Leitsatz (amtlich)

Einnahmen aus der Tätigkeit als Tutor können, sofern sie nicht Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sind, sonstige Einkünfte i. S. von § 22 Nr. 1 Buchst. b EStG sein.

 

Normenkette

EStG §§ 19, 22 Nr. 1 Buchst. b

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war 1967 Gerichtsreferendar. Vom Rektor der Universität X war er außerdem das ganze Jahr über zum Tutor an einem Studentenwohnheim bestellt; er erhielt Stipendien von monatlich 300 DM, aus denen er nach der Bestallungsurkunde des Rektors seine Mieten im Wohnheim entrichten mußte. Die Universität stellte ihm darüber hinaus 750 DM für Veranstaltungen im Rahmen der Aufgabenstellung des Tutorenprogramms zur Verfügung. Die Universitätskasse zahlte die Stipendien für die Monate Januar bis September in voller Höhe aus, für die restlichen Monate behielt sie jeweils 114 DM Lohnsteuer und 11,40 DM Kirchensteuer ein und führte diese Beträge (zusammen 376,20 DM) an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ab.

Das FA unterwarf nachträglich auch die für das erste Halbjahr an den Kläger ausbezahlten Beträge von 1 800 DM gemäß § 35 b der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) pauschaliert der Lohnsteuer im Wege eines Lohnsteuerhaftungsbescheides gegen die Universität als Arbeitgeber, ohne gemäß § 35 b Abs. 2 Satz 2 LStDV anzuordnen, daß der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die davon einbehaltene Lohnsteuer bei einer Veranlagung außer Betracht zu bleiben hätten. Der Kläger hielt die Stipendien nicht für steuerpflichtigen Arbeitslohn und beantragte die Erstattung der einbehaltenen 376,20 DM.

Das FA lehnte eine Erstattung der Lohnsteuer ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Auf die Revision hob der Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 21. Juli 1972 VI R 188/69, BFHE 106, 220, BStBl II 1972, 738) das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) sowie die die Lohnsteuererstattung ablehnenden Bescheide des FA auf und ordnete die Erstattung der streitigen 376,20 DM an. Der Kläger habe als Tutor in keinem Arbeitsverhältnis gestanden. Der VI. Senat ließ ausdrücklich offen, ob die Stipendien einer anderen Einkunftsart i. S. des § 2 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zuzurechnen und ob sie bejahendenfalls gemäß § 3 EStG steuerfrei seien.

Das FA beurteilte nunmehr die Einnahmen aus den Tutorenstipendien als Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. S. des § 18 EStG und veranlagte den Kläger gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG. Dabei setzte es 1 800 DM Stipendien als Einkünfte aus selbständiger Arbeit an.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG rechnete zwar die Einnahmen nicht zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit, sondern - da ihm die Einordnung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Hinblick auf das BFH-Urteil versagt erschien - zu denen aus wiederkehrenden Bezügen i. S. von § 22 Nr. 1 EStG. Steuerfreiheit gemäß § 3 Nr. 11 oder 44 EStG komme nicht in Betracht. Der Abzug des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 9 a Nr. 3 EStG sei vom FA zu Recht nicht gewährt worden, weil er mit den zu Unrecht nicht angesetzten weiteren 1 800 DM, für die das FA von der Universität X als Arbeitgeber pauschalierte Lohnsteuer erhoben habe, zu saldieren sei. Die nichtangesetzten 1 800 DM hätten nur dann außer Betracht bleiben können, wenn das FA ihre Nichtberücksichtigung gemäß § 35 b Abs. 2 LStDV angeordnet gehabt hätte.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 22 und des § 3 Nr. 11 bzw. 44 EStG.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil sowie den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die streitbefangenen Einnahmen des Klägers unterliegen als Einkünfte aus Zuschüssen und sonstigen Vorteilen, die als wiederkehrende Bezüge gewährt werden, gemäß § 22 Nr. 1 Buchst. b EStG der Einkommensteuer.

