Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids für Verlustabzug beim Erben

 

Leitsatz (NV)

Es ist zweifelhaft, ob und in welchem Umfang die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte des Erblassers Bindungswirkung für den Verlustabzug beim Erben entfalten kann.

Ein Steuerpflichtiger handelte regelmäßig grob schuldhaft i.S. von § 713 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO 1977, wenn er den Antrag auf Verlustabzug nach § 10d EStG 1971 nicht rechtzeitig stellte (Anschluß an BFHE 157, 196).

 

Normenkette

EStG 1971 § 10d; AO 1977 §§ 129, 173, 175

 

Tatbestand

Die Kläger sind Eheleute, die im Streitjahr 1975 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Nachdem das Finanzamt (FA) für das Streitjahr zunächst einen Lohnsteuer-Jahresausgleich durchgeführt hatte, setzte es aufgrund einer Mitteilung über die Beteiligung des Klägers an einer Grundstücksgemeinschaft durch Bescheid vom 2. August 1978 die Einkommensteuer 1975 auf 8820 DM fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Der 1974 verstorbene Vater des Klägers war an einer OHG beteiligt. Er wurde je zur Hälfte vom Kläger und dessen Bruder beerbt. Für den Nachlaß des Erblassers wurde Nachlaßverwaltung angeordnet. Am 2. November 1984 wurde über den Nachlaß das Konkursverfahren eröffnet.

Aufgrund einer Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte der mittlerweile in Liquidition befindlichen OHG, wonach auf den Kläger im Streitjahr ein Verlust in Höhe von ... DM und ein Veräußerungsgewinn von ... DM entfielen, setzte das FA durch Bescheid vom 1. Oktober 1979 die Einkommensteuer 1975 gemäß § 175 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auf ... DM fest. Gegen diesen Bescheid erhoben die Kläger Einspruch, mit dem sie den Abzug von versehentlich nicht erklärten Verlustvorträgen aus den Jahren 1971 bis 1974 beantragten. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Während des Klageverfahrens wurde der Bescheid über die für den Kläger festgestellten Einkünfte aus der Beteiligung an der OHG i.L. aufgehoben. Das FA setzte die Einkommensteuer 1975 gemäß § 175 Abs. 1 AO 1977 durch Bescheid vom 20. Februar 1991 auf 8820 DM fest. Die Kläger machten diesen Bescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens. Nach Angaben des FA ergab eine Überprüfung der Einkommensteuerakten des Erblassers grundsätzlich vortragsfähige Verluste aus Gewerbebetrieb aus den Jahren 1972 bis 1974 von insgesamt ... DM, welche der Erblasser nicht mehr ausgleichen konnte.

Das Finanzgericht (FG) hat unter Abänderung des geänderten Einkommensteuerbescheids 1975 vom 20. Februar 1991 die Einkommensteuer auf 0 DM festgesetzt. Es führt im wesentlichen aus, nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei im Falle der Gesamtrechtsnachfolge der Verlustabzug nicht an die Person des Steuerpflichtigen geknüpft, der den Verlust erlitten habe. Miterben könnten den Verlust des Erblassers anteilig abziehen. Dem Kläger stehe demgemäß ein Verlustabzug von ... DM zu. Der Verlustabzug könne nicht wegen der Eröffnung des Konkurses über den Nachlaß des Erblassers versagt werden. Der im BFH-Urteil vom 17. Februar 1961 VI 66/59 U (BFHE 72, 630, BStBl III 1961, 230) vertretenen gegenteiligen Auffassung könne sich der Senat nicht anschließen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Der erkennende Senat ist nach § 118 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht an die geltend gemachten Revisionsrügen gebunden.

Die Vorentscheidung verletzt § 351 Abs. 1 AO 1977. Nach dieser Vorschrift können Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, daß sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt.

Die Steuerfestsetzung im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 1975 vom 20. Februar 1991 entspricht derjenigen im bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid 1975 vom 2. August 1978. Die Herabsetzung der Einkommensteuer 1975 auf einen niedrigeren Betrag als 8820 DM ist nur unter den Voraussetzungen der Vorschriften über die Änderung von bestandskräftigen Steuerbescheiden zulässig. Auf § 10d EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 20. April 1976 (EStG 1975), der eine Änderungsmöglichkeit vorsieht, kann die Herabsetzung schon deshalb nicht gestützt werden, weil nach § 52 Abs. 16 EStG 1975 diese Vorschrift erstmals auf nicht ausgeglichene Verluste des Veranlagungszeitraums 1975 anzuwenden ist.

Tatsächliche Feststellungen des FG dazu, ob die Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift - in Betracht kommt § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 - gegeben sind, fehlen. Dies gilt auch für die von den Klägern geltend gemachte Rechtsgrundlage des § 175 AO 1977. Unabhängig von der Frage, ob und in welchem Umfang die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte des Erblassers überhaupt Bindungswirkung für den Verlustabzug beim Erben entfällt kann, weist der Senat in diesem Zusammenhang auf das BFH-Urteil vom 13. Juni 1989 VIII R 174/85 (BFHE 157, 196, BStBl II 1989, 789) hin. Die Sache wird zur Nachholung der entsprechenden Feststellungen und zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419930

BFH/NV 1994, 867

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