der gesellschaftlichen Treuepflicht bei Vorliegen eines Entziehungsgrundes – auch bei Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung – verurteilt werden kann, seine Zustimmung zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis zu erteilen; das Zustimmungsurteil ersetzt dann die Mitwirkung an der Klage (BGHZ 64, 253, 257 ff zu der insoweit gleichliegenden Ausschließungsklage nach § 140 HGB). Es hat auch zutreffend angenommen, daß die Zustimmungsklage mit der Entziehungsklage verbunden und gleichzeitig darüber entschieden werden kann (BGHZ 68, 81, 84 ff zur Verbindung von Zustimmungs- und Ausschließungsklage).

II. In materiellrechtlicher Beziehung ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, daß die Geschäftsführungsbefugnis auch dem einzigen persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft entzogen werden kann (BGHZ 51, 198, 201), und daß, soweit die persönlich haftende Gesellschafterin eine GmbH ist, diese sich das Tun und Unterlassen ihrer Geschäftsführer zurechnen lassen muß (Sen.Urt. v. 18.10.1976 – II ZR 98/75, WM 1977, 500, 502 zu 2 a; insoweit in BGHZ 68, 81 nicht abgedruckt).

III. Das Berufungsgericht läßt es in Übereinstimmung mit dem Landgericht offen, ob die im einzelnen gegen die Beklagten erhobenen Vorwürfe zutreffen. Dem Antrag auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis sei schon deshalb stattzugeben, weil die Beklagten sowohl die Rechte des Klägers zu 1 auf Mitwirkung an der Geschäftsführung fortgesetzt mißachtet, als auch wiederholt außergewöhnliche Geschäfte ohne die erforderliche Zustimmung des Klägers zu 1 und der übrigen Gesellschafter geschlossen hätten. Dies sei geschehen, obwohl sich der Kläger zu 1 spätestens ab September 1975 auf seine Rechte berufen habe und durch Gerichtsurteil die Fragwürdigkeit des Vorgehens der Beklagten bestätigt worden sei. Da schon zuvor erhebliche Meinungsverschiedenheiten Über die Gewinnverteilung, die Sondervergütung und die Entnahmerechte auf getreten wären, sei das Vertrauen der Kläger in die Geschäftsführung der Beklagten zu 1 mit der Folge zerstört worden, daß ihnen die Fortsetzung der Geschäftsführertätigkeit nicht mehr zugemutet werden könne.

Das ist aus Rechts gründen nicht zu beanstanden.

1. Bei der Beurteilung der Entziehungsklage ist von der unangefochtenen Feststellung des Berufungsgerichts auszugehen, daß die Beklagte zu 1 – durch die Beklagten zu 2 und 3 – im Namen der Kommanditgesellschaft folgende Geschäfte getätigt hat, ohne die übrigen Gesellschafter – insbesondere den Kläger zu 1 – zu unterrichten und deren Zustimmung einzuholen:

a) Die Beklagte zu 1, vertreten durch den Beklagten zu 2, hat am 15. März 1977 mit dem Beklagten zu 5 einen „Dienstvertrag” (Vertrag über dessen Anstellung als Geschäftsführer) geschlossen, obwohl sich die Kläger – als Mehrheitsgesellschafter der Beklagten zu 1 – bei der Bestellung des Beklagten zu 3 zum Geschäftsführer in der Gesellschafterversammlung vom 10. Mai 1976 ausdrücklich den Abschluß des Anstellungsvertrages vorbehalten hatten.

b) In den Jahren 1976 bis 1979 sind Investitionen in Höhe von 2,1 Mio DM getätigt worden, die sich angesichts der finanziellen Verhältnisse der Kommanditgesellschaft nach den nicht angegriffenen Wertungen der Vorinstanzen als außergewöhnliche Geschäfte darstellen.

c) Am 3. November 1977 nahm die Beklagte zu 1 für die Kommanditgesellschaft einen dinglich gesicherten langjährigen Kredit von 650.000 DM auf.

d) Die Kommanditgesellschaft – wiederum vertreten von den Beklagten – veräußerte in einem Zeitraum von knapp zwei Jahren mehrere Eigentumswohnungen und Grundstücke. Im einzelnen handelt es sich um die Veräußerung

  1. von zwei Eigentumswohnungen in der Märkischen Straße 5 in Unna zum Preise von 207.000 DM und eines Gartengrundstücks in U. zum Preise von 16.000 DM am 29. Dezember 1978,
  2. des Grundstücks M. straße 79 in U. zum Preise von 175.000 DM am 14. Februar 1979,
  3. des Grundstücks M. straße 127 in U. für 150.000 DM am 21. August 1979 und
  4. eines Grundstücks von 9.000 qm aus dem betrieblichen Vorratsgelände zum Preise von 450.000 DM am 29. November 1980.

2. Entgegen der Auffassung der Revision verstieß die Beklagte zu 1 damit gegen die gesellschaftsvertraglich übernommenen Pflichten. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß zum Abschluß dieser Geschäfte jedenfalls die Zustimmung des Klägers zu 1 erforderlich gewesen wäre; der Abschluß des Anstellungsvertrages (zu 1 a) bedurfte der Mitwirkung der Kläger in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Beklagten zu 1.

a) Dem Gesellschaftsverhältnis der Parteien liegt im wesentlichen der Kommanditgesellschaftsvertrag vom 23. November 1942 zugrunde, der an die Stelle eines Gesellschaftsvertrages vom 30. Dezember 1957 getreten ist. Ursprünglich waren daran Gustav M. (der Vater der Kläger zu 1, 2 und 5 sowie des Beklagten zu 2) sowie der Kläger zu 1 und der Beklagte zu 2 als persönlich haftende Gesellschafter und die Kläger zu 2 und 5 als Kommanditisten beteiligt. Zum 51. Dezember 1943 wandelte Gustav M. seine Stellung als persönlich haftender Gesellschafter in die eines Kommanditisten um, behielt aber noch die für diesen Fall gesellschaftsvertraglich vorgesehenen Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte bis zu seinem Tode am 1. November 1962. § 11 des Gesellschaftsvertrages enthält insoweit unter anderem folgende Bestimmungen:

  1. „Herr Gustav M. hat das Recht, jederzeit zu verlangen, daß seine Stellung … in die eines Kommanditisten umgewandelt wird … Es verbleiben ihm auch die für seine Person bestimmten Sonderrechte … Darüber hinaus ist seine Zustimmung erforderlich zu allen Maßnahmen, die über den Rahmen der laufenden Geschäftsführung hinausgehen, insbesondere auch zur Feststellung der Bilanz.
  2. Nach dem Tode von Herrn Gustav M. entscheidet über solche Fragen und Maßnahmen bei Meinungsverschiedenheiten unter den haftenden Gesellschaftern die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit auf Antrag eines haftenden Gesellschafters. Je tausend RM Kapitalkonto gewährt eine Stimme. Stimmen die persönlich haftenden Gesellschafter überein, so haben sie immer die Mehrheit …”

Der Kläger zu 1 trat kurze Zeit später mit Rücksicht auf seine Zulassung als Rechtsanwalt in die Stellung des Kommanditisten zurück. Aus diesem Anlaß schlossen die Gesellschafter am 15. Januar 1946 eine Vereinbarung, mit der sie unter anderem festlegten, daß „seine Rechte und Pflichten in der Gesellschaft so bleiben, wie sie bisher waren. Das gilt namentlich bezüglich seiner Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, am Gewinn und Verlust sowie bezüglich der Geschäftsführung und des Stimmrechts”.

Am 29. Dezember 1972 gründeten die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft die Beklagte zu 1. Diese trat mit Wirkung vom 1. Januar 1975 anstelle des Beklagten zu 2, dessen Stellung in die eines Kommanditisten umgewandelt wurde, als persönlich haftende Gesellschafterin in die Gesellschaft ein. Zum Geschäftsführer wurde der Beklagte zu 2 bestellt. Die GmbH-Satzung gab ihm das Recht zu verlangen, daß sein Sohn, der Beklagte zu 3, zum Geschäftsführer bestellt wird, wobei beide als Geschäftsführer nur aus wichtigem Grund kündbar sein sollten (§ 7 der Satzung). Hiervon machte er mit der Folge Gebrauch, daß dieser mit Wirkung vom 10. Mai 1976 zum Geschäftsführer bestellt wurde.

