Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Steuergerichte sind für Entscheidungen über die Zurückweisung von Wein von der Einfuhr (ß 10 Abs. 1 WZO) nicht zuständig.

 

Normenkette

FGO § 182; VwGO § 40

 

Tatbestand

Das Hauptzollamt wies mit Bescheid vom 13. November 1954 einen Kesselwagen mit italienischem Dessertwein, den die Beschwerdeführerin (Bfin.) von einer Firma in T bezogen hatte, gemäß § 10 der Weinzollordnung (WZO) von der Einfuhr zurück, nachdem die Staatliche Chemische Untersuchungsanstalt den Wein als nachgemachten Dessertwein im Sinne des § 9 des Weingesetzes (WG) beurteilt hatte, der nach §§ 13, 14 WG nicht einfuhrfähig sei.

Der Einspruch der Bfin. wurde im Auftrag der Oberfinanzdirektion nach Einholung eines Obergutachtens durch Schreiben des Hauptzollamts vom 20. Dezember 1954 zurückgewiesen. Die von der Bfin. beim Verwaltungsgericht erhobene Anfechtungsklage wurde zunächst mit Vorbescheid vom 4. Mai 1955 wegen sachlicher Unzuständigkeit abgewiesen, da das Verwaltungsgericht auf Grund des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) und des Gutachtens des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 (Slg. Bd. 55 S. 277, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 107) die Zuständigkeit der Finanzgerichte als gegeben ansah. Die Bfin. beantragte mündliche Verhandlung und stellte vorsorglich den Antrag, den Rechtsstreit an das Finanzgericht zu verweisen. Das Verwaltungsgericht erklärte sich durch Beschluß vom 11. Juli 1955 für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Finanzgericht.

Das Finanzgericht hat mit Beschluß vom 24. Juli 1956 den Rechtsstreit an den Bundesfinanzhof abgegeben. Es ist der Ansicht, daß es dahingestellt bleiben könne, ob die Verwaltungsgerichte oder die Steuergerichte zuständig seien, da für den Fall, daß die Steuergerichte zu entscheiden hätten, allein der Bundesfinanzhof auf Grund des Urteils V z 134/55 S vom 15. März 1956 (Slg. Bd. 62 S. 423, BStBl 1956 III S. 157) als zuständiges Gericht anzusehen sei.

Die Oberfinanzdirektion hat mit Schriftsatz vom 18. Juni 1956 dargelegt, daß nach ihrer Auffassung die Zollstellen bei Untersuchung von ausländischen Weinen nicht in Wahrnehmung von eigenen Belangen der Zollverwaltung handelten, sondern auftragsweise die Aufgaben der für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden erfüllten, so daß der Rechtsweg gegen den Bescheid der Oberfinanzdirektion im Streitfalle nur zum Verwaltungsgericht führen könne. Der Bundesminister der Finanzen hat nach Beitritt zum Verfahren gemäß § 287 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) die gleiche Ansicht vertreten.

Die Bfin. hat durch ihren Anwalt erklärt, daß die von dem Bundesminister der Finanzen hinsichtlich der Zuständigkeit vertretene Rechtsauffassung auch ihrer Ansicht entspräche und daß Einwendungen insoweit nicht erhoben würden.

 

Entscheidungsgründe

Der erkennende Senat hält im Streitfalle die Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs nicht für gegeben.

Zufolge Art. 19 Abs. 4 GG wird jedem, der sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt fühlt, der Rechtsweg eröffnet. Dieser erweiterte Rechtsweg ist nach dem Gutachten des Großen Senats des Bundesfinanzhofs Gr.S. D 1/51 S vom 17. April 1951 Slg. Bd. 55 S. 277, BStBl 1951 III S. 107) zu den Steuergerichten in Abgabensachen nach § 3 und § 4 AO zulässig. Um eine solche Sache handelt es sich hier nicht. Die Prüfung der Einfuhrfähigkeit von Wein erfolgt ausschließlich nach den Bestimmungen des WG vom 25. Juli 1930. Ob ein Wein einfuhrfähig ist, entscheiden nach § 2 Abs. 2 WZO die öffentlichen Fachanstalten, die von einer obersten Landesbehörde dazu bestellt werden. Die gesamte Weinkontrolle beruht auf dem Lebensmittelrecht. Da die Zollverwaltung in Fällen der in Rede stehenden Art nicht auf dem Gebiet der Zölle und Verbrauchsteuern, also nicht in Abgabensachen tätig ist, kann aus dem Gutachten des Großen Senats des Bundesfinanzhofs "bei Aufgliederung der Gerichte nach der Natur der Streitsache" die Zuständigkeit der Steuergerichte (Finanzgericht und Bundesfinanzhof) nicht hergeleitet werden.

Auch aus dem Gedanken des sogenannten "Sachzusammenhanges" (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 1953 C 01/53, Neue Juristische Wochenschrift 1954 S. 772), d. h. aus dem Zusammenhang der in Betracht kommenden Gegenstände nach rechtlichen Gesichtspunkten, kann die Zuständigkeit der Steuergerichte nicht gefolgert werden. Die Weingesetzgebung weist wegen ihres lebensmittelrechtlichen Charakters (vgl. Hieronimi, Weingesetz, Sonderdruck 1953, Vorbem. Ziff. 2; Holthöfer-Nüse, Weingesetz, Vorbem. S. 1) keine Verbundenheit mit dem Abgabenrecht auf. Ihre Durchführung obliegt den zuständigen Landesverwaltungsbehörden; nur beim Eingang ausländischer Weine, der sich örtlich ohnehin über die Zollstellen vollzieht, wird die Zollverwaltung für bestimmte Aufgaben (Probeentnahme, Bekanntgabe der Entscheidung) im Wege der Amtshilfe tätig. Die Begutachtung der Weine und damit die sachliche maßgebliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Einfuhr oder die Zurückweisung der Weine ist Sache der Landesbehörden, aber nicht der Finanzverwaltung. Die Zollbehörde ist deshalb bei ihren Verfügungen an die Beurteilung der Fachanstalten gebunden, wie aus § 10 Abs. 1 WZO hervorgeht. Die Kosten der Untersuchung fließen in die Landeskasse. Die Untersuchung durch die Fachanstalten ist für die Zwecke der Zollverwaltung - Prüfung nach dem Zolltarif - belanglos, ein materieller Zusammenhang fehlt also.

Kann somit die Zuständigkeit eines besonderen Verwaltungsgerichts (eines Finanzgerichts) weder aus dem Gesetz noch aus dem Sachzusammenhang begründet werden, so ist für die Anfechtung der in Rede stehenden Verwaltungsakte der Rechtsweg vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben.

Da der Bundesfinanzhof in dem vorliegenden Rechtsstreit den infolge des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts bestrittenen Rechtsweg nicht für zulässig hält, verweist er den Rechtsstreit gemäß § 81 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (Bundesgesetzblatt I S. 625) an das Bayerische Verwaltungsgericht als zuständiges Gericht des ersten Rechtszuges.

Kosten werden nach § 314 AO nicht erhoben.

 

Fundstellen

BStBl III 1958, 8

BFHE 66, 19

StRK, AO:237 R 10

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