Leitsatz (amtlich)

1. Entspricht die von einer Kapitalgesellschaft durchgeführte Erhöhung des Nennkapitals aus Rücklagen nicht den Vorschriften des Kapitalerhöhungsgesetzes, so unterliegt der Erwerb der neuen Anteilsrechte den Steuern vom Einkommen und Ertrag.

2. Der Verstoß gegen Vorschriften des Kapitalerhöhungsgesetzes ist jedoch unbeachtlich, wenn die Kapitalerhöhung als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln im Handelsregister eingetragen ist.

 

Normenkette

KapErhG §§ 1-3, 7-8; KapErhStG § 1

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist mit 25 v. H. an einer inländischen GmbH beteiligt. Diese erhöhte durch Beschluß der Gesellschafterversammlung von 12. Januar 1965 ihr Stammkapital von 20 000 DM auf 100 000 DM. Der Beschluß wurde am 31. März 1965 in das Handelsregister eingetragen. Die Erhöhung des Stammkapitals erfolgte durch Umbuchung von 80 000 DM vom Konto "Rücklagen" auf das Konto "Stammkapital". Auf die Klägerin entfielen davon 20 000 DM.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung bei der GmbH behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Kapitalerhöhung als verdeckte Gewinnausschüttung und berücksichtigte diese bei der Klägerin in Höhe ihres Anteils von 20 000 DM als Zufluß von Einnahmen aus Kapitalvermögen. Das FA ging davon aus, daß der Erwerb der Anteilsrechte steuerpflichtig sei, weil die Voraussetzungen für eine begünstigte Erhöhung nach dem Gesetz über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung (Kapitalerhöhungsgesetz - KapErhG -) vom 23. Dezember 1959 (BGBl I 1959, 789) und nach dem Gesetz über steuerliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (KapErhStG) i. d. F. vom 2. November 1961 (BGBl I 1961, 1917, BStBl I 1961, 708) nicht erfüllt seien. Dem Gesellschafterbeschluß sei nicht zu entnehmen gewesen, daß die Mittel zur Erhöhung des Kapitals der Rücklage entnommen werden sollten. Es habe weiterhin der nach § 3 KapErhG erforderliche, uneingeschränkte Prüfungsvermerk eines vereidigten Buchprüfers gefehlt.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es führte aus: Die Umbuchung der Rücklagen auf das Stammkapital der Gesellschaft und die Eintragung des Kapitalerhöhungsbeschlusses in das Handelsregister stellten eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dar. Eine derartige Kapitalerhöhung bewirke keinen Zufluß von Einnahmen i. S. des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie verändere nur die Kapitalstruktur des Unternehmens, indem bisher frei verfügbare Vermögensteile der Gesellschaft in haftendes Kapital umgewandelt würden. Das Vermögen der Gesellschaft werde nicht verändert, ebenso auch nicht der Vermögensstand der Gesellschafter und der Umfang ihrer Beteiligung (so auch Lutter, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 2, 3. Lfg., Vorbem. § 207 Tz. 1, 6, 10). Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dürfe daher entgegen der bisherigen Rechtsprechung auch steuerrechtlich nicht in eine "Doppelmaßnahme", d. h. in eine Ausschüttung und eine anschließende Wiedereinlage von Gewinn umgedeutet werden. Die Frage, ob dem Gesellschafter ein steuerpflichtiger Kapitalertrag i. S. des § 20 EStG zufließe, stelle sich erst im Falle einer späteren Kapitalrückzahlung (ebenso Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 20 EStG Anm. 22 d a. F.).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Es vertritt die Ansicht, durch die Kapitalerhöhung seien Vermögenswerte aus dem der Disposition der Gesellschafter nicht unterliegenden Vermögensbereich der Gesellschaft in den Verfügungsbereich des einzelnen Gesellschafters übergegangen. Damit erhalte die Umwandlung im Einklang mit der Rechtsprechung den Charakter einer Barausschüttung (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1957 I 165/54 S, BFHE 65, 437, BStBl III 1957, 401, und vom 1. August 1958 VI 13/57 U, BFHE 67, 300, BStBl III 1958, 390). Die Rechtsauffassung des FG führe dazu, daß die im Gesetz verankerte Doppelbesteuerung der Ergebnisse der Kapitalgesellschaft, nämlich einmal die Besteuerung bei der Körperschaft selbst und zum anderen bei den Gesellschaftern, umgangen werde, weil die spätere Kapitalrückzahlung steuerfrei sei. Die vom FG angestellte Erwägung, erst bei der Rückzahlung des Kapitals sei zu prüfen, welcher Teil davon Kapitalertrag i. S. des § 20 EStG sei und welcher Teil als nichtsteuerbare Rückzahlung des Vermögens gewährt werde, sei im übrigen auch aus Gründen der Praktikabilität abzulehnen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 20 000 DM auf 30 990 DM zu erhöhen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG hat verkannt, daß die Frage der steuerlichen Behandlung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln inzwischen abschließend durch das Kapitalerhöhungsgesetz und das Kapitalerhöhungssteuergesetz geregelt worden ist.

1. Nach § 1 KapErhStG unterliegt der Erwerb neuer Anteilsrechte nicht den Steuern vom Einkommen und Ertrag, wenn eine Kapitalgesellschaft ihr Nennkapital nach den Vorschriften des Kapitalerhöhungsgesetzes erhöht. Damit ist zugleich gesagt, daß Steuerfreiheit nur eintritt, wenn die Erhöhung das Nennkapital nach den Vorschriften des handelsrechtlichen Kapitalerhöhungsgesetzes durchgeführt worden ist. Liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln dagegen nicht vor, ist der Erwerb der neuen Anteile grundsätzlich steuerpflichtig.

Diese Auslegung, nach der sich die Vorschrift des § 1 KapErhStG nicht als eine reine Begünstigungsnorm erweist, sondern gleichzeitig einen eigenen Besteuerungstatbestand enthält, wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Aus ihr ergibt sich, daß nur eine nach den Vorschriften des Kapitalerhöhungsgesetzes durchgeführte und in das Handelsregister eingetragene Kapitalerhöhung zu einem steuerfreien Erwerb der Anteile führen soll, nicht dagegen eine diesen Anforderungen nicht entsprechende Maßnahme (vgl. die amtliche Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode Drucksache 417, Bl. 3; Brönner, Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln - Die kleine Aktienreform, 2. Aufl. Anm. 3 zu § 1 KapErhStG; Herrmann-Heuer, a. a. O., Anm. 362 bis 364 n. F. zu § 20 EStG; ähnlich auch zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Kapitalerhöhung einer Gesellschaft ausländischen Rechts steuerbegünstigt ist, BFH-Urteil vom 5. April 1978 I R 164/75, BFHE 125, 55, BStBl II 1978, 414).

Die Auffassung des FG, daß eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln stets steuerfrei sei, ist deshalb unrichtig.

2. Die Sache ist nicht entscheidungsreif und geht an die Vorinstanz zurück.

Das FG muß prüfen, ob im Streitfall eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln durchgeführt wurde und ob dabei die Vorschriften des Kapitalerhöhungsgesetzes beachtet wurden.

Ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften kann allerdings durch die Eintragung des Erhöhungsbeschlusses im Handelsregister unbeachtlich geworden sein. Denn die Eintragung ist konstitutiv und als rechtsgestaltende Maßnahme des Registergerichts auch für die steuerrechtliche Beurteilung bindend (BFH-Urteil vom 10. Oktober 1973 I R 18/72, BFHE 110, 417, BStBl II 1974, 32, mit Hinweis auf § 242 des Aktiengesetzes 1965, und Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, 13. Aufl., Anhang § 47 Anm. 2 C). Das setzt jedoch voraus, daß aus der Eintragung des Beschlusses im Handelsregister hervorgeht, daß es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt. Eine unter das Kapitalerhöhungsgesetz fallende und nach § 1 KapErhStG begünstigte Kapitalerhöhung ist hingegen nicht gegeben, wenn statt dessen eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen nach §§ 55 ff. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung beschlossen und eingetragen worden sein sollte (vgl. dazu näher Keidel/Schmatz/Stöber, Registerrecht, 3. Aufl., München 1976, Rdz. 743 ff. und 748). Das FG wird sich daher die Eintragung im Handelsregister vorlegen lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 73181

BStBl II 1979, 560

BFHE 1979, 47

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