Der Kläger zu 1 hat in der Gesellschafterversammlung vom 14. September 1974 die anwesenden Mitgesellschafter (auch die Beklagten zu 2 und 3) auf seine Rechte aus dem Vertrag vom 15. Januar 1946 hingewiesen (Protokoll v. 16.9.1974, Bl. 5) und sich spätestens seit September 1975 immer wieder darauf berufen. Seiner auf diese Vereinbarung gestützten Klage auf Verurteilung der Kommanditgesellschaft und der Beklagten, ihm Einsicht in die jährlichen Prüfungsberichte für die Jahre 1968 bis 1974 zu gewähren, wurde auch durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20. Januar 1977 (16 O 130/76) stattgegeben.

b) Danach ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, der Kläger zu 1 habe die ihm gesellschaftsvertraglich eingeräumten Geschäftsführungsrechte mit der Umwandlung seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter in die des Kommanditisten nicht verloren. Das folgt eindeutig aus der von sämtlichen Gesellschaftern unterzeichneten Vereinbarung vom 15. Januar 1946. Die Parteien sind sich auch darüber einig, daß diese Vereinbarung nicht ausdrücklich geändert oder aufgehoben worden ist.

Damit stellt sich die von der Revision aufgeworfene Frage, ob der Gesellschaftsvertrag stillschweigend dadurch geändert worden ist, daß der Kläger zu 1 seine Rechte dreißig Jahre praktisch nicht ausgeübt hat. Das kann nicht angenommen werden, soweit es um die hier entscheidenden Befugnisse des Klägers geht, an den umstrittenen Geschäftsführungsmaßnahmen mitzuwirken.

Der erkennende Senat hat zwar ausgesprochen (Sen.Urt. v. 17.5.1966 – II ZR 8/64, LM HGB § 105 Nr. 22), es bestehe eine – widerlegbare, aber die Darlegungs- und Beweislast umkehrende – tatsächliche Vermutung dafür, daß die Gesellschafter eine gesellschaftsvertragliche Klausel über die Verteilung der Gewinne verbindlich abgeändert haben werden, wenn sie Vorbehalts- und widerspruchslos über mehr als zwanzig Jahre den Gewinn nach einem bestimmten vom Gesellschaftsvertrag abweichenden Schlüssel verteilt haben. Gleiches wird auch im vorliegenden Fall gelten können, soweit der Kläger zu 1 nach der den Gesellschaftsvertrag ergänzenden Vereinbarung vom 15. Januar 1946 auch als Kommanditist im bisherigen Umfange zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet sein sollte; eine aktive gestaltende Mitwirkung des Klägers an den laufenden Geschäften der Gesellschaft wurde in den letzten Jahrzehnten weder erwartet noch angeboten.

Schließlich würde der Kläger zu 1 auch gegen die gesellschaftliche Treuepflicht verstoßen, wenn er die Wiedereinräumung der in dieser Vereinbarung vorgesehenen Geschäftsführerstellung verlangte. Nachdem er rund 30 Jahre in der Geschäftsführung nicht tätig geworden ist und das Gesellschaftsunternehmen durch die Leistungen der Beklagten zu 2 und 3 weiterentwickelt worden ist, hat er sich immer mehr von den Geschäftsführungsaufgaben entfernt. Dementsprechend könnte er den übrigen Gesellschaftern nicht zumuten, ihn wieder als Geschäftsführer einzusetzen, wie umgekehrt diese nicht verlangen könnten, daß er wieder aktive Geschäftsführerpflichten übernimmt.

Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, daß eine tatsächliche Vermutung auch dafür besteht, er solle nach dem Willen aller Gesellschafter keinerlei Rechte zur Einflußnahme auf die Geschäftsführung mehr haben. Etwas anderes hat jedenfalls für Geschäftsführungsmaßnahmen zu gelten, die über den Rahmen der laufenden Geschäftsführung hinausgehen. Der in dem Verhalten des Klägers zu 1 etwa zum Ausdruck gekommene Verzicht auf seine Rechte, die laufenden Geschäfte zu führen, und das entsprechende Verhalten der Mitgesellschafter, die Erfüllung dieser vom Kläger zu 1 übernommenen Verpflichtung nicht zu verlangen, rechtfertigen nur den Schluß, daß die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag stillschweigend abgeändert haben, soweit es um die laufenden Geschäftsführungsangelegenheiten geht. Die darüber hinausgehenden Rechte und Pflichten des Klägers zu 1 (insbesondere auch zur Mitwirkung an Geschäften, die über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes hinausgehen, und zur Überwachung und Kontrolle der Geschäftsführung) konnten von dieser Vertragsänderung schon deshalb nicht erfaßt werden, weil nichts dafür sichtlich ist, daß sich der Wille der Gesellschafter auch hierauf bezog. Eine solche Annahme würde auch in Widerspruch dazu stehen, daß dem Kläger zu 1 eine herausragende Stellung als Kommanditist ersichtlich auch deshalb zuerkannt worden ist, um – neben Gustav M. – ein Gegengewicht zu den überragenden Einflußmöglichkeiten zu schaffen, die der Beklagte zu 2 bei Abschluß der Vereinbarung vom 15. Januar 1946 in der Kommanditgesellschaft hatte; er war damals der einzige persönlich haftende Gesellschafter.

Dem von den Beklagten in den Vordergrund gestellten Überlegungen, der Kläger zu 1 habe auch von diesen eingeschränkten Rechten in den vergangenen Jahrzehnten keinen Gebrauch gemacht, kommt in diesem Zusammenhang schon deshalb keine wesentliche Bedeutung zu, weil einerseits bis zum Jahre 1962 die Sonderstellung von Gustav M. vorhanden war und andererseits davon ausgegangen werden muß, daß er in der Vergangenheit mit der Geschäftsführung des Beklagten zu 2 grundsätzlich einverstanden war und keinen Grund zu Beanstandungen sah. Demgemäß können die Beklagten keine Rechte daraus herleiten, daß der Kläger zu 1 ihnen in der Vergangenheit vertraut hat. Etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag zum 51. Dezember 1972 geändert haben, indem sie die Beklagte zu 1 gründeten und als persönlich haftende Gesellschafterin einsetzten und die Stellung des Beklagten zu 2 in die eines Kommanditisten umwandelten. Die GmbH-Satzung bestimmt ausdrücklich, daß ihre Geschäftsführer, „soweit die Gesellschaft als Komplementär-GmbH der in § 2 genannten Gesellschaft (S. U. M. & Co. KG) tätig wird, an die Bestimmungen gebunden sind, die die Geschäftsführung dieser Gesellschaft nach dem für diese Gesellschaft gültigen Gesellschaftsvertrag betreffen” (§ 7 Nr. 5).

Ob dem Berufungsgericht in der Auffassung gefolgt werden kann, die Gesellschafterversammlung der Kommanditgesellschaft habe über Maßnahmen, die Über den Rahmen der laufenden Geschäftsführung hinausgehen, beschließen müssen, kann dahingestellt bleiben. Für den vorliegenden Fall genügt die Feststellung, daß die Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten zu 1 gegenüber dem Kläger zu 1 Einschränkungen unterlag, sie insbesondere verpflichtet war, diesen von Geschäftsführungsmaßnahmen, die über den Rahmen der laufenden Geschäftsführung hinausgingen, zu unterrichten und insoweit seine Zustimmung einzuholen.

4. a) Verstöße gegen die gesellschaftsvertragliche Ordnung bilden zwar nicht in jedem Falle einen wichtigen Grund zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis. Das wird insbesondere dann nicht angenommen werden können, wenn die – objektiv festzustellende – Vertragsverletzung darauf beruht, daß sich der geschäftsführende Gesellschafter über die seinen Mitgesellschaftern zustehenden Mitwirkungsrechte entschuldbar geirrt hat. Davon kann im vorliegenden Fall jedoch keine Rede sein.

Der Kläger zu 1 hat nicht nur – wie unter 2 a dargelegt – schon in der Gesellschafterversammlung vom 14. September 1974 auf das Abkommen vom 15. Januar 1946 und seine Mitwirkungsrechte bei Geschäftsführungsmaßnahmen hingewiesen, sondern seine entsprechenden Ansprüche auch in der Folgezeit beharrlich gegenüber den Beklagten geltend gemacht. Er hat sich spätestens im September 1975 wieder darauf berufen und durch eine am 9. September 1976 gegen die Kommanditgesellschaft und die Beklagte zu 1 erhobene Klage ein rechtskräftiges Urteil auf Einsicht in die jährlichen Prüfungsberichte für die Jahre 1968 bis 1974 erstritten (Urt. des Landgerichts Dortmund v. 20.1.1977, 16 O 150/76), das ihm ausdrücklich bestätigte, das Abkommen vom 15. Januar 1946 sei weder aufgehoben noch gegenstandslos geworden; darin habe das Interesse des Klägers zu 1 Ausdruck gefunden, „gleichrangig mit diesem (dem Beklagten zu 2) auf die Geschicke des Familienunternehmens weiterhin möglichst umfassend Einfluß nehmen zu können …”. Weiterhin hat er mit Schreiben vom 8. September 1977 unter Berufung auf die Gründe dieses Urteils erklärt, daß er gewillt sei, dieses „vom Gericht bestätigte Recht umfassend auszuüben, soweit das nur rechtlich möglich ist”.

Selbst wenn für die Zeit nach 1974 noch angenommen wird, daß die Beklagte zu 1 für ihre gegenteilige Auffassung anerkennenswerte Gründe anführen konnte, so verletzte sie schwerwiegend ihre Pflichten, als sie sich trotz des ihr mitgeteilten und durch Gerichtsurteil bestätigten Rechts Standpunkts des Klägers zu 1 über dessen Belange hinwegsetzte und ihre eigenen Interessen beharrlich durchsetzte. Das Gesellschaftsverhältnis wird im besonderen Maße vom gegenseitigen Vertrauen geprägt und begründet für jeden Gesellschafter eine besondere Treuepflicht. Sie gebot der Beklagten, auf die gegenteilige – auf konkrete vertragliche Vereinbarungen gestützte – Auffassung des Klägers zu 1 Rücksicht zu nehmen und diesen – bis zu einer endgültigen Klärung – jedenfalls in der Weise an der Geschäftsführung zu beteiligen, daß sie ihn über Geschäftsführungsmaßnahmen unterrichtete, die über den Rahmen der laufenden Geschäftsführung hinausgingen, um ihm insoweit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die völlige Ausschaltung des Klägers zu 1 bei den Geschäftsführungsmaßnahmen, die zum Abschluß des dinglich gesicherten Kreditvertrages über 650.000 DM am 5. November 1977, zu den außergewöhnlichen Investitionen in den Jahren 1976 bis 1979 sowie zu den Grundstücks Veräußerungen vom 29. Dezember 1978 bis 29. November 1980 führten, stellen demgemäß erhebliche Verletzungen der Gesellschafterpflichten dar. Ob dies – weil die Kommanditisten gleichzeitig die Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind – auch gilt, soweit die Beklagte zu 1, vertreten durch den Beklagten zu 2, entgegen einer Weisung der Gesellschaftermehrheit den Anstellungsvertrag mit dem Beklagten zu 5 unter Umgehung der Gesellschafterversammlung abgeschlossen haben, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Vorinstanzen durften dieses Verhalten jedenfalls bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände zu Lasten der Beklagten berücksichtigen, weil dadurch auch die Belange der Kommanditgesellschaft wesentlich beeinträchtigt worden sind. Angesichts der Tatsache, daß die Beklagten nach Zustellung der vorliegenden Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis am 4. Januar 1979 weitere Grundstücksveräußerungen (am 14. Februar 1979, 21. August 1979 und 29. November 1980) vorgenommen haben, ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht ihr Verhalten in Übereinstimmung mit dem Landgericht als hartnäckig und selbstherrlich und deshalb als besonders schwerwiegende Pflichtverletzung beurteilt hat. Es rechtfertigt den von den Vorinstanzen gezogenen Schluß, daß die Geschäftsführung der Beklagten das Vertrauensverhältnis zwischen den Gesellschaftern nachhaltig zerstört hat und den Klägern deshalb nicht mehr zugemutet werden kann, der Beklagten zu 1 die Geschäftsführungsbefugnis der Kommanditgesellschaft zu belassen.

b) Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es unerheblich, ob das Vertrauen in die Geschäftsführung auch dadurch beeinträchtigt worden ist, daß es unabhängig von den vorstehend erörterten Geschäftsführungsmaßnahmen zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien über die Gewinnverteilung, Sondervergütungen und Entnahmerechte gekommen ist. Entgegen der Auffassung der Revision kann demgemäß gegenüber dem geltend gemachten Anspruch auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis auch nichts daraus abgeleitet werden, daß die in diesem Zusammenhang in den Vorinstanzen erhobenen weiteren Vorwürfe mangels gegenteiliger Feststellung des Berufungsgerichts für die Revisionsinstanz als unberechtigt anzusehen sind.

c) Der Revision ist allerdings im Ausgangspunkt darin zu folgen, daß bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Umstände auch zu berücksichtigen ist, welche Auswirkungen die Entziehung der Geschäftsführung der Beklagten zu 1 auf die gesellschaftsrechtliche und berufliche Stellung der Beklagten zu 2 und 5 haben (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 18.10.1976, aaO, WM 1977, 500, 502 zu 2 a). Die darauf gestützte Rüge, das Berufungsgericht habe sich damit nicht ausdrücklich auseinandergesetzt, hat jedoch keinen Erfolg. Aus dem Zusammenhang der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ist zu entnehmen, daß das Berufungsgericht trotz dieser bedeutsamen Auswirkungen die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis deshalb als gerechtfertigt ansieht, weil es sich um eine Vielzahl von Pflichtverletzungen handelt, mit denen die Beklagten beharrlich und hartnäckig die Rechte von Mitgesellschaftern mißachtet haben. Letztlich ist das angefochtene Urteil insoweit deshalb zu bestätigen, weil sich die Beklagten nach Treu und Glauben auf die mit der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis verbundenen Nachteile nicht mehr berufen können, nachdem sie die schwerwiegenden und groben Treueverstöße noch nach Zustellung der vorliegenden Entziehungsklage und Kenntnis ihrer Begründung fortgesetzt haben.

Dieser Beurteilung wird nicht dadurch die Grundlage entzogen, daß nach dem Protokoll über die Gesellschafterversammlung vom 17. November 1981 die Kläger der „weiteren grundbuchlichen Absicherung gewährter Kredite in einem Umfang bis zu 800.000 DM” nicht widersprochen haben und die Beklagten in dieser Gesellschafterversammlung erklärt haben, bei der Frage der Behandlung von „außergewöhnlichen Geschäften” sich selbst in Zweifelsfällen an die Entscheidungsgründe des in einem anderen Rechtsstreit (8 U 120/79) ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Hamm vom 2. Februar 1981 solange zu halten, „wie diese nicht durch eine andere Rechtsprechung beseitigt worden sind”. Entgegen der Auffassung der Revision ist insbesondere kein Begründungsmangel darin zu sehen, daß das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang nur ausgesprochen hat, es sei nicht ersichtlich, daß das Vertrauen der Kläger in die Geschäftsführung dadurch wieder hergestellt worden sei.

5. Ebenfalls unbegründet ist die Revision, soweit sie meint, die Verletzung des Sonderrechts eines einzelnen von sieben Kommanditisten, auf Geschäftsführungsmaßnahmen Einfluß zu nehmen, könne keinen wichtigen Grund zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis bilden; als grobe Pflichtverletzung kämen nur Handlungen in Betracht, die dem Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft selbst oder gegenüber allen Gesellschaftern oblägen. Es ist zwar richtig, daß die Befugnis zur Geschäftsführung ein sogenanntes uneigennütziges Recht ist, dessen Ausübung am Interesse der Gesellschaft auszurichten ist. Daraus folgt jedoch nicht, daß sich die Geschäftsführerpflichten darin erschöpfen, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft ordentlich zu führen und dabei das Wohl der Gesellschaft und nicht den eigenen Nutzen zu verfolgen. Sie dürfen diese Befugnis vielmehr auch nur in den Grenzen und unter den Voraussetzungen ausüben, die der Gesellschaftsvertrag aufstellt, und haben demgemäß insbesondere die gesellschaftsvertraglich festgelegte Organisationsordnung zu beachten. Eine schwerwiegende Verletzung der Geschäftsführerpflichten liegt deshalb auch dann vor, wenn hiergegen verstoßen wird, zumal wenn, wie hier, die aus der Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft dem einzelnen Gesellschafter erwachsenen Mitwirkungsrechte nicht dessen eigenem Interesse, sondern dem Gesellschaftsganzen zu dienen bestimmt sind und demgemäß ebenfalls zu uneigennütziger Tätigkeit verpflichten. Das wird im vorliegenden Falle besonders deutlich, wo die Mitberechtigung des Klägers zu 1 ersichtlich auch geschaffen worden ist, um ein Gegengewicht gegen den alleinigen Geschäftsführer zu bilden.

