Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Errichtete ein Erbbauberechtigter auf Grund des ihm bestellten Erbbaurechts ein Wohngebäude im Sinne des § 1 Ziff. 1 des rheinland-pfälzischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14. März 1955, so ist, wenn der Erbbauberechtigte das Grundstückseigentum nach der Errichtung des Wohngebäudes erwirbt, ein solcher Erwerb nicht von der Steuer befreit. Eine Ausnahme gilt dann, wenn dem Erbbauberechtigten bei der Bestellung des Erbbaurechts das Recht eingeräumt wurde, das Eigentum an dem Grundstück später zu erwerben. Dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 321/30 vom 3. Juni 1930 (RStBl 1930 S. 454) wird beigetreten.

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; rheinland-pfälzisches Gesetz über Grunderwerbsteuerbefreiung beim

 

Normenkette

GrEStG § 1 Abs. 1 Ziff. 1; GrEStWGRP 1/1

 

Tatbestand

Der Bf. verhandelte im Jahre 1953 mit der Stadtgemeinde X. über die Möglichkeit, auf einem der Stadtgemeinde gehörenden Grundstück, 631 qm groß, für sich und seine Ehefrau ein Einfamilienhaus zu errichten. Das Angebot der Stadtgemeinde, ihnen das Grundstück zu verkaufen, war für die Eheleute unannehmbar, weil ihre Geldmittel nur für die Erstellung des Hauses ausreichten. Daraufhin überließ die Stadtgemeinde den Eheleuten das Grundstück im Erbbaurecht auf die Dauer von 5 Jahren, jedoch waren sie verpflichtet, nach Ablauf dieser Zeit das Erbbaurecht abzulösen und den Grund und Boden zu erwerben. Durch Vertrag vom 10. November 1953 wurde den Eheleuten je zur Hälfte das Erbbaurecht mit dieser Verpflichtung bestellt. Demgemäß errichteten die Eheleute auf dem Erbbaugrundstück ein Wohnhaus, das am 12. Mai 1954 bezugsfertig wurde.

Durch Vertrag vom 7. September 1955 kauften die Eheleute den Grund und Boden von der Stadtgemeinde. Der Kaufpreis betrug "im Hinblick auf die inzwischen eingetretene Preisentwicklung 8 DM je qm einschließlich Fahrbahnherstellungskosten", also insgesamt 5.048 DM. Das Finanzamt lehnte den Antrag der Eheleute, sie von der Grunderwerbsteuer zu befreien, ab und forderte durch Bescheid 353,35 DM Grunderwerbsteuer.

Das Finanzamt ist der Ansicht, der Grundstückserwerb könne nicht nach § 1 Ziff. 1 des rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau vom 14. März 1955 (GVBl für das Land Rheinland-Pfalz 1955 S. 21, BStBl 1955 II S. 64) von der Besteuerung ausgenommen werden, weil der Bf. und seine Ehefrau ihre Absicht, auf dem Grundstück eine steuerbegünstigte Wohnung zu errichten, schon vor dem Abschluß des Kaufvertrages verwirklicht hätten. Mit dem bezeichneten Gesetz werde das Ziel verfolgt, dem Bauherrn die Durchführung des Wohnungsbaus zu erleichtern. Der vorliegende Fall habe von vornherein für die Anwendung des Gesetzes keinen Anlaß gegeben, weil die Bestellung des Erbbaurechts nicht unter die Grunderwerbsteuer falle und die Eheleute somit das Haus hätten errichten können, ohne sich mit der Grunderwerbsteuer zu belasten. Eine Befreiung nach § 1 Ziff. 1 des vorerwähnten Gesetzes sei nur dann zulässig, wenn sich der Bauherr bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts dem Grundstückseigentümer gegenüber verpflichtet habe, auch das Grundstück zu erwerben, und wenn zwischen der Bestellung des Erbbaurechts und dem Erwerb des Grundstücks ein Abstand von höchstens zwei Jahren liege. Nur in diesem Falle könnten die Bestellung des Erbbaurechts und der Erwerb des Grundstücks noch als einheitlicher Rechtsvorgang angesehen werden.

