Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ist Arbeitslohn eines Arbeitnehmers nachzuversteuern und erfährt das Finanzamt im Zusammenhang damit, daß der Arbeitnehmer auch die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG in Anspruch nehmen könnte, so ist grundsätzlich nicht der Arbeitgeber für die Lohnsteuer nach § 46 LStDV haftbar zu machen. Der Arbeitnehmer ist vielmehr zu veranlagen. Dabei sind auf seinen Antrag die erhöhten Absetzungen für Abnutzung nach § 7 b EStG zu berücksichtigