Leitsatz (amtlich)

Erhöht der Steuerpflichtige nach Inkrafttreten des 3. DMBErgG in der DM-Eröffnungsbilanz den Wertansatz einer Beteiligung, so ist dieser Wertansatz in den Folgebilanzen in voller Höhe fortzuführen und eine zwischenzeitliche rechtskräftige Veranlagung auch dann entsprechend zu berichtigen, wenn eine Teilwertabschreibung auf den vorläufigen Wertansatz zugelassen worden war.

DMBErgG § 11 Abs. 1, § 12 Ziff. 11.

 

Normenkette

3-DMBEG 11/1; 3-DMBEG 12/11

 

Tatbestand

Die OHG bewertete in ihrer DM-Eröffnungsbilanz eine zu ihrem Betriebsvermögen gehörige Beteiligung an einer GmbH zum Nennbetrag mit 75.000 DM. Auf Grund von Verlusten der GmbH schrieb sie die Beteiligung in den Bilanzen vom 31. Dezember 1953 und 31. Dezember 1954 bis auf 48.750 DM ab. Das Finanzamt erkannte bei den Veranlagungen 1953 und 1954 diese Teilwertabschreibungen an. Die Veranlagungen wurden rechtskräftig.

Nach Inkrafttreten des Dritten D-Markbilanzergänzungsgesetzes (3. DMBErgG) vom 21. Juni 1955 (BGBl 1955 I S. 297, BStBl 1955 I S. 222) bewertete die OHG ihre Beteiligung in der DM-Eröffnungsbilanz endgültig mit 133.000 DM und gelangte unter Fortführung dieses Wertes und unter Abzug der bei den Veranlagungen 1953 und 1954 anerkannten Teilwertabschreibungen in der Bilanz vom 31. Dezember 1954 zu einem Wertansatz von 106,750 DM. Diesen Wert schrieb die OHG in der Bilanz vom 31. Dezember 1955 auf 41.250 DM zu Lasten des Gewinns 1955 ab.

Das Finanzamt berichtigte die rechtskräftige Veranlagungen 1953 und 1954 unter Hinweis auf § 11 Abs. 1 und § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG in der Weise, daß es die in den Bilanzen vom 31. Dezember 1953 und 31. Dezember 1954 zugelassenen Teilwertabschreibungen strich und den erhöhten Wertansatz in der DM-Eröffnungsbilanz von 133.000 DM bis zum 31. Dezember 1954 unverändert fortführte.

Die OHG war der Auffassung, daß die in § 11 Abs. 1 des 3. DMBErgG angeordnete Beibehaltung des erhöhten Wertansatzes nicht für die Fälle gelte, in denen bereits rechtskräftig eine Teilwertabschreibung zugelassen worden sei. Das Verbot der Abschreibung könne sich sinngemäß nur auf die Werterhöhung, das heißt auf den Betrag beziehen, um den der vorläufige Wertansatz auf Grund des 3. DMBErgG erhöht worden sei.

Die Sprungberufung der OHG hatte Erfolg. Das Finanzgericht ging in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1960 S. 212 veröffentlichten Entscheidung davon aus, daß die Auffassung des Finanzamts zwar dem Wortlaut des § 11 Abs. 1 und des § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG entspreche, daß aber die wortgetreue Anwendung dieser Vorschriften zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe. Die durch das 3. DMBErgG zugelassene erhebliche Erhöhung der Wertansätze für Beteiligungen habe im wesentlichen kapitalmarktpolitische Gründe gehabt. Denn verhältnismäßig niedrige Wertansätze in der DM-Eröffnungsbilanz führten im Falle der Veräußerung der Wertpapiere zu so erheblichen Veräußerungsgewinnen, daß sich Steuerpflichtige nur schwer zu Veräußerungen hätten entschließen können. Die damit gestörte Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts habe durch die Erhöhung der Wertansätze in der DM-Eröffnungsbilanz wiederhergestellt werden sollen. Da die Kurswerte der Wertpapiere in den Jahren nach der Währungsumstellung in vielen Fällen wesentlich unter den nach dem 3. DMBErgG zulässigen Höchstwerten gelegen hätten, habe der Gesetzgeber eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert in diesen Jahren verbieten müssen, um den Unterschied zwischen den nach Erlaß des 3. DMBErgG erzielbaren Verkaufserlösen und den Buchansätzen möglichst niedrig zu halten und damit die Verkäufe nicht zu erschweren. Um diesen Zweck des Gesetzes zu erreichen, sei es indessen nicht erforderlich, bereits rechtskräftig gewordene Teilwertabschreibungen rückgängig zu machen. Denn diese Teilwertabschreibungen hätten mit der Erhöhung der Wertansätze nichts zu tun. Da eine sachliche Notwendigkeit für die Berichtigung der zwischenzeitlichen rechtskräftigen Veranlagungen in diesen Fällen nicht erkennbar sei, könne die Streichung der bereits rechtskräftig zugelassenen Teilwertabschreibungen um so weniger dem Willen des Gesetzgebers entsprechen, als sie zu einer rückwirkenden Steuererhöhung führe. § 11 Abs. 1 des 3. DMBErgG könne deshalb nur so aufgefaßt werden, daß der berichtigte Wert in der DM-Eröffnungsbilanz bis zum 31. Dezember 1954 nur insoweit beizubehalten sei, als er über dem ursprünglich in die DM-Eröffnungsbilanz eingesetzten Wert liege. Das Abschreibungsverbot beziehe sich also nur auf die Werterhöhung nicht aber auf den Wertansatz als solchen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Nach § 11 Abs. 1 des 3. DMBErgG ist, wenn der Ansatz eines nach den §§ 2 bis 5, § 10 zulässigen Wertes zu einer Berichtigung der steuerlichen DM-Eröffnungsbilanz führt und der berichtigte Wert höher als der bisher eingesetzte Wert ist, der berichtigte Wert in den steuerlichen Bilanzen für Wirtschaftsjahre, die vor dem 31. Dezember 1955 enden, beizubehalten. Durch § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG wird § 74 Abs. 2 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) dahin ergänzt, daß die berichtigten Wertansätze auch für die Steuern vom Einkommen und Ertrag zugrunde zu legen sind, und zwar auch dann, wenn die bisherigen Veranlagungen rechtskräftig sind oder die Verjährungsfrist abgelaufen ist. Der Wortlaut dieser Vorschriften ist, wovon auch das Finanzgericht ausgeht, eindeutig. Wenn sich der Steuerpflichtige nach Inkrafttreten des 3. DMBErgG, also in der Regel bei der Aufstellung der Bilanz vom 31. Dezember 1955, dazu entschloß, den bisherigen Wertansatz der Beteiligung als vorläufig anzusehen und ihn im Rahmen der jetzt durch das 3. DMBErgG gegebenen Möglichkeiten mit Wirkung für die DM-Eröffnungsbilanz zu erhöhen, so mußte dieser Wert in allen folgenden Bilanzen bis zum 31. Dezember 1954 beibehalten werden. Dem steht die Rechtskraft der bisherigen zwischenzeitlichen Veranlagungen nicht entgegen. Von einer solchen Beibehaltung des erhöhten berichtigten Wertansatzes vom 21. Juni 1948 in den folgenden Bilanzen kann keine Rede sein, wenn in diesen Bilanzen der um die bisher zugelassenen Teilwertabschreibungen verminderte berichtigte Wert eingesetzt wird. Es kann sich also, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, nur darum handeln, ob man mit der wortgetreuen Auslegung für den Fall einer in der Zwischenzeit zugelassenen rechtskräftigen Teilwertabschreibung zu einem unsinnigen, vom Gesetzgeber offenbar nicht gewollten Ergebnis gelangt. (Urteil des Bundesfinanzhofs I 285/56 U vom 7. Mai 1957, BStBl III S. 264, Slg. Bd. 65 S. 82). Das ist zu verneinen.

Das Hauptargument des Finanzgerichts, daß durch die Fortführung des berichtigten Wertansatzes in den Zwischenbilanzen rechtskräftig gewordene Veranlagungen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen berichtigt würden und daß eine solche Auswirkung offenbar nicht dem Willen des Gesetzes entspreche, kann schon wegen der weitgehenden Koppelung und Zweischneidigkeit aller Wertansätze in der DM-Eröffnungsbilanz für die Steuern vom Ertrag und vom Vermögen und für die Berechnung der Lastenausgleichsabgaben nicht überzeugen. Ein höherer Wertansatz in der DM-Eröffnungsbilanz bringt wegen der Koppelungsvorschriften zwangsläufig nicht allein steuerliche Vorteile, sondern auch Mehrbelastungen. Mit Recht weist das Finanzamt darauf hin, daß eine den bisherigen Wertansatz herabsetzende Berichtigung nicht nur zu einer Herabsetzung der nach dem 21. Juni 1948 entstehenden Vermögensteuern, Gewerbekapitalsteuern und Lastenausgleichsabgaben, sondern auch trotz Rechtskraft der zwischenzeitlichen Veranlagungen zu einem Mehr an Einkommen- oder Körperschaftsteuern führen kann, wenn die Beteiligung in der Zwischenzeit veräußert wurde. Der Gedanke, daß die in das Belieben des Steuerpflichtigen gestellte Berichtigung der Wertabsätze zu Vergünstigungen, aber auch zu Mehrbelastungen führt, die der Steuerpflichtige gegeneinander abzuwägen hat, beherrscht in einem solchen Umfang das 3. DMBErgG, daß kein Grund zu der Annahme besteht, daß die sich aus zwischenzeitlichen Teilwertabschreibungen ergebenden Ertragsteuererhöhungen mit dem Willen des Gesetzgebers nicht vereinbar sein könnten. Diese Mehrbelastung muß vielmehr als eines der gegen die Berichtigung sprechenden Momente gewürdigt werden, die den Steuerpflichtigen bei seiner Entscheidung, ob er von der Berichtigungsmöglichkeit Gebrauch machen solle, beeinflußten. Entschloß sich also der Steuerpflichtige, von der Werterhöhung Gebrauch zu machen, so mußte er bei seiner Entscheidung die sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ergebende Rückgängigmachung der Teilwertabschreibung berücksichtigen, und es ist nicht gerechtfertigt, nur die Vorteile der Wertaufstockung haben zu wollen, ihre Nachteile aber nicht in Kauf zu nehmen.

Die wortgetreue Auslegung des Gesetzes kann auch deshalb zu keinem sinnwidrigen Ergebnis führen, weil sich Gründe dafür finden lassen, aus denen der Gesetzgeber im Fall der zwischenzeitlichen rechtskräftigen Teilwertabschreibung dem Wortlaut des Gesetzes entsprechend eine Rückgängigmachung dieser Abschreibung im Fall der Werterhöhung bewußt hätte anordnen können. Wenn der Zweck des 3. DMBErgG darin bestand, die Veräußerung von Wertpapieren und Beteiligungen ab 1955 nicht zu erschweren und damit die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts wiederherzustellen, so diente die Rückgängigmachung bisher zugelassener Teilwertabschreibungen mindestens ebenso diesem Zweck wie ein lediglich auf die Werterhöhung beschränktes Verbot der Abschreibung. Denn die Rückgängigmachung zwischenzeitlicher Teilwertabschreibungen führte zu einem höheren Ansatz in der Bilanz vom 31. Dezember 1954 und damit zu einer Erleichterung von Veräußerungen nach Inkrafttreten des 3. DMBErgG.

Schon aus der Grundkonzeption, daß der Gesetzgeber die bisherigen Wertansätze als vorläufig behandelte und ihre Berichtigung im Rahmen des § 47 DMBG durch das 3. DMBErgG in die DM-Eröffnungsbilanz zuließ, ergibt sich die Forderung nach der allgemeinen Berichtigung aller Zwischenbilanzen unabhängig von der Rechtskraft der Veranlagungen. Daß eine solche Berichtigung zu Steuernachforderungen führen konnte, lag auf der Hand. Die Aufrollung rechtskräftiger Veranlagungen durch die Beibehaltung des unveränderten berichtigten Wertes brauchte nicht allein dem Zweck zu dienen, den Unterschied zwischen Buchansatz und möglichem Veräußerungspreis im Interesse der Veräußerung und der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts gering zu halten. Sie konnte auch auf der Erwägung beruhen, daß die großzügige, im wesentlichen auf die Verhältnisse des Jahres 1955 abgestellte, rückwirkende Erhöhung der Wertansätze in der DM-Eröffnungsbilanz zwangsläufig zum Verbot einer auf zwischenzeitliche wirtschaftliche Verhältnisse abgestellten Teilwertabschreibung führen und es dabei im Interesse der Gleichbehandlung unerheblich sein mußte, ob bereits auf den früheren Wertansatz Teilwertabschreibungen vorgenommen worden waren oder nach der Werterhöhung erst beansprucht wurden.

Schließlich ist folgendes zu beachten. Wenn die Auslegung des Finanzgerichts zutreffend wäre, so hätte es keiner allgemeinen Vorschriften über die Aufrechterhaltung des erhöhten Wertansatzes in der Zwischenzeit ohne Berücksichtigung von Rechtskraft und Verjährung bedurft. Es hätte dann genügt, die Wiederaufrollung einer rechtskräftigen Veranlagung lediglich für den Fall der zwischenzeitlichen Veräußerung der Beteiligung anzuordnen. Denn die Berichtigung des Wertansatzes in der DM-Eröffnungsbilanz hätte, wenn es in anderen Fällen bei den zwischenzeitlichen rechtskräftigen Veranlagungen verblieben wäre, ab 1955 schon nach den allgemeinen Bilanzierungsvorschriften zu demselben Ergebnis geführt, zu dem das Finanzgericht gelangte. Da somit die Wiederaufrollung der zwischenzeitlichen rechtskräftigen Veranlagungen auf Grund gesetzlicher Vorschrift nur für die Sonderfälle der Veräußerung und der zwischenzeitlichen Teilwertabschreibungen Bedeutung haben kann und der Fall der Veräußerung sicher nicht häufiger als der der Teilwertabschreibung war, ist nicht einzusehen, warum sich die allgemein gefaßten Vorschriften des § 11 Abs. 1 und § 12 Ziff. 11 des 3. DMBErgG nur auf den Fall der zwischenzeitlichen Veräußerung beziehen sollen.

Der Senat hat nicht geprüft, ob die OHG mit Rücksicht darauf, daß sie selbst eindeutig bei den einheitlichen Gewinnfeststellungen 1953 und 1954 von einem bestimmten Teilwert der Beteiligung am 31. Dezember 1953 und 1954 ausging, den diesen Teilwert weit übersteigenden höchstmöglichen Wert des 3. DMBErgG in ihre DM-Eröffnungsbilanz nicht einsetzen durfte. Aus dieser Entscheidung dürfen deshalb in dieser Richtung keine Folgerungen gezogen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410005

BStBl III 1961, 181

BFHE 1961, 495

BFHE 72, 495

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