Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bilanzierung der Provisionsforderungen des Handelsvertreters.

 

Normenkette

EStG §§ 5, 6/2

 

Tatbestand

Der Beschwerdegegner (Bg.) ist als Handelsvertreter für verschiedene Firmen tätig. Strittig ist die Bewertung seiner Provisionsforderungen. Der Steuerpflichtige hat den Tatbestand, teilweise erst im Rechtsbeschwerdeverfahren, ohne Widerspruch wie folgt dargestellt:

Sein Anspruch auf Provision entstehe nach den Vertreterverträgen nach Bezahlung der Ware. Die Abrechnungen der Firmen mit ihm erfolgten jedoch meist schon auf Grund der erteilten Rechnungen nach der erfolgten Warenlieferung durch den Geschäftsherrn. In dem Vertrag mit der Firma V. sei es besonders vermerkt. Aber nicht nur diese Firma rechne nach erteilten Rechnungen ab, auch die anderen Firmen seien in dieser Weise verfahren. Die Bezahlung erfolge in den meisten Fällen auf Grund der üblichen Handelskonditionen der Deutschen Textilindustrie nach 60 Tagen, oft sogar erst nach drei bis vier Monaten und noch später. Es sei nicht richtig, daß die meisten Waren bereits am 31. Dezember bezahlt seien. Es sei auch nicht annähernd möglich zu sagen, welche Rechnungen bis zum 31. Dezember bezahlt seien, da sich die gesamten Abrechnungen aus vielen Tausenden von Lieferungen bzw. einzelnen Rechnungen zusammensetzten. Um dies zu berechnen, müßten die Geschäftsherren dem Vertreter jeweils mitteilen, welche Rechnungen und wann diese Rechnungen bezahlt seien. Bei der Vielzahl der Rechnungen, die ein Großwerk zu versenden habe, sei das völlig unmöglich. Die Geschäftsherren würden sich auch weigern, eine für sie unnötige und dazu schwierige und langwierige, vollkommen handelsunübliche Arbeit zu verrichten. Es könne natürlich möglich sein, daß ein kleiner Teil der Rechnungen noch vor dem 31. Dezember bezahlt worden sei. Monatlich, vierteljährlich oder jährlich würden für die vorgesehenen Zeitabschnitte Provisionsabrechnungen durch die Geschäftsherren erteilt.

Nach den erst im Jahre 1953 eingegangenen Provisionsabrechnungen haben die gesamten Provisionen des letzten Vierteljahres 1952 33 845,99 DM betragen. Auf diese Provisionen habe er in 1952 bereits Vorschüsse in Höhe von 10 000 DM erhalten. Die Forderungen abzüglich der Vorschüsse am 31. Dezember 1952 hätten demnach 23 845,99 DM betragen. Der Steuerpflichtige hat diesen Betrag in seiner Bilanz zum 31. Dezember 1952 aktiviert, gleichzeitig hat er in Höhe von 20 816,44 DM eine Rückstellung gebildet, so daß im Ergebnis nur eine Forderung in Höhe von 3.029,55 DM an die Firma R. sich für das Jahr 1952 gewinnerhöhend ausgewirkt hat.

In der Anlage zur Einkommensteuererklärung hat der Steuerpflichtige geltend gemacht, Provisionsforderungen seien erst nach Eingang der Provisionsabrechnung zu aktivieren. Da er die Provisionsabrechnungen erst nach Abschluß des Quartals erhalte, hätten am Bilanzstichtag noch keine Provisionsabrechnungen vorliegen können.

Nach den aktenmäßigen Unterlagen hat der Steuerpflichtige in den Bilanzen zum 31. Dezember 1948 bis 31. Dezember 1951 seine Provisionsforderungen für das letzte Kalendervierteljahr ohne entsprechende Rückstellungen in der Bilanz ausgewiesen.

Das Finanzamt hat die Rückstellung in Höhe von 20 816,44 DM nicht anerkannt. Im Berufungsverfahren hatte der Steuerpflichtige Erfolg. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt:

Nach der Rechtsprechung sei für die Gewinnverwirklichung der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Kaufmann seine Vertragspflichten erfüllt habe und das Risiko durch Abnahme der Ware bzw. Leistung auf den Empfänger der Lieferung übergegangen sei. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 515/53 U vom 18. März 1954 (Slg. Bd. 58 S. 644, Bundessteuerblatt - BStBl - 1954 III S. 157) komme es wesentlich auf den Zeitpunkt der Provisionsabrechnungen an. Im Streitfall seien aber die Abrechnungen dem Steuerpflichtigen erst nach Abschluß des Wirtschaftsjahres zugegangen. Hierzu komme, daß die Provisionsansprüche noch mit dem Risiko des Zahlungseinganges der Warenschulden behaftet gewesen seien.

Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hält die beantragte Rückstellung für unzulässig und begründet dies damit, daß die Provisionsforderungen bereits am Bilanzstichtag entstanden und mit keinem wesentlichen Risiko belastet gewesen seien. Der Steuerpflichtige habe nur mit sehr guten Firmen abgeschlossen.

