Leitsatz (amtlich)

1. Zum Unterschied zwischen einer Pfändung nach § 371 und nach § 368 AO.

2. Zur Pfändung einer einem Dritten zur Sicherung eines Kredits übereigneten, aber im Gewahrsam des Sicherungsgebers verbliebenen Sache bedarf es neben der Pfändung des Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums auch der Pfändung der Sache selbst.

2. Die Frage der Pfändbarkeit einer solchen Sache ist nicht anläßlich der Pfändung des Rückübereignungsanspruchs, sondern erst anläßlich der Pfändung der Sache selbst zu prüfen.

 

Normenkette

AO §§ 348, 350; ErbStG 2009 § 13a Abs. 4; AO §§ 368, 371; ZPO §§ 808, 811 Nr. 5, §§ 847, 857

 

Tatbestand

Das HZA hatte wegen rückständiger Mineralölsteuer mit Pfändungsverfügung vom 3. August 1971 die Ansprüche des Klägers auf Rückübertragung des Eigentums an seinem der Beigeladenen zur Sicherung übereigneten Tanklastwagen und auf Herausgabe des betreffenden Kraftfahrzeugbriefs gepfändet. Die OFD wies die Beschwerde des Klägers mit der Begründung zurück, daß der Tanklastwagen am 11. Juli 1972 stillgelegt worden sei und nicht mehr der Erwerbstätigkeit des Klägers diene, die geltend gemachte Unpfändbarkeit gem. § 350 AO i. V. m. § 811 Nr. 5 ZPO mithin nicht mehr bestehe.

Das FG wies die Klage ab. Es führte aus, der Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums sei entweder als anderes Vermögensrecht i. S. von § 371 AO oder gem. § 368 AO pfändbar gewesen. Zwar bestimme sich auch die Pfändbarkeit des Anwartschaftsrechts auf Übertragung des Eigentums an einer Sache oder eines Anspruchs auf Rückübertragung einer treuhänderisch übereigneten Sache danach, ob die Sache selbst pfändbar sei. Nach der Stillegung des Tanklastwagens am 11. Juli 1972 diene aber dieser nicht mehr der persönlichen Erwerbstätigkeit des Klägers. Das Fahrzeug stehe noch ohne polizeiliches Kennzeichen in einem Schuppen. Es sei entgegen der Meinung des Klägers nicht deshalb unpfändbar, weil dieser mit ihm nach Tilgung der Darlehensschuld bei der Beigeladenen wieder Speditionsfahrten durchführen wolle. Denn es komme nicht darauf an, welchen Zwecken das Fahrzeug zu einem in ungewisser Zukunft liegenden Zeitpunkt einmal dienen solle. Im übrigen müßte das HZA nach Tilgung der letzten Darlehensrate noch eine Sachpfändung durchführen, bei der die Frage der Unpfändbarkeit erneut zu prüfen wäre.

Bei der gerichtlichen Prüfung der Unpfändbarkeit komme es nicht auf den Zeitpunkt der Pfändung, sondern auf den der Beschwerdeentscheidung an. In diesem Zeitpunkt sei das Fahrzeug bereits stillgelegt gewesen. Auf § 811 c ZPO könne sich der Kläger nicht berufen. Abgesehen davon, daß sich diese Bestimmung wohl nur auf die Sachpfändung und nicht auf die Anspruchspfändung beziehe, würde entgegen der Meinung des Klägers die Voraussetzung für eine Aufhebung der Pfändung gem. § 811 c Abs. 2 ZPO gerade nicht vorliegen, weil das Fahrzeug durch seine Stillegung am 11. Juli 1972, also binnen Jahresfrist seit der am 4. August 1971 erfolgten Pfändung, pfändbar geworden sei.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß die Voraussetzungen der Vollstreckung nicht gegeben gewesen seien, weil das HZA die Vollziehung des Steuerbescheids bei monatlicher Zahlung von 1 000 DM ausgesetzt habe. Der Tankzug sei als für die Fortführung seiner Erwerbstätigkeit unentbehrlich unpfändbar. Er, der Kläger, sei Schwerkriegsbeschädigter und könne keiner anderen Arbeit nachgehen. Eine vorübergehende Stillegung oder Nichtausübung des Betriebs berühre den Vollstreckungsschutz gem. § 811 Nr. 5 ZPO nicht. Es wäre ein unbilliges Verlangen, daß er ein Fahrzeug bei mangelnder Beschäftigung oder bei einer größeren Reparatur weiter angemeldet lassen sollte. Es könne auch nur von einer vorübergehenden Stillegung die Rede sein. Aber selbst wenn das Fahrzeug stillgelegt sei, diene es noch der persönlichen Erwerbstätigkeit, weil er es als Tankstelle und zur Lagerung benutze.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis unbegründet.

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG war der Kläger mit der Zahlung der bewilligten Raten in Verzug geraten. Da die Abgabenschuld dadurch fällig geworden war, waren die Voraussetzungen des § 326 Abs. 3 AO für den Beginn der Zwangsvollstreckung erfüllt.

Das FG hat es dahinstehen lassen, ob in der Pfändung des Anspruchs des Vollstreckungsschuldners auf Rückübertragung des Eigentums an dem der Finanzierungsgesellschaft zur Sicherung ihrer Darlehen übereigneten Tanklastwagen die Pfändung eines anderen Vermögensrechts i. S. des § 371 AO oder die Pfändung eines Herausgabeanspruchs nach § 368 AO zu sehen ist. Diese Frage muß aber entschieden werden. Denn im Falle der Pfändung eines Herausgabeanspruchs muß die an den Vollziehungsbeamten gem. § 368 Abs. 2 AO herauszugebende Sache pfändbar sein (s. Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung, 34. Aufl., § 847 Anm. 1; Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 368 AO Anm. 2 e; Tipke-Kruse Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl., § 368 FGO Anm. 4), muß also auch geprüft werden, ob der Wagen gem. § 350 AO i. V. m. § 811 Nr. 5 ZPO pfändbar ist und welcher Zeitpunkt (der der Pfändung, der Beschwerdeentscheidung oder der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG) für die Entscheidung hierüber maßgebend ist. Bei der Pfändung eines anderen Vermögensrechts, insbesondere eines Anspruchs auf Rückübertragung des Eigentums, bedarf es dagegen hinsichtlich dieser Pfändung noch keiner Entscheidung über die Pfändbarkeit, wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt.

Das Pfandrecht besteht in diesem Falle nur an dem Rückübereignungsanspruch; es setzt sich nach herrschender Meinung (vgl. zu den entsprechenden §§ 808, 847 und 857 ZPO und für den Fall der Pfändung eines Anwartschaftsrechts auf Eigentumserwerb das Urteil des BGH vom 24. Mai 1954 IV ZR 184/53, NJW 1954, 1325; ferner Serick, Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübereignung, Bd. III, § 34 II 6 a, c, mit Hinweisen) nicht ohne weiteres nach dem Übergang des Eigentums auf den Sicherungsgeber an der Sache selbst fort; es bedarf vielmehr eines besonderen Vollstreckungsakts zur Herbeiführung der öffentlichen Verstrickung; § 1287 BGB kann nicht analog angewendet werden. Die Entstehung eines Pfändungspfandrechts setzt den Besitz an der Sache und dessen Offenkundigkeit voraus. Das ergibt sich aus § 348 Abs. 1, 2 und 4 AO. Danach pfändet der Vollziehungsbeamte Sachen im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners dadurch, daß er sie in Besitz nimmt, Sachen, die im Gewahrsam des Vollstreckungsschuldners belassen werden, dadurch, daß er die Pfändung durch Anlegung von Pfandmarken kenntlich macht. Auch im Falle des § 368 AO ist eine im Gewahrsam eines Dritten befindliche Sache an den Vollziehungsbeamten herauszugeben, wenn der Dritte zur Herausgabe bereit ist. Ist dagegen der Vollstreckungsschuldner selbst im Besitz der Sache, kann sie also weder weggenommen noch die Verstrikkung durch Anlegen von Pfandmarken kenntlich gemacht werden, weil dem derzeit das Eigentum des Sicherungsnehmers entgegenstünde, so kann die Verstrickung nur dadurch erfolgen, daß auch die Sache selbst gepfändet wird (sog. Doppelpfändung). Bis dahin besteht lediglich ein Recht des Pfändungsgläubigers auf Einziehung des (fälligen Anspruchs des Sicherungsgebers mit der Folge, daß dieser Eigentümer wird. Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner dürfen bis dahin keine Verfügungen mehr zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers treffen (§ 361 Satz 1 AO). Bedarf es aber bei der Pfändung eines Rückübereignungsanspruchs noch zusätzlich der Pfändung der Sache selbst, um diese verwerten zu können, so kann sich erst in diesem Zeitpunkt die Frage stellen, ob die Sache pfändbar ist. Denn die hierfür maßgebenden Umstände können sich, und zwar gerade bei den zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenständen i. S. des § 811 Nr. 5 ZPO, zwischen dem Zeitpunkt der Pfändung des Anspruchs und dem der Pfändung der Sache ändern.

Aus dem Gesagten ergibt sich bereits, daß hier nur eine Pfändung nach § 371 AO in Betracht kommt, weil der Kläger im Besitz des LKW geblieben ist und § 368 AO offensichtlich voraussetzt, daß sich die Sache, auf die sich die Pfändung letzten Endes richtet, nicht im Gewahrsam des Schuldners befindet, denn sonst wäre die in § 368 Abs. 2 AO vorgesehene Herausgabeanordnung überflüssig. So wird auch überwiegend angenommen, daß im Falle der Sicherungsübereignung die Pfändung nach § 371 AO (§ 857 ZPO) erfolgen muß (vgl. z. B. Stein-Jonas, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19. Aufl., § 857 Anm. II 9; Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze, 2. Aufl., § 857 Anm. D I). Eine solche Pfändung nach § 371 AO ist auch ordnungsgemäß erfolgt. Im vorliegenden Falle hatte der Schuldner den LKW zur Sicherung übereignet. Das HZA hat seinen Anspruch auf Rückübereignung und auf Herausgabe des Kraftfahrzeugbriefes, der als unselbständiges Recht nur mit dem Hauptrecht zusammen gepfändet werden kann (s. Hübschmann-Hepp-Spitaler, a. a. O., § 371 AO Anm. 8; Baumbach-Lauterbach, a. a. O., § 857 Anm. 1 d), gepfändet. Es ist nicht streitig und wird auch durch Ziff. 15 des Sicherungsübereignungsvertrages bestätigt, daß ein solcher Rückübereignungsanspruch bestand, die Sicherungsübereignung also nicht auflösend bedingt durch die Rückzahlung des Kredits war, so daß es keiner Rückübertragung bedurft hätte und die Pfändung keinen Rückübertragungsanspruch, sondern das Anwartschaftsrecht des Schuldners auf Rückfall des Eigentums zum Gegenstand hätte haben müssen. Durch die Pfändung erwarb das HZA keinen Anspruch auf Übertragung des Eigentums an sich selbst, sondern nur das Recht, den (fälligen) Anspruch des Klägers einzuziehen mit der Maßgabe, daß dieser Eigentümer wird und Kläger und Drittschuldner keine Verfügungen mehr zu Lasten des Vollstreckungsgläubigers treffen dürfen (§ 361 Satz 1 AO). Da nach dem oben Ausgeführten für die Verwertung des an den Kläger zurückzuübertragenden LKW dieser noch gepfändet werden muß, ist erst dann zu prüfen, ob er unpfändbar ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71984

BStBl II 1976, 737

BFHE 1977, 377

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