Leitsatz (amtlich)

›Zur Beendigung der Umsatzsteuerhinterziehung bei Untätigkeit des Steuerschuldners.‹

 

Verfahrensgang

LG Krefeld (Urteil vom 21.02.1990)

 

Gründe

I.

Das Landgericht hat die beiden Beschwerdeführer wegen Steuerhinterziehung in insgesamt 22 Fällen verurteilt, und zwar den Angeklagten S. unter Einbeziehung von Einzelstrafen in Höhe von zwei Jahren und einem Jahr (§ 55 StGB) zu einer Gesamtstrafe von vier Jahren und die Angeklagte W. zu einer Gesamtstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.

Nach den Feststellungen haben die Angeklagten im Hinblick auf die Umsatzsteuern von 1977 bis zum März 1985 keine Voranmeldungen abgegeben. Ihre Steueranmeldungen, nach § 18 Abs. 3 UStG sind für die Jahre 1977 bis 1981 ebenfalls ausgeblieben; in den eingereichten Jahresanmeldungen für 1982 und 1983 sind Umsätze verschwiegen worden. Ferner haben die Angeklagten es unterlassen, Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1978 bis 1983 sowie Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1977 bis 1981 einzureichen; in den Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1982 und 1983 haben sie Gewinne verschwiegen.

Die Revisionen der Angeklagten haben zum Teil Erfolg.

II.

1. Im Hinblick auf die Hinterziehung von Umsatzsteuern für die Jahre 1977 und 1978 sowie von Gewerbesteuern für das Jahr 1977 ist die Strafverfolgung verjährt. Die Verfolgungsverjährung ist erstmals durch die richterlichen Durchsuchungsanordnungen vom 1. April 1985 unterbrochen worden (Bd. II, Bl. 225 d.A. bezüglich des Angeklagten S.; Bd. I, Bl. 43 d.A. bezüglich der Angeklagten W.); diese Unterbrechungshandlungen betrafen die Hinterziehung nicht allein von Umsatz- und Einkommensteuern, sondern auch von Gewerbesteuern. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB i.V. mit § 370 AO). Die Hinterziehung von Umsatz- und Gewerbesteuern für das Jahr 1977 sowie von Umsatzsteuern für das Jahr 1978 war vor dem 1. April 1980 beendet. Für die Gewerbesteuern folgt dies daraus, dass das Finanzamt bis dahin die Festsetzung der Gewerbesteuer (§ 16 GewStG) für das Jahr 1977 bei rechtzeitiger Einreichung der Steuererklärung abgeschlossen hätte (vgl. BGHSt 30, 122, 123; 36, 105, 111; Senatsbeschluss vom 17. Juli 1979 - 5 StR 410/79). Die Umsatzsteuerhinterziehung bezüglich der Jahre 1977 und 1978 war, nachdem bereits die VoranmeIdungen ausgeblieben waren, spätestens im Jahre 1979 beendet; auch vor der Einführung des § 149 Abs. 2 AO durch das Gesetz vom 26. November 1979 (BGBl. I S. 1953) war die Steueranmeldung nach § 18 Abs. 3 UStG jedenfalls während des auf den Steuerzeitraum folgenden Jahres abzugeben.

Darauf, dass das Finanzamt die Steuern nach Beendigung der Steuerhinterziehung geschätzt hat, kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichts (UA S. 48) nicht an.

2. Soweit den beiden Angeklagten die Hinterziehung von Einkommen- und Gewerbesteuern für das Jahr 1978 zur Last gelegt wird, hat der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

3. Die Verfolgung der Steuerhinterziehungen für das Jahr 1979 ist nicht verjährt. Für die Einkommen- und Gewerbesteuern folgt das daraus, dass die Frist zur Einreichung der Steuererklärungen am 1. April 1980 noch nicht abgelaufen war (§ 149 Abs. 2 AO). Die Umsatzsteuerhinterziehung war zwar schon mit dem Ausbleiben der jeweils zehn Tage nach Ablauf des Kalendermonats abzugebenden Voranmeldungen (§ 18 Abs. 1 UStG), also insgesamt am 10. Januar 1980 vollendet. Die Beendigung der Tat trat indessen erst zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Jahresanmeldunq spätestens abzugeben war, also am 31. Mai 1980. Der Bundesgerichtshof hat bereits dargelegt, dass die Umsatzsteuerhinterziehung in der Regel mit dem Eingang der Jahressteueranmeldung (§ 18 Abs. 3 UStG) beim Finanzamt beendet ist (BGHR StGB § 78 a Satz 1 Umsatzsteuerhinterziehung 1 = NStZ 1989, 326). In Fällen, in denen weder Voranmeldungen noch die Jahresanmeldung abgegeben worden sind, ist auf den Ablauf der Frist für die Jahresanmeldung (§ 149 Abs. 2 AO) abzustellen; damit werden hier Begehungs- und Unterlassungstaten annähernd gleich behandelt. Eine Übertragung der für die Einkommensteuern entwickelten Grundsätze (Beendigung erst bei Abschluss der Veranlagungsarbeit des Finanzamts) verbietet sich, weil die Umsatzsteuer nicht veranlagt, sondern vom Unternehmer selbst berechnet wird (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG). Dass steuerrechtliche Erklärungspflichten nach Ablauf der Anmeldungsfrist fortdauern, steht der Beendigung der Steuerhinterziehung nicht entgegen.

III.

Die Verfahrensrüge der Angeklagten W. ist offensichtlich unbegründet. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung der Schuldsprüche deckt im Hinblick auf beide Beschwerdeführer keinen Rechtsfehler zu ihrem Nachteil auf. Das gilt auch für die Beurteilung der steuerrechtlichen Verpflichtungen der Angeklagten W., die das Landgericht als einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts angesehen und deswegen nach § 34 Abs. 2 AO für steuerpflichtig gehalten hat. Diese Rechtsauffassung hat der Tatrichter auf eine eingehende Würdigung des Sachverhalts gestützt; dabei hat er nicht die Indizien übersehen, die auf ein Übergewicht der Rolle des Mitangeklagten S. hinweisen. Rechtsfehler lässt die Würdigung des Tatrichters nicht erkennen; die Revision der Angeklagten W. versucht ohne Erfolg, den Folgerungen des Tatrichters eine eigene Beweiswürdigung entgegenzusetzen.

IV.

1. Die gegen den Angeklagten S. verhängten Einzelstrafen halten ebenfalls der rechtlichen Nachprüfung stand. Mit Rücksicht auf die Teileinstellung wegen Verjährung (oben I. 1.) und auf die Aufhebung weiterer Schuldsprüche (oben I. 2.) musste dagegen die Gesamtstrafe aufgehoben werden; über sie wird der Tatrichter unter Berücksichtigung des veränderten Schuldumfanges erneut zu entscheiden haben.

2. Der Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten W. gibt auch aus anderen Gründen Anlass zu rechtlichen Bedenken. Die - rechtlich fehlerfreie - Annahme, dass die Angeklagte W. mit Rücksicht auf § 34 AO steuerpflichtig gewesen ist, entband den Tatrichter nicht von der Notwendigkeit, bei der Strafzumessung das Verhältnis zwischen den beiden Angeklagten näher zu würdigen. Die Urteilsgründe enthalten in diesem Zusammenhang nur die Erwägung, dass die Angeklagte W. "infolge ihrer Beziehung zu dem Mitangeklagten S. straffällig geworden" sei (UA S. 53). Das lässt besorgen, dass der Tatrichter bei der Strafzumessung nicht die Gesamtheit der Lebensumstände der Angeklagten W. gewürdigt hat. Die 1955 geborene Angeklagte lebt seit "etwa 1970" (UA S. 90) mit dem Angeklagten S. in einem eheähnlichen Verhältnis zusammen. S. war "sicherlich die dominante Persönlichkeit" (UA S. 51). Er hat die Angeklagte W. im Jahre 1987 schwer misshandelt und vergewaltigt (UA S. 6, 7). Die Gesamtheit dieser Umstände legte die Prüfung nahe, ob die Angeklagte W. - unbeschadet der steuerrechtlichen Beurteilung - nicht weitgehend unter dem Einfluss des Mitangeklagten gestanden hat. Ein solcher Sachverhalt müsste sowohl bei der Entscheidung über die Unerlässlichkeit einer Freiheitsstrafe nach § 47 StGB als auch bei der Beurteilung besonderer Umstände nach § 56 Abs. 2 StGB ins Gewicht fallen. - Bei der Prüfung nach § 56 Abs. 2 StGB durfte der Tatrichter nicht zum Nachteil der Angeklagten W. berücksichtigen, dass die Angeklagte nicht "gewillt" ist, den nach Teilzahlungen noch offen stehenden Restbetrag der Steuern nachzuzahlen (UA S. 56); denn die Angeklagte W. bestreitet, Steuerschuldnerin zu sein und sich deshalb der Steuerhinterziehung schuldig gemacht zu haben (UA S. 41). -

Schließlich fehlt in den Strafzumessungsgründen eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob von der Möglichkeit der gesonderten Verhängung einer Gesamtgeldstrafe (§ 53 Abs. 2 Satz 2 StGB) Gebrauch gemacht werden soll (vgl. BGHR § 53 Abs. 2 Einbeziehung nachteilige 1, 2, 3). Unter diesen Umständen hat der Senat den Strafausspruch hinsichtlich der Angeklagten W. in vollem Umfang aufgehoben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2993062

NJW 1991, 1315

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