Werbungskostenabzugs bei steuerfreien Stipendium

Leistungen aus einem Stipendium führen zu Arbeitslohn, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient. Handelt es sich um steuerfreie Ersatzleistungen, müssen die Werbungskosten nach § 3c EStG entsprechend gekürzt werden.

Hintergrund: Masterstudium (LL.M.) nach der Zweiten juristischen Staatsprüfung

Die X absolvierte in 2013/2014 nach Abschluss der juristischen Ausbildung (Zweites Staatsexamen) ein Masterstudium (LL.M.) in den USA. Seit August 2014 ist sie als Rechtsanwältin tätig.

X erhielt für das Masterstudium ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Das Stipendium umfasste den Lebensunterhalt (Wohnung, Verpflegung), anteilige Studiengebühren und Reisekosten sowie Versicherungen. 

X machte die Kosten für das Masterstudium als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend (v.a. Studiengebühren, Reisekosten, doppelte Haushaltsführung, Verpflegungsmehraufwand). Das FA anerkannte die Aufwendungen als (vorweggenommene) Werbungskosten, zog hiervon jedoch die Stipendienzahlungen ab und berücksichtigte somit nur den verbleibenden Betrag als Werbungskosten.

Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, wegen der Abgeltung der Aufwendungen durch die Stipendienzahlungen fehle es an einer entsprechenden wirtschaftlichen Belastung. 

Entscheidung: Kürzung der Werbungskosten um steuerfreie Einnahmen 

Der BFH wies die Revision zurück. Die Aufwendungen für das Studium sind Werbungkosten. Die Stipendienzahlungen sind steuerfreie Einnahmen, um die die Werbungskosten zu kürzen sind.

Werbungskosten setzen Aufwendungen voraus

Der Werbungskostenabzug verlangt eine Belastung. Das liegt hier vor. Denn die X hat die für ihr Masterstudium als Werbungskosten geltend gemachten Beträge tatsächlich gezahlt. Eine endgültige Belastung ist nicht erforderlich. Ausgaben und damit verbundene Einnahmen sind vielmehr getrennt zu beurteilen.

Erstattung von Werbungskosten als Einnahme

Der Rückfluss (Erstattung, Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen wurden (z.B. BFH v. 24.2.2015, VIII R 44/12, BStBl II 2015 S. 649). Handelt es sich um steuerfreie Ersatzleistungen, müssen die Werbungskosten nach § 3c EStG entsprechend gekürzt werden (BFH v. 4.11.2003, VI R 28/03, BFH/NV 2004 S. 928, zu Leistungen aus einem steuerfreien Stipendium).

Steuerbare Einnahmen aus dem Stipendium 

Im Streitfall führten die Leistungen aus dem Stipendium zu steuerbaren Einnahmen (Arbeitslohn i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Denn das Stipendium diente dem Ersatz von Werbungskosten der X bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Die Zahlungen des DAAD beruhten auf in der Erwerbssphäre liegenden Gründen, da die Aufwendungen der X für das USA-Studium beruflich veranlasst waren. Die Leistungen des DAAD erfolgten mit Rücksicht auf die (zukünftige) berufliche Tätigkeit der X, die der DAAD mit dem Stipendium förderte.

Die steuerbaren Stipendienleistungen sind aber steuerfrei 

Die nach § 19 EStG steuerbaren Leistungen des DAAD sind nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei. Nach § 3 Nr. 44 Satz 2 EStG gilt die Befreiung auch für solche Stipendien, die (wie im Streitfall) zu den in Satz 1 bezeichneten Zwecken u.a. von einer Körperschaft i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG gegeben werden.

Minderung der Werbungskosten um die steuerfreien Leistungen

Die steuerbaren aber steuerfreien DAAD-Leistungen mindern nach § 3c Abs. 1 EStG die als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen der X für das USA-Studium. § 3c Abs. 1 EStG setzt voraus, dass zwischen den steuerfreien Einnahmen und den Ausgaben ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Dieser ist gegeben, wenn Einnahmen und Ausgaben durch dasselbe Ereignis veranlasst sind (BFH v. 23.11.2016, X R 41/14, BStBl II 2017 S. 773). Das liegt vor, wenn die Einnahmen dazu dienen, beruflich veranlasste Aufwendungen auszugleichen oder zu erstatten (BFH v. 18.4.2012, X R 62/09, BStBl II 2012 S. 721). So liegen die Dinge im Streitfall. Der X sind die als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen nur wegen des Studienaufenthalts entstanden. Die für das Masterstudium geltend gemachten Aufwendungen dürfen folglich nach § 3c Abs. 1 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden, soweit die X die Stipendienleistungen des DAAD bezogen hat.

Hinweis: Präzisierung des Werbungskostenbegriffs

Das FG hat die Aufwendungen der X für das Masterstudium bereits auf der Tatbestandsebene des Werbungskostenbegriffs im Wege einer Saldierung um die Zahlungen des DAAD gekürzt. Dem widerspricht der BFH. Er präzisiert den Werbungskostenbegriff dahin, dass Ausgaben und Einnahmen getrennt zu beurteilen sind. Der Rückfluss von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nicht als Kürzung der Werbungskosten, sondern als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind.

Aufwendungen für das LL.M.-Studium sind Werbungskosten 

Aufwendungen für das Masterstudium der X in den USA sind als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abziehbar (BFH v. 22.7.2003, VI R 4/02, BFH/NV 2004 S. 32). Es handelt sich nicht um eine Erstausbildung i.S. von § 9 Abs. 6 EStG.

BFH Urteil vom 29.09.2022 - VI R 34/20 (veröffentlicht am 10.11.2022)

Alle am 10.11.2022 veröffentlichten BFH-Entscheidungen