 

Entscheidungsgründe

Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:

Es handelt sich um das Rechtsproblem der Bilanzierung schwebender Verträge, zu dem vor kurzer Zeit die Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 103/55 U vom 25. September 1956 (Slg. Bd. 63 S. 396, BStBl 1956 III S. 349) erneut Stellung genommen hat.

Der Tatbestand ist nicht voll geklärt. Aus den Unterlagen ergibt sich nicht eindeutig, nach welchen Grundsätzen die Abrechnungen aufgestellt worden sind. Des weiteren steht nicht einwandfrei fest, nach welcher Methode der Bg. bisher in seinen Bilanzen verfahren ist und ob und inwieweit es sich am 31. Dezember 1952 um einen willkürlichen Wechsel der bisherigen Bilanzierungsmethode handelt. Das Bilanzierungsverfahren kann der Handelsvertreter nur in wirtschaftlich begründeten Fällen ändern (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 924/36 vom 16. Dezember 1936, Steuer und Wirtschaft 1937 Nr. 87). Wie sich aus dem Vorbringen des Steuerpflichtigen im Rechtsbeschwerdeverfahren ergibt, dürfte die Annahme der Vorinstanzen über das Ausmaß, in dem ihm Rechnungsdurchschläge bei Versendung der Waren durch die Geschäftsherren an ihre Kunden zugehen, den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechen.

Zu dem Rechtsproblem der Bilanzierung der Provisionsforderungen wird folgendes bemerkt:

Nach Auffassung des handelsrechtlichen Schrifttums ist der Anspruch des Handlungsagenten nach § 88 HGB a. F., auch wenn die Provision erst nach dem Eingang der Zahlung und nur nach dem Verhältnis des eingegangenen Betrages erworben ist, vorher bereits als bedingter Anspruch entstanden. Dieser bedingte Anspruch ist abtretbar und pfändbar (Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden, Deutsche Juristenzeitung 1906 S. 91; vgl. ferner: Staub, HGB 14. Auflage § 88 Anm. 4, Baumbach, HGB 5. Auflage § 88 Anm. 2, Düringer-Hachenburg, HGB 3. Auflage § 88 Anm. 7; siehe auch Entscheidung des Reichsfinanzhofs III 129/41 vom 19. Februar 1942, RStBl 1942 S. 355, Vermögensteuer-Richtlinien 1953 Abschn. 43 Abs. 1 letzter Satz, Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 79/53 U vom 21. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S. 646, BStBl 1953 III S. 247). Die Tatsache des Vorliegens eines bedingten Anspruchs ist handelsrechtlich von Bedeutung für Geschäfte, die während eines Agenturvertragsverhältnisses abgeschlossen, aber erst nach dessen Beendigung ausgeführt worden sind (Staub a. a. O.). Diese Tatsache kann sich auch bei änderung der Provisionssätze rechtlich auswirken (Würdinger in Kommentar der Reichsgerichtsräte zum Handelsgesetzbuch, 2. Auflage § 87a Einleitung). Im übrigen sei bemerkt, daß sich auch durch das Gesetz zur änderung des Handelsgesetzbuches (Recht der Handelsvertreter) vom 6. August 1953 (Bundesgesetzblatt - BGBl I S. 771) nichts daran geändert hat, daß der Provisionsanspruch des Handelsvertreters nach wie vor ein erfolgsbedingter Anspruch ist, wobei Erfolg nicht nur der Abschluß, sondern auch die Ausführung des Geschäfts ist (Schlegelberger, HGB 3. Auflage § 87 Anm. 1).

Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs setzt die Bilanzierung der Forderung aus einem schwebenden Vertrag, von Sonderfällen abgesehen voraus, daß der Kaufmann seine Leistung voll oder doch ganz überwiegend getätigt, und der Kunde die Leistung (Ware) abgenommen hat. Der Bundesfinanzhof ist von den Rechtsgrundsätzen des Urteils des Reichsfinanzhofs VI 839, 840/38 vom 15. Februar 1939 (Slg. Bd. 46 S. 143, Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 606) in den Entscheidungen I 135/53 S vom 12. März 1954 (Slg. Bd. 58 S. 624, BStBl 1954 III S. 149) und IV 515/53 U vom 18. März 1954 insoweit abgewichen, als sie der Abnahme der Leistung durch den Auftraggeber kein entscheidendes Gewicht zugemessen haben.

Der Handelsvertreter fällt unter die Steuerpflichtigen, deren Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes zu ermitteln ist. Für ihn gelten somit die allgemeinen Bilanzierungsgrundsätze des Kaufmanns. Hiernach kommt es darauf an, daß der Handelsvertreter seine vertraglichen Leistungen erfüllt und seitens seines Geschäftsherrn das Grundgeschäft durchgeführt ist. Eine Ausnahme hiervon liegt in den Fällen vor, in denen der Handelsvertreter über die Vermittlung des Geschäftes hinaus noch wesentliche weitere Aufgaben übernimmt, die mit dem vermittelten Geschäft zusammenhängen. So ist es denkbar, daß er einem Kunden seines Geschäftsherrn, der eine komplizierte Maschine erworben hat, in den Gebrauch der Maschine einzuweisen oder ihn für eine bestimmte Zeit anderweitig zu betreuen hat. Es müssen deshalb bei der Verschiedenartigkeit der Verträge zwischen Handelsvertretern und ihren Geschäftsherren die getroffenen Sondervereinbarungen berücksichtigt werden, worauf bereits die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs I 135/53 S und IV 515/53 U hingewiesen haben. So lange noch ein nicht unbedeutendes Risiko hinsichtlich der Abnahme der gesamten Leistungen durch den Geschäftsherrn besteht, kommt für den Handelsvertreter eine Aktivierungspflicht seiner Provisionsforderungen nicht in Betracht.