Der Bf. macht demgegenüber geltend, der Erbbauvertrag sei auf die ungewöhnlich kurze Zeit von fünf Jahren bemessen worden und habe ihn und seine Ehefrau verpflichtet, das Grundstück nach Ablauf seiner Gültigkeit zu erwerben. Es sei ihm somit genau die Frist eingeräumt worden, innerhalb derer nach § 8 Abs. 1 Ziff. 1 des angeführten Gesetzes vom 14. März 1955 die Bauabsicht verwirklicht werden müsse. Die Befreiung des Erwerbsvorgangs entspreche demnach dem Sinn und Zweck dieses Gesetzes und auch der Billigkeit. Im übrigen sei es nicht gerechtfertigt, den vollen Kaufpreis von 8 DM je qm der Besteuerung zugrunde zu legen, da dieser Betrag Straßenbaukosten enthalte. Die Stadtgemeinde habe in anderen Fällen nur den Rohlandpreis berechnet und die Straßenbaukosten gesondert angefordert.

Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Auch die Rb. ist ohne Erfolg.

Nach dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 321/30 vom 3. Juni 1930 (RStBl 1930 S. 454; Steuer und Wirtschaft 1930 Nr. 1087; Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz 1919/ 1927, § 8 Nr. 9 Abteilung I Verschiedenes, Rechtsspruch 78) ist in Fällen der vorliegenden Art die Grunderwerbsteuerfreiheit nicht ausgeschlossen, wenn ein Minderbemittelter sich zunächst ein Erbbaurecht bestellen läßt, alsdann auf dem Erbbaugrundstück ein Kleinwohnhaus errichtet und anschließend das volle Eigentum an dem Grundstück erwirbt. Der Senat hat diesen Rechtsgrundsatz, obwohl er zu § 8 Nr. 9 GrEStG 1919/1927 entwickelt war, in einem Urteil des Bundesfinanzhofs II 280/59 vom 2. August 1961 (Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1961 S. 153) auch auf die Fälle des § 1 Abs. 1 Ziff. 3 des Gesetzes des Landes Baden-Württemberg vom 21. September 1953 über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1953 S. 147, BStBl 1953 II S. 125) angewendet. Hieran ist festzuhalten. Ebenso bestehen keine Bedenken, in der gleichen Weise bei Tatbeständen des vorliegendenfalls maßgebenden § 1 Ziff. 1 des Gesetzes des Landes Rheinland-Pfalz vom 14. März 1955 über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Wohnungsbau zu verfahren, also entgegen der Auffassung des Finanzgerichts die Bebauung des Erbbaugrundstücks und den nachfolgenden Erwerb des Eigentums an Grund und Boden im Sinne der genannten Rechtsprechung grundsätzlich als einheitlichen Vorgang anzusehen. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung ist jedoch, daß dem Erbbauberechtigten das Recht eingeräumt worden ist, das Grundstück (d. h. den Grund und Boden) innerhalb bestimmter Zeit zu Eigentum zu erwerben. Daran fehlt es im Streitfall.

Allerdings ist im § 6 des vom Bf. und seiner Ehefrau mit der Stadt geschlossenen Erbbauvertrag vom 10. November 1953 unter anderem bestimmt:

"Nach Ablauf des Zeitraums von 5 Jahren verpflichten sich die Eheleute V., das Baugrundstück zu erwerben."

Trotzdem kann aber der Bf. die Grunderwerbsteuerfreiheit nicht in Anspruch nehmen; denn § 6 des Erbbauvertrages begründet für ihn (d. h. für den Bf. und seine Ehefrau) keinen Rechtsanspruch auf übertragung des Grundstücks zu Eigentum, sondern nur die Verpflichtung zum Erwerb des Grundstücks. Ein Recht auf den Erwerb des Grundstücks hatte er nicht; darin liegt, daß auch die Stadt zur Veräußerung des Grundstücks nicht verpflichtet war. Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist aber (siehe dazu das angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs II A 321/30 vom 3. Juni 1930), daß den Erbbauberechtigten das Recht eingeräumt wurde, das Grundstück innerhalb bestimmter Frist zu erwerben. Dieser Fall ist hier nicht gegeben, zumal auch der Kaufpreis erst bei Abschluß des Vertrages vom 7. September 1955 bestimmt wurde.

Die von dem Bf. gezahlten Straßenbaukosten sind Teil der Gegenleistung, da ohne deren Zahlung der Kaufvertrag offensichtlich nicht zustande gekommen wäre. Siehe dazu das Urteil des Senats II 250/58 U vom 15. Juni 1960 (BStBl 1960 III S. 314, Slg. Bd. 71 S. 176).

Nach alledem war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410575

BStBl III 1963, 14

BFHE 1963, 35

BFHE 76, 35

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