Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Urheberrechte, die weder zu einem inländischen Betriebsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen gehören (ß 77 Abs. 2 Ziff. 3 BewG) noch in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind (ß 77 Abs. 2 Ziff. 4 BewG), gehören nach § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG dann zum Inlandsvermögen, wenn sie einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen sind.

Die Vergünstigung der Sätze 2 bis 4 des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG kann nur von natürlichen Personen in Anspruch genommen werden.

BewG in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur änderung des Bewertungsgesetzes vom

 

Normenkette

BewG §§ 15, 13, 56/2, § 97/2, § 67 Abs. 1 Ziff. 5, § 110/1/5, § 77 Abs. 2, § 120/2

 

Tatbestand

Die Bgin., die ihren Sitz in Panama hat, hat kein inländisches Betriebsvermögen im Sinne des § 77 BewG. Am 22. Mai 1959 schloß sie zusammen mit einer gleichnamigen Gesellschaft, die ihren Sitz in den USA hat, mit einer inländischen AG einen Lizenzvertrag. In diesem Vertrag verpflichteten sich die beiden ausländischen Gesellschaften, der inländischen AG technisches Informationsmaterial und sog. "Know-How" für die Produktion und Nutzanwendung bestimmter Produkte zur Verfügung zu stellen. Der inländischen AG wurde für große Teile Europas und Afrikas das ausschließliche Recht eingeräumt, diese Produkte herzustellen, zu versenden und zu verkaufen und hierbei die Informationen und Patente der beiden ausländischen Gesellschaften anzuwenden und ihre Markennamen zu gebrauchen. Die inländische AG erteilte den beiden ausländischen Firmen unentgeltlich eine ähnliche Lizenz und verpflichtete sich, zunächst eine Lizenzgebühr in Höhe eines bestimmten Hundertsatzes des Nettoverkaufswertes aller hergestellten, verbrauchten oder verkauften lizenzpflichtigen Produkte an die Bfin. zu zahlen. Ab 1962 wurde die Lizenzgebühr in anderer Weise festgelegt.

Auf Grund dieses Vertrages flossen der Bgin. für das erste und dritte Kalendervierteljahr 1960 4.655 DM zu. Nach ihren Angaben rechnete sie mit Lizenzeinnahmen in Höhe von durchschnittlich 8.340 DM jährlich. Davon entfielen nach ihrer Schätzung etwa 1/3 auf die der inländischen AG zur Verfügung gestellten Patente. Bei der Vermögensteuerveranlagung auf den 1. Januar 1960 vertrat die Bgin. die Auffassung, zu ihrem Inlandsvermögen im Sinne des § 77 BewG gehörten nur die in Deutschland geschützten Patente. Da von den insgesamt auf Grund des Lizenzvertrages überlassenen 28 Patenten nur ein Patent in Deutschland geschützt sei, können nur 1/28 des auf die Patente entfallenden Drittels der Lizenzeinnahmen der Berechnung ihres Inlandsvermögens zugrunde gelegt werden. Bei einer Kapitalisierung auf die Dauer von acht Jahren, wie sie Abschn. 64 Abs. 3 VStR 1960 vorsehe, ergebe sich ein Wert, der unter der Freigrenze des § 7 Abs. 2 VStG für beschränkt Steuerpflichtige liege.

Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, nach § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG gehörten alle Patente zum Inlandsvermögen, gleichgültig ob sie in Deutschland oder im Ausland geschützt seien. Es bewertete die Patente in der Weise, daß es von dem durchschnittlichen Jahresertrag an Lizenzgebühren in Höhe von 8.340 DM 1/3 = 2.780 DM als auf diese Patente entfallend ansah und diesen Betrag mit dem für eine Laufzeit von acht Jahren maßgebenden Vervielfältiger von 6,683 kapitalisierte, so daß sich ein gemeiner Wert für diese Patente von 18.578 DM ergab. Das steuerpflichtige Vermögen betrug danach 18.000 DM und die Jahressteuerschuld 180 DM.

Die Sprungberufung hatte Erfolg. Die Vorinstanz vertritt die Auffassung, daß Rechte, Erfindungen und Informationen (Know-How) nur insoweit zum Inlandsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen gehören, als die entsprechenden Urheberrechte in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind (ß 77 Abs. 2 Ziff. 4 BewG). Aus dem Wortlaut und der Systematik des § 77 BewG ergebe sich, daß § 77 Abs. 2 Ziff. 4 BewG Urheberrechte, die nicht in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind und Urheberrechte an Werken der bildenden Kunst, des Schrifttums und der Tonkunst privilegiere. § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG betreffe nur Wirtschaftsgüter, die nicht unter die Ziffern 1, 2 und 4 dieser Bestimmung fielen. Das könne nur bedeuten, daß wirtschaftliche Möglichkeiten oder Wirtschaftsgüter, die in Ziffer 4 privilegiert seien, auch nicht nach Ziffer 5 bewertet werden sollten. Es handele sich dabei nicht um ein Redaktionsversehen. Das ergebe sich auch aus der amtlichen Begründung zum BewG (RStBl 1935 S. 161 ff., 181). Diese Auslegung des § 77 BewG entspreche am besten den Grundsätzen und Zwecken des BewG und führe auch nicht zu steuer- und wirtschaftspolitisch unerwünschten Folgen.

Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG. Die Vorentscheidung verkenne den Wortlaut und die Systematik des § 77 Abs. 2 BewG, der nicht gewisse Wirtschaftsgüter von der Besteuerung ausnehme, sondern im Gegenteil, wie das Finanzgericht Württemberg-Hohenzollern im Urteil II 225 und 226/48 vom 1. Juni 1949 (Steuer und Wirtschaft 1949 Nr. 42) zutreffend und überzeugend ausgeführt habe, die Voraussetzungen aufzähle, die die beschränkte Steuerpflicht begründen. Die Auffassung der Vorentscheidung werde auch nicht durch die amtliche Begründung zum BewG unterstützt. Das Schrifttum bejahe eindeutig die Zugehörigkeit solcher Rechte zum Inlandsvermögen. Die Bewertungsschwierigkeiten seien bei Auslandspatenten nicht größer als bei Inlandspatenten. Bei zutreffender Beurteilung der Rechtslage hätte die Vorentscheidung zu dem Ergebnis kommen müssen, daß nicht nur Patente, sondern sämtliche Wirtschaftsgüter, die in einem ausländischen Betrieb genutzt werden, der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Dazu gehörten auch nicht geschützte Erfindungen, Geheimverfahren und Betriebsgeheimnisse (Know-How) und Markenschutzrechte.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

I. - Der Auffassung der Vorinstanz, daß Rechte, Erfindungen usw. nur insoweit zum Inlandsvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen gehören, als die entsprechenden Urheberrechte in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind, entspricht nicht dem Wortsinn und der Systematik des § 77 BewG. Wie bereits das Finanzgericht Württemberg-Hohenzollern in dem Urteil II 225 und 226/48 vom 1. Juni 1949 (a. a. O.) zutreffend ausgeführt hat, enthalten die verschiedenen Ziffern des § 77 Abs. 2 BewG keine Aufzählung steuerlicher Tatbestände in der Weise, daß in jeder einzelnen Ziffer der Gegenstand der Besteuerung für sich abgeschlossen geregelt wäre. § 77 Abs. 2 BewG ist vielmehr so aufgebaut, daß die Ziffern jeweils Erweiterungen der Tatbestände der vorangegangenen Ziffern bringen. Das ergibt sich eindeutig daraus, daß in den Ziffern auf die vorangegangenen Ziffern Bezug genommen wird. Durch diese Bezugnahme bringt das Gesetz zum Ausdruck, daß Wirtschaftsgüter, die den in einer Ziffer gegebenen Tatbestand nicht erfüllen, unter den Voraussetzungen der nachfolgenden Ziffern doch zum Inlandsvermögen gehören können. Urheberrechte werden deshalb nicht nur, wie die Vorinstanz meint, von der Bestimmung des § 77 Abs. 2 Ziff. 4 BewG erfaßt, sondern auch von § 77 Abs. 2 Ziff. 3 und 5 BewG. Urheberrechte, die zu einem inländischen Betriebsvermögen der beschränkt Steuerpflichtigen gehören, sind Inlandsvermögen nach § 77 Abs. 2 Ziff. 3 BewG, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind oder nicht. Urheberrechte, die nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen des beschränkt Steuerpflichtigen gehören, aber in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind, sind - mit Ausnahme der Urheberrechte an Werken der bildenden Kunst, des Schrifttums und der Tonkunst - Inlandsvermögen nach § 77 Abs. 2 Ziff. 4 BewG, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie im Inland verwertet werden. Urheberrechte, die weder zu einem inländischen Betriebsvermögen des beschränkt Steuerpflichtigen gehören noch in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind, die aber einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen sind, sind Inlandsvermögen nach § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG.

Da die Vorentscheidung dies verkannt hat, war sie aufzuheben.

II. - Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird deshalb an die Vorinstanz zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Dabei wird die Vorinstanz folgendes zu beachten haben.

Für die hier streitigen Rechte scheidet die Anwendung des § 77 Abs. 2 Ziffern 3 und 4 BewG aus. Denn sie gehören nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen der Bgin. und sind auch nicht in ein inländisches Buch oder Register eingetragen. Da sie aber der inländischen AG überlassen sind, können sie nach § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG zum Inlandsvermögen der Bgin. gehören. Dabei ist allerdings Voraussetzung, daß sie auch bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen dem steuerpflichtigen Vermögen zuzurechnen wären (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 288/38 vom 24. November 1938, RStBl 1939 S. 121).

Urheberrechte, geschützte und nicht geschützte Erfindungen gehören bei einem unbeschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich zum steuerpflichtigen Vermögen. Das ergibt sich aus § 67 Abs. 1 Ziff. 5 Satz 1 BewG, gegebenenfalls in Verbindung mit § 59 Ziff. 2 BewG, wenn diese Rechte zu einem Betriebsvermögen gehören. Die Sätze 2 bis 5 des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG nehmen jedoch Urheberrechte an Werken der bildenden Kunst, des Schrifttums und der Tonkunst und solche Werke selbst sowie nicht geschützte Erfindungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuerpflicht aus. Das Finanzamt ist bei der Veranlagung der Bgin. offenbar davon ausgegangen, daß die nicht geschützten Erfindungen der Bgin. unter diese Befreiungsbestimmungen fallen. Das ist jedoch nach Auffassung des Senats nicht der Fall. Der Senat hat bereits in dem Urteil III 57/55 S vom 30. Oktober 1959 (BStBl 1960 III S. 16, Slg. Bd. 70 S. 36) entschieden, daß die Sätze 2 bis 4 des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG nur den Urheber persönlich begünstigen, nicht aber denjenigen, der Urheberrechte von den an der geistigen Schöpfung aktiv Beteiligten erworben hat. Er hat dabei allerdings die Frage offengelassen, ob eine gewerbliche Personengesellschaft oder eine juristische Person überhaupt originäre Urheberin von Geistesschöpfungen sein kann. Der Senat ist der Auffassung, daß die Vergünstigung der Sätze 2 bis 4 des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG nur von natürlichen Personen in Anspruch genommen werden kann. Er folgert das schon aus dem Wortsinn dieser Vorschriften, nach dem die Vergünstigung im Fall des Todes des Urhebers auch seiner Ehefrau und seinen Kindern gewährt wird. Die Bgin. kann sich deshalb als juristische Person nicht auf die Vorschriften der Sätze 2 bis 4 des § 67 Abs. 1 Ziff. 5 BewG berufen. Das hat zur Folge, daß zu ihrem Inlandsvermögen im Sinne des § 77 Abs. 2 Ziff. 5 BewG nicht nur die geschützten, sondern auch die nicht geschützten Erfindungen und darüber hinaus auch alle sonstigen immateriellen Wirtschaftsgüter (das sog. Know-How), die in dem Vertrag vom 22. Mai 1959 der inländischen AG überlassen wurden, gehören.

Es kann der Bgin. nicht darin zugestimmt werden, daß die Rechte mit dem Teilwert zu bewerten sind. Denn diese Rechte gehören bei der Bgin. nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen im Sinne des § 56 Abs. 2 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Ziff. 3 BewG. Sie sind mit dem gemeinen Wert nach § 10 BewG zu bewerten. Diesen hat die Vorinstanz noch zu ermitteln. Dabei werden die Ausführungen im letzten Absatz der Begründung des Urteils des Bundesfinanzhofs III 410/58 U vom 21. Juni 1963 (BStBl 1963 III S. 420, Slg. Bd. 77 S. 273) zu beachten sein.

 

Fundstellen

BStBl III 1965, 219

BFHE 1965, 607

BFHE 81, 607

StRK, BewG:15 R 23

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