Die Zahlungen der Universität wurden auf Grund der Bestallung des Klägers durch den Rektor der Universität - also auf Grund eines einheitlichen Rechtsgrundes - sich monatlich wiederholend - also nicht als einmaliger Zuschuß und auch nicht als ratenweise Zahlung eines einmaligen Zuschusses - geleistet (vgl. dazu BFH-Urteile vom 20. Juli 1971 VIII 24/65, BFHE 103, 410, BStBl II 1972, 170, und vom 26. April 1977 VIII R 2/75, BFHE 122, 271, BStBl II 1977, 631). Die monatlich sich wiederholenden Zahlungen haben die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers gestärkt; dabei ist unerheblich, daß der Kläger von ihnen allein seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten konnte, die Zahlungen diesen also nur ergänzen konnten. Es sind mithin alle Merkmale erfüllt, die an Einkünfte aus § 22 Nr. 1 b EStG zu stellen sind.

Zu Unrecht wendet der Kläger ein, wenn die Einnahmen nicht solche seien, die zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit führten, könnten sie auch nicht bei den sonstigen Einkünften zu erfassen sein.

Richtig ist, daß die Einordnung zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen nur in Betracht kommen kann, soweit sie nicht zu den in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 6 EStG bezeichneten Einkunftsarten gehören, daß damit ihre Erfassung unter den ersten sechs Einkunftsarten Vorrang hat. Das aber bedeutet nicht, daß die Zahlungen, wenn sie kein Arbeitslohn sind und auch nicht zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören, keine wiederkehrenden Bezüge (§ 22 Nr. 1 EStG) sein könnten.

Die Einnahmen sind weder nach § 3 Nr. 11 EStG noch nach § 3 Nr. 44 EStG von der Einkommensteuer befreit.

Die Einnahmen des Klägers sind keine Bezüge aus öffentlichen Mitteln, die wegen Hilfsbedürftigkeit oder als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung oder Ausbildung, die Wissenschaft oder Kunst unmittelbar zu fördern (§ 3 Nr. 11 EStG). Daß die Mittel dem Kläger etwa wegen seiner Hilfsbedürftigkeit zugewendet worden seien, wird von ihm selbst nicht vorgetragen. Die Zuwendungen erfüllen aber auch nicht die Tatbestände der weiteren Alternativen der Vorschrift. Soweit die Regelung Beihilfen zur Erziehung von der Einkommensteuer befreit, greift sie nicht ein, weil der Kläger als Empfänger der Zahlungen nicht zu dem Kreis der Erziehungsberechtigten der das Heim bewohnenden Studenten gehört. Soweit die Vorschrift Beihilfen zur Ausbildung von der Einkommensteuer befreit, greift sie nicht ein, weil der Kläger wiederum als Empfänger der Zahlungen nicht zu dem Personenkreis der Auszubildenden gehört. Unter diesen Umständen bedarf es keines Eingehens auf die Frage, ob eine unmittelbare Förderung der Erziehung oder Ausbildung vorliegt.

Steuerfrei sind zwar gemäß § 3 Nr. 44 EStG auch bestimmte Stipendien, die zur Förderung der wissenschaftlichen Ausbildung oder Fortbildung gewährt werden. Im Ergebnis zutreffend hat das FG ausgeführt, daß keine Zuwendungen an einen Forscher vorliegen und daß sie auch nicht der wissenschaftlichen Ausbildung des Klägers dienen. Unter diesen Umständen bedarf es wiederum auch keiner Darlegungen dazu, daß der Steuerfreiheit auch die Tatsache entgegensteht, daß der Kläger zu einer Gegenleistung - der Tätigkeit als Tutor - verpflichtet war (vgl. u. a. Urteil des FG Nürnberg vom 19. Dezember 1975 III 43/73, Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 169).

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 387

BFHE 1978, 528

JZ 1978, 654

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge