Leitsatz (amtlich)

Erhöhte Absetzungen für Abnutzung nach § 7 b EStG schließen Absetzungen für außergewöhnliche Abnutzung nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG nicht aus.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 1 letzter Satz, § 7b

 

Tatbestand

Dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) gehört ein Haus, in dessen Erdgeschoß eine Eisdiele betrieben wurde. Er nahm in den Jahren 1959 und 1960 die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1961 machte er bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung neben AfA von 1 v. H., die er als erhöhte AfA nach § 7 b EStG bezeichnete, eine Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung (AfaA) von 30 000 DM geltend, weil aus einer in der Eisdiele stehenden Eismaschine Kühlsole in den Keller geflossen sei und dort die Bauelemente durchtränkt habe. Dadurch sei ein Schaden von 50 000 DM entstanden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ in dem vorläufigen Steuerbescheid jedoch nur AfA von 1 v. H. zu. Seinen dagegen eingelegten Einspruch begründete der Kläger damit, daß er durch den Schaden einen Mietausfall von jährlich 3 600 DM erlitten habe, so daß bei einer Mietdauer von 10 Jahren ein Gesamtschaden von 36 000 DM entstanden sei. In dieser Höhe machte er nunmehr AfaA geltend. Das FA ließ daraufhin, dem Vorschlag eines technischen Sachverständigen der Finanzverwaltung folgend, einen Abzug von 3 v. H. des Gebäudewerts als AfaA zu und wies den Einspruch im übrigen zurück.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im wesentlichen aus: Da der Kläger nur AfA in Höhe von 1 v. H. beansprucht habe, seien diese als "normale" AfA anzusehen. Denn es komme nicht darauf an, daß er sie als AfA nach § 7 b EStG bezeichnet habe. Die darüber hinaus begehrte AfaA sei der Höhe nach gerechtfertigt, weil nach einem vom Kläger vorgelegten Gutachten die gesamte Erdgeschoßdecke und alle hiervon ausgehenden Betonteile auszuwechseln seien und diese Maßnahme eine erhebliche Beanspruchung des gesamten Gebäudes nach sich ziehen werde. Der Schaden betrage einem Schreiben des Gutachterausschusses für Grundstückswerte der Stadt M. zufolge 75 000 DM, so daß die geltend gemachte AfaA von 36 000 DM angemessen sei. Gegen ihre Höhe habe das F A auch keine Bedenken.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung materiellen Rechts und trägt im wesentlichen vor: Die AfaA käme neben den erhöhten AfA des § 7 b EStG nicht in Betracht. Der Kläger habe die AfA des § 7 b EStG ausdrücklich neben der AfaA geltend gemacht. Dadurch habe er sich die Möglichkeit erhalten wollen, in späteren Jahren die erhöhten AfA nach § 7 b EStG nachzuholen. Es sei ohne Belang, daß er die erhöhten AfA nach § 7 b nur in Höhe der Normal-AfA des § 7 EStG geltend gemacht habe.

Das FA beantragt die Aufhebung des FG-Urteils.

Der Kläger beantragt sinngemäß die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Der Kläger ist berechtigt, neben der erhöhten AfA nach § 7 b EStG auch AfaA nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG vorzunehmen.

a) Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall der Auffassung des FG zu folgen gewesen wäre, daß es auf die Bezeichnung der begehrten AfA als AfA nach § 7 b EStG nicht ankomme, weil die begehrte AfA in der Höhe zugleich der normalen AfA entsprochen habe. Denn die Inanspruchnahme von AfaA nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG ist auch neben der von erhöhten AfA nach § 7 b EStG möglich.

b) Dies ergibt sich durch Auslegung dieser gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach deren Sinn und Zweck. Diese Auslegung erscheint sowohl nach der für den Streitfall geltenden Vorschrift des § 7 b EStG 1961 als auch nach dem weiterentwickelten § 7 b EStG 1965 geboten.

Der Gesetzeswortlaut ist unklar. Nach § 7 b EStG 1965 können die darin geregelten erhöhten AfA "abweichend von § 7 Abs. 4 und 5" EStG vorgenommen werden. § 7 Abs. 4 EStG behandelt die linearen AfA bei Gebäuden. Nach Satz 3 a. a. O. bleibt die Vorschrift des § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG über die AfaA unberührt. Die Auslegung des Wortlauts läßt sowohl den Schluß zu, daß die Vorschrift über die AfaA auch unberührt bleibt, wenn die erhöhten AfA nach § 7 b EStG an die Stelle der linearen Gebäude-AfA nach § 7 Abs. 4 EStG treten, als auch den gegenteiligen Schluß, daß die Vorschrift über die AfaA lediglich bei den AfA nach § 7 Abs. 4 EStG unberührt bleibt, weil dort ein besonderer gesetzlicher Hinweis vorhanden ist. Die Unklarheit zeigt sich auch bei der Bestimmung über die degressiven Gebäude-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG. Obwohl sich dort kein Hinweis auf die AfaA nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG befindet, hält man neben degressiven Gebäude-AfA auch AfaA für möglich (vgl. Abschn. 42 a Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien 1975).

Es ergibt sich jedoch aus dem Sinnzusammenhang der Gesetzesbestimmungen, insbesondere der Betrachtung der dort geregelten AfA-Begriffe, daß AfaA neben erhöhten AfA nach § 7 b EStG zulässig sind. Nach § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG werden die Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts auf die Gesamtdauer seiner Verwendung verteilt. Dagegen sollen die AfaA nach § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG die außergewöhnliche Einwirkung technischer oder wirtschaftlicher Art, die beim üblichen Gebrauch des Wirtschaftsguts nicht auftritt, berücksichtigen. "Normale" AfA nach § 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG und AfaA sind daher begrifflich nebeneinander möglich. Die normalen AfA werden. soweit sie Gebäude betreffen, nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG in zwei Formen zugelassen, nämlich als lineare und degressive AfA. Anstelle dieser beiden Formen sind bei bestimmten Gebäuden erhöhte AfA nach § 7 b EStG zugelassen. Diese sind erhöhte AfA, weil sich die Höhe der Vomhundertsätze nicht nach dem tatsächlichen Wertverzehr richtet, sondern erheblich darüber hinausgeht. Das ergibt wirtschaftlich eine zeitliche Vorverlegung der AfA im Vergleich zu den anderen Formen der Gebäude-AfA. Dieses Merkmal der erhöhten AfA nach § 7 b EStG schließt jedoch begrifflich AfaA nicht aus. Vielmehr kann sowohl bei normalen AfA als auch bei erhöhten AfA die Berücksichtigung besonderer Schadensfälle technischer oder wirtschaftlicher Art durch AfaA notwendig sein. Wird z. B. ein Gebäude während der Nutzungsdauer zerstört, so können die AfaA sowohl an die Stelle der normalen AfA als auch an die der erhöhten AfA nach § 7 b EStG treten; bei teilweiser Zerstörung kommen für die zerstörten Teile AfaA in Frage.

Eine auf den Zweck des § 7 b EStG abstellende Auslegung kommt zum gleichen Ergebnis. § 7 b EStG ist eine Begünstigungsvorschrift. Ein Steuerpflichtiger, der sie in Anspruch nimmt, würde durch ein Verbot der AfaA im Verhältnis zu einem die normalen AfA in Anspruch nehmenden Steuerpflichtigen benachteiligt. Die Finanzierungshilfe des § 7 b EStG würde zunichte gemacht oder sogar ins Gegenteil verkehrt, wenn AfaA nicht zugelassen würden, obwohl sich im Einzelfall wirtschaftlich durch sie eine größere Finanzierungshilfe als durch die erhöhten AfA nach § 7 b EStG ergeben würde. Soweit durch § 7 b EStG die Vermögensbildung gefördert und der Prozeß der Eigentumsbildung erleichtert werden soll (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. November 1977 VIII R 110/76, BFHE 123, 560, BStBl II 1978, 82), würde ein Verbot der AfaA diese Ziele erschweren oder vereiteln. Soweit § 7 b EStG den Wohnungsbau fördern soll, ist kein Grund ersichtlich, die AfaA neben AfA nach § 7 b EStG nicht zuzulassen.

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 7 b in der im Streitfall anzuwendenden Fassung des Einkommensteuergesetzes vor 1965 treten diese erhöhten AfA an die Stelle der gesamten Absetzungen nach § 7 EStG ("abweichend von § 7"). Doch hindert dieser Wortlaut die Zulassung von AfaA neben den erhöhten AfA nach § 7 b EStG nicht zwingend. Die oben für das Einkommensteuergesetz 1965 entwickelten Gründe für AfaA neben AfA nach § 7 b EStG treffen auch in der Vergangenheit zu.

3. Da im Streitfall gegen die Höhe der begehrten AfaA vom FA keine Einwendungen erhoben werden und gegen sie nach den vorhandenen Restwerten auch keine Bedenken bestehen, war das FG-Urteil im Ergebnis zu bestätigen. Auf die Berechnung der künftigen AfA, insbesondere die Vermeidung doppelter AfA von gleichen Bemessungsgrundlagen, war nicht mehr einzugehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72937

BStBl II 1979, 8

BFHE 1979, 15

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