Leitsatz (amtlich)

Ausgleichszahlungen nach § 89 b HGB an ausgeschiedene Handelsvertreter können bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens des Unternehmers nicht als selbständig bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut angesetzt werden.

 

Normenkette

BewG 1965 § 95 Abs. 1; HGB § 84 Abs. 1, § 89b

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hat bei der Wertfortschreibung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) auf den 1. Januar 1971 durch den Bescheid vom 23. Oktober 1972 entsprechend den Feststellungen der im Jahre 1972 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung Ausgleichszahlungen in Höhe von 26 035 DM, welche die Klägerin an im Jahre 1970 ausgeschiedene Handelsvertreter nach § 89 b HGB geleistet hatte, unter den Besitzposten als immaterielles Wirtschaftsgut angesetzt. Der Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, es handele sich bei den Ausgleichszahlungen nicht um ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut, hatte keinen Erfolg. Dagegen gab das FG der Klage statt. Es verminderte die Besitzposten um den Betrag der Ausgleichszahlungen und setze den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1971 entsprechend herab. Es führte im wesentlichen aus, die Gewinnaussichten aus den von einem ausgeschiedenen Handelsvertreter angebahnten Geschäftsbeziehungen seien durch die allgemeine Verkehrsanschauung nicht als selbständig bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut anerkannt, sie seien vielmehr grundsätzlich Teil des sog. Geschäftswerts. Außerdem seien die Ausgleichszahlungen an ausgeschiedene Handelsvertreter auch nicht das Entgelt für den Erwerb igendwelcher immaterieller Wirtschaftsgüter. Schließlich sei die selbständige Bewertungsfähigkeit auch nicht durch Aufwendungen anerkannt worden, die auf das zu bewertende Wirtschaftsgut gemacht worden seien.

Das FA beantragt mit der Revision, die das FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitsache zugelassen hat, das FG-Urteil aufzuheben und (sinngemäß) die Klage abzuweisen. Es wird Verletzung des § 95 Abs. 1 BewG gerügt. Die Revision wird im wesentlichen damit begründet, daß die Ausgleichszahlung eines Unternehmers an ausgeschiedene Handelsvertreter ein angemessenes Entgelt für Vorteile darstelle, die dem Unternehmer nach dem Ausscheiden des Handelsvertreters noch eine Weile verblieben. Nach Auffassung der Verwaltung hätten die Handelsvertreter durch ihre Tätigkeit künftige Gewinnaussichten geschaffen, die als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut anzusehen seien, für das ein Erwerber des ganzen Betriebes ein Entgelt zahlen würde. Diese Gewinnaussichten würden nicht vom Unternehmer selbst, sondern von einem Dritten, dem Handelsvertreter, geschaffen. Der immaterielle Wert "Ausgleichszahlung" sei auch als selbsändig bewertungsfähig anzusehen, weil er als geldwerte Realität in Erscheinung getreten sei. Durch die Ausgleichszahlungen werde ein bestimmtes- Wirtschaftsgut konkretisiert. Der wirtschaftliche Vorteil sei als solcher abgrenzbar und im Falle der Veräußerung für den Erwerber von Bedeutung.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß immaterielle Wirtschaftsgüter nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bei der Vermögensbewertung im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens dann als selbständig bewertbare Wirtschaftsgüter erfaßt werden, wenn sie als geldwerte Realität in Erscheinung getreten sind. Das ist der Fall, wenn eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:

a) die selbständige Bewertungsfähigkeit wird durch die allgemeine Verkehrsauffassung anerkannt oder

b) das immaterielle Wirtschaftsgut wird entgeltlich erworben oder

c) die selbständige Bewertungsfähigkeit wird durch Aufwendungen anerkannt, die für das zu bewertende immaterielle Wirtschaftsgut gemacht worden sind (Urteil des BFH vom 9. November 1973 III R 12/72, BFHE 110, 541, BStBl II 1974, 81).

Für den Geschäftswert ist jedoch die Einschränkung zu beachten, daß nur ein entgeltlich erworbener, nicht dagegen ein selbst geschaffener Geschäftswert als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut behandelt werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1970 III R 20/66, BFHE 99, 50, BStBl II 1970, 489). Deshalb ist es für die Frage der Bewertbarkeit eines mit den Ausgleichszahlungen eines Unternehmers an ausgeschiedene Handelsvertreter nach § 89 b HGB verbundenen immateriellen Wirtschaftsguts von entscheidender Bedeutung, ob dieses immaterielle Wirtschaftsgut, wie das FG meint, nur ein Teil des allgemeinen Geschäftswerts ist. Der Senat hat schon in dem Urteil III R 20/66 (unter 5b) ausgeführt, daß der I. Senat des BFH den Geschäftswert dahin gehend definiert habe, es handele sich dabei um den Mehrwert, der einem Unternehmen über die sonstigen aktivierten Wirtschaftsgüter (abzüglich der Schulden) hinaus innewohne und dessen Bedeutung darin liege, daß er auf Grund der in ihm enthaltenen Vorteile (Ruf des Unternehmens, Kundenkreis, Absatzorganisation usw.) die Erträge des Unternehmens höher oder zumindest gesicherter erscheinen lassen als bei einem anderen Unternehmer mit sonst gleichen Wirtschaftsgütern, bei denen diese Vorteile fehlten (vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1967 I 77/64, BFHE 88, 198, BStBl III 1967, 334). Dieser Mehrwert substantiiere sich in den Beziehungen zu den Kunden. Damit werde der Geschäftswert eines Unternehmens, wenn nicht ausschließlich, so doch entscheidend durch den Kundenstamm und die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden bestimmt. Der Senat verbleibt auch für den Streitfall bei dieser Auffassung.

2. Wendet man die zu 1. dargelegten Grundsätze auf die hier zu entscheidende Frage an, so zeigt sich, daß durch die Ausgleichszahlungen der Klägerin nach § 89 b HGB an die im Jahre 1970 ausgeschiedenen Handelsvertreter kein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut geschaffen worden ist. § 89b HGB gewährt dem Handelsvertreter einen Ausgleichsanspruch unter zwei alternativen Voraussetzungen. Entweder muß der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile haben (§ 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB) oder muß der Handelsvertreter infolge der Beendigung des Vertragsverhältnisses Ansprüche auf Provisionen verlieren, die er bei Fortsetzung desselben aus bereits abgeschlossenen oder künftig zustandekommenden Geschäften mit den von ihm geworbenen Kunden hatte (§ 89b Abs. 1 Nr. 2 HGB). Der Ausgleichsanspruch hat danach den Zweck, dem Handelsvertreter eine Entschädigung dafür zu geben, daß er durch sein Ausscheiden in Zukunft für Geschäfte mit von ihm geworbenen Kunden keine Provision mehr erhält. Der Unternehmer erhält durch diese Ausgleichszahlungen nicht etwa zukünftige neue Vorteile. Denn die Gewinnchancen aus den Geschäften mit den von dem Handelsvertreter bereits geworbenen neuen Kunden stehen ihm ohnehin zu. Sie werden sogar durch die Ausgleichszahlungen gemindert. Die vom Handelsvertreter geworbenen neuen Kunden gehören aber zum Kundenstamm des Unternehmens und damit zum allgemeinen Geschäftswert, der sich, wie oben dargelegt, gerade in den Beziehungen zu den Kunden manifestiert. Das FG hat schon aus diesem Grunde zu Recht ein selbständig bewertbares Wirtschaftsgut verneint. Gegen die Annahme eines selbständig bewertbaren Wirtschaftsguts spricht auch die Erwägung, daß es sich bei den Ausgleichszahlungen wirtschaftlich um Ersatz für entgangene laufende Provisionen handelt, die Zahlung laufender Provisionen aber nach der Rechtsprechung des Senats nicht zur Anerkennung eines selbständig bewertungsfähigen immateriellen Wirtschaftsguts führen kann (vgl. BFH-Urteil III R 20/66). Das FG hat auch zu Recht in den Ausgleichszahlungen kein Entgelt für den Erwerb eines Teilgeschäftswerts gesehen. Der Handelsvertreter schließt die Geschäfte im Namen des Unternehmers ab (vgl. § 84 Abs. 1 HGB). Ihm stehen deshalb aus diesen Verträgen keine Ansprüche zu, die der Unternehmer gegen Entgelt von ihm erwerben könnte. Weil die Ausgleichszahlungen, wie oben dargelegt wurde, nicht im Interesse des Unternehmers, sondern im Interesse des Handelsvertreters geleistet werden, können sie auch nicht als Aufwendungen des Unternehmers auf den durch die Geschäftsabschlüsse des Handelsvertreters geschaffenen Geschäftswert angesehen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71169

BStBl II 1975, 85

BFHE 1975, 535

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