Eine andere Frage ist die Berücksichtigung des Risikos, das mit dem Eingang der Provisionsforderung verbunden ist. Diesem Gesichtspunkt ist durch Einstellung des Delkredere Rechnung zu tragen.

Der Steuerpflichtige hat eingehend dargestellt, daß die Bilanzierungspflicht der Provisionsforderungen mit der Zahlung der Kunden an die Geschäftsherren nicht verknüpft werden kann. Die Entscheidung IV 515/53 U mißt dem Zeitpunkt der Erstellung der Abrechnung über die Provisionsforderung für die Bilanzierung wesentliche Bedeutung zu. Hierzu sei folgendes bemerkt:

Die Entscheidung IV 515/53 U geht ebenso wie die Entscheidung III 129/41 davon aus, daß im allgemeinen gleichzeitig mit der übersendung der Rechnungsdurchschläge die Berechnung der Provision verbunden wird. Es kann zweifelhaft erscheinen, ob der Provisionsvertreter dort, wo ordnungsmäßig abgerechnet wird, wie dies im Streitfall nach den Ausführungen des Steuerpflichtigen gegeben ist, die buchmäßige Erfassung mit dem Durchschlag der Rechnung oder mit der Sammelabrechnung zu verbinden hat. Die Frage braucht aber im Streitfall nicht endgültig entschieden zu werden, da beide Auslegungen hier zu dem gleichen Ergebnis führen. Nach Darstellung der Vorbehörden ist die Bilanzierung auf Grund der Sammelberechnungen erfolgt. Das Finanzgericht und mit ihm der Steuerpflichtige waren lediglich der Auffassung, daß die nach dem Bilanzstichtage eingehenden Abrechnungen, auch soweit sie das abgeschlossene Wirtschaftsjahr betrafen, nicht mehr zu berücksichtigen seien.

Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Der Handelsvertreter muß sich für die Zwecke der Bilanzaufstellung bei seinem Geschäftsherrn gegebenenfalls darüber unterrichten, welche der durch seine Tätigkeit zustandegekommenen Geschäfte zur Ausführung gelangt sind, und in welchen Fällen ihm obliegende wesentliche Pflichten noch zu erfüllen sind. Er muß diese Kenntnisse, die er über die Verhältnisse des Bilanzstichtages bis zur Aufstellung seiner Bilanz (gegebenenfalls auch durch die inzwischen eingegangenen Abrechnungen) erhält, verwerten. Die Bilanzierung der Forderungen kann nicht von der Zufälligkeit abhängig gemacht werden, wann die Abrechnungen dem Steuerpflichtigen zugehen. Es erfordert vielmehr die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die ordnungsgemäße Aufstellung der Bilanz, daß in ihr die gesamten Provisionsforderungen, die den Zeitraum bis zum Bilanzstichtag umfassen, d. h. infolge der Durchführung der Grundgeschäfte seitens des Geschäftsherrn bedingt entstanden sind, berücksichtigt werden. Es wird hierzu auch auf die Grundsätze der Entscheidung I 103/55 U verwiesen.

Bei Bezirksvertretern ist es denkbar, daß sie nicht nur Provisionsansprüche auf Grund vermittelter Geschäfte haben, sondern auf Grund aller von ihren Geschäftsherren mit Kunden ihres Bezirkes getätigten Geschäfte. Auch in derartigen Fällen muß sich der Handelsvertreter über die in seinem Bezirk zur Ausführung gelangten Geschäfte bei seinem Geschäftsherrn unterrichten und sie außer den durch Sammelabrechnungen für den Bilanzstichtag zu seiner Kenntnis gelangten Verhältnissen in seiner Bilanz verwerten.

Es besteht die Möglichkeit, daß unabhängig von den Abrechnungen für die einzelnen Geschäfte der Auftraggeber ein Konto für den Handelsvertreter führt, das die Vorauszahlungen und die fälligen Provisionsforderungen ähnlich einem Bankkonto aufnimmt. Diese kontenmäßige Darstellung über den Status des Handelsvertreters mit seinem Geschäftsherrn ist für den Zeitpunkt der Bilanzierungspflicht der Provisionsforderungen nicht wesentlich.

Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, wird sie aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Hierbei werden auch die vom Steuerpflichtigen gegen die Haushaltsbesteuerung geltend gemachten Einwendungen zu berücksichtigen sein.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 234

BFHE 1958, 1

BFHE 65, 1

BB 1957, 702

DB 1957, 673

StRK, EStG:5 R 126

FR 1957, 441

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