6. Es erhebt sich allerdings die Frage, ob gegen die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten zu 1 im vorliegenden Falle deshalb Bedenken bestehen, weil die Kläger und die Beklagten zu 2 und 3 im gleichen Verhältnis sowohl an der Kommanditgesellschaft als auch an der Komplementär-GmbH beteiligt sind und in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Lage waren, die Beklagten zu 2 und 5 aus wichtigem Grunde als Geschäftsführer abzuberufen (§§ 7, 8 GmbH-Satzung, § 38 GmbHG). Diese Frage ist zu verneinen. Im vorliegenden Falle werden zwar die wichtigen Gründe zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten zu 1 aus dem Verhalten der Geschäftsführer abgeleitet, so daß die Voraussetzungen für die Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Beklagten zu 1 entfallen würden, wenn die Kläger als Gesellschafter der Komplementär-GmbH die Beklagten zu 2 und 5 als Geschäftsführer abberufen würden. Hierauf wären die Kläger nach allgemein anerkannten Grundsätzen zu verweisen, wenn diese Maßnahme als weniger einschneidende und den Beteiligten zumutbare Lösung zu erachten wäre (vgl. BGHZ 68, 81, 86; Hopt, ZGR 1979, 1, 10 f). Das ist jedoch nicht der Fall: Nach der GmbH-Satzung (§ 7 Abs. 6) ist davon auszugehen, daß die Beklagte zu 1 auch Aufgaben zu erfüllen hat, „die nicht in Erfüllung der Aufgaben als Komplementär-GmbH der Kommanditgesellschaft auszuführen sind”. Vor allem aber erscheint es angemessen und sachgerecht, daß die Gesellschafter einer GmbH & Co. KG die bei der Führung ihres Gesellschaftsunternehmens entstandenen Schwierigkeiten und Probleme unmittelbar in der Kommanditgesellschaft – durch deren Neuorganisation – lösen. Aus diesem Grunde kann jedenfalls in einem Falle, in dem sich die Kläger, wie hier, zur Klage auf Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Komplementär-GmbH entschlossen haben, diese Klage nicht mit der Begründung abgewiesen werden, ihnen stehe das mildere Mittel der Abberufung der Geschäftsführer in der Komplementär-GmbH zur Verfügung. Die Beklagten haben in dieser Richtung auch keine Bedenken geltend gemacht.

IV. Die Verurteilung der Beklagten zu 2 und 5, der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis zuzustimmen, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.

Hierbei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen der einzelne Gesellschafter bei Fehlen einer besonderen gesellschaftsvertraglichen Regelung verpflichtet ist, einer Entziehungsklage zuzustimmen. Die aus der gesellschaftlichen Treuepflicht abzuleitende Zustimmungspflicht (vgl. BGHZ 64, 255, 257 ff) besteht jedenfalls für solche Gesellschafter, die, wie hier, den wichtigen Grund, der zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis der Komplementär-GmbH führt, als Geschäftsführer dieser Gesellschaft zu verantworten haben und die sich selbst der Pflichtverletzung gegenüber der Kommanditgesellschaft schuldig gemacht haben. In Fällen dieser Art ist die geforderte Zustimmung zu der Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis grundsätzlich als zumutbar anzusehen. Die Weigerung stellte eine erneute Verletzung der Treupflicht dar.

 

Unterschriften

Stimpel, Fleck, Richter am Bundesgerichtshof Dr. Bauer kann wegen Urlaubs nicht unterschreiben. Stimpel, Dr. Kellermann, Bundschuh

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 25.04.1983 durch Spengler Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Nachschlagewerk BGH

ZIP 1983, 1066

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge