Leitsatz (amtlich)

Der im Falle rechtsgeschäftlichen Erwerbs eines Grundstücks durch einen der Ehegatten bei Gütergemeinschaft kraft Gesetzes eintretende Miterwerb des anderen Ehegatten steht einer sonst gegebenen Grunderwerbsteuerbefreiung nicht entgegen.

 

Orientierungssatz

NV: In Fällen, in denen ein Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer (hier nach § 1 GrEStStrukturG BW) nur dann zur materiell endgültigen Steuerbefreiung führt, wenn das Grundstück vor Ablauf einer bestimmten Frist zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist, kann der Antrag nach Ablauf dieser Frist nicht mehr mit der Folge zurückgenommen werden, daß die vom Gesetz vorgesehenen Konsequenzen der nicht fristgerechten Verwendung des Grundstücks --das ist die Nacherhebung der Steuer einschließlich eines etwaigen Aufgelds-- entfallen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 14.11.1979 II R 145/75).

 

Normenkette

GrEStStrukturG BW §§ 1-2, 3 Abs. 1; GrEStG BW § 3 Nr. 4; GrEStG § 3 Nr. 4 Fassung: 1940-03-29; GrEStG 1983 § 3 Nr. 7; GrEStG BW § 3 Nr. 5; GrEStG § 3 Nr. 5 Fassung: 1940-03-29

 

Tatbestand

Der Kläger, der im Güterstand der Gütergemeinschaft lebt, erwarb im Jahre 1974 mehrere Grundstücke. Für den Erwerb beantragte er Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 des Baden-Württembergischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur vom 10.Juli 1973 (GrEStStrukturG). Das beklagte Finanzamt (FA) stellte den Antrag auf Steuerbefreiung zunächst nach § 2 Satz 2 GrEStStrukturG zurück, weil der Kläger die erforderliche Bescheinigung nicht vorlegen konnte.

Nachdem das FA festgestellt hatte, daß das Investitionsprogramm nicht durchgeführt worden war, setzte es 1980 gegen den Kläger Grunderwerbsteuer zuzüglich eines Aufgelds nach § 3 GrEStStrukturG fest.

Die Klage, mit der die Aufhebung der Aufgeldfestsetzung begehrt wurde, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der Revision begehrt der Kläger, den angefochtenen Steuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils dahingehend zu ändern, daß nur die Hälfte des Aufgelds erhoben wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Der Erwerb der Grundstücke, der nach § 1 Abs.1 Nr.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) der Grunderwerbsteuer unterlag, war --soweit nicht die Befreiung nach § 4 Abs.1 Nr.7 GrEStG eingreift-- nur dann endgültig von der Besteuerung nach § 1 GrEStStrukturG ausgenommen, wenn das Grundstück innerhalb von fünf Jahren dem begünstigten Zweck zugeführt worden war (§ 3 Abs.1 Satz 1 GrEStStrukturG). Lag die Bescheinigung, die vom Gesetz für die Befreiung gefordert wird, nicht vor, so war der Antrag auf Steuerbefreiung bis zur Erteilung zurückzustellen (§ 2 Satz 2 GrEStStrukturG). Soweit objektiv eine (wenn auch nur geringe) Möglichkeit bestand, daß die Voraussetzungen für eine endgültige materielle Befreiung von der Steuer eintraten, war die Steuer (vorläufig) aufgrund des Befreiungsantrags nicht entstanden. War die Steuer aber in dieser Weise vorläufig materiell-rechtlich nicht entstanden, das Grundstück aber nicht fristgerecht zum begünstigten Zweck verwendet worden, dann war zu der Steuer nach § 3 Abs.1 Satz 4 GrEStStrukturG ein Aufgeld in Höhe von 5 v.H. für jedes angefangene oder volle Jahr vom Erwerb des Grundstücks bis zur Entstehung der Steuer zu entrichten.

Der Umstand, daß der Kläger mit seiner Frau im Güterstand der Gütergemeinschaft lebt, steht der (materiell vorläufigen) Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach dem GrEStStrukturG nicht entgegen. Zufolge des Ehevertrags gehörte das Grundstück ohne rechtsgeschäftliche Übertragung zu dem Gesamtgut (§ 1416 Abs.1 Satz 2, Abs.2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Dieser gesamthänderische Miterwerb der Ehefrau änderte nichts daran, daß Steuerschuldner aus dem Erwerbsvorgang vom 27.Mai 1974 allein der Kläger war (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19.Juli 1962 II 57/61 U, BFHE 75, 351, BStBl III 1962, 394). Zwar hat der Senat stets ausgesprochen, daß der Erwerb nur dann (materiell endgültig) steuerbefreit sein könne, wenn der Erwerber den Zweck in eigener Person verwirkliche (vgl. Urteile vom 22.Januar 1975 II R 62/73, BFHE 115, 67, BStBl II 1975, 391; vom 30.Juli 1980 II R 15/80, BFHE 131, 406, BStBl II 1980, 755, und vom 4.Februar 1981 II R 83-84/78, BFHE 133, 223, BStBl II 1980, 444 --unter II.2. der Gründe--). Deshalb ist grundsätzlich die Weitergabe des Grundstücks bzw. dessen Einbringung in ein Gesamthandsverhältnis als Zweckaufgabe anzusehen; doch unterliegen diese Aussagen bei Erwerben durch Personen, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, notwendigen Einschränkungen. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 7.Juli 1965 II 151/62 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965, 549) ausgeführt hat, ist den sich mit der Gütergemeinschaft beschäftigenden Vorschriften des § 3 Nrn.4 und 5 GrEStG der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, daß der im Falle rechtsgeschäftlichen Erwerbs des einen Ehegatten der kraft Gesetzes eintretende Miterwerb des anderen Ehegatten eine sonst gegebene Grunderwerbsteuerbefreiung nicht aufhebt bzw. ihr nicht entgegensteht.

++/ Auch der Umstand, daß der Kläger seinen --sich Rechtens auf das gesamte Grundstück erstreckenden-- Antrag auf Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 GrEStStrukturG mit Schreiben vom 30.September 1980 wieder zurückgenommen hat, steht der Nacherhebung der Steuer nicht entgegen. Zwar hat der Senat ausgesprochen, daß ein Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zurückgenommen werden könne, wenn kein förmlicher bestandskräftiger Freistellungsbescheid vorliegt (vgl. Urteil vom 14.November 1979 II R 145/75, BFHE 129, 211, BStBl II 1980, 131). Damit war aber nicht die Aussage verbunden, es sei auf die Frist für die Verjährung der nachzuerhebenden Steuer abzustellen. Abzuheben ist auf diejenige Frist, die für die Verjährung der Steuer maßgebend war bei Unterstellung, der Steuerbefreiungsantrag sei nicht gestellt worden. Im vorliegenden Fall kann jedoch offenbleiben, wann in diesem unterstellten Fall die Verjährungsfrist abgelaufen wäre. In Fällen, in denen ein Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer nur dann zur materiell endgültigen Steuerbefreiung führt, wenn das Grundstück vor Ablauf einer bestimmten Frist zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist, kann der Antrag nach Ablauf dieser Frist nicht mehr mit der Folge zurückgenommen werden, daß die vom Gesetz vorgesehenen Konsequenzen der nicht fristgerechten Verwendung des Grundstücks --das ist die Nacherhebung der Steuer einschließlich eines etwaigen Aufgelds-- entfallen. Denn mit dem Ablauf der Frist ist der Nacherhebungstatbestand verwirklicht und die dadurch entstandenen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können nicht wieder beseitigt werden.

Da der Nacherhebungstatbestand im Jahre 1979 eintrat (§ 3 Abs.1 Satz 1 GrEStStrukturG), mußte neben der nachzuerhebenden Steuer das Aufgeld nach § 3 Abs.1 Satz 4 GrEStStrukturG festgesetzt werden. /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 60955

BStBl II 1985, 377

BFHE 143, 167

BFHE 1985, 167

BB 1985, 1118-1118 (L)

HFR 1985, 419-420 (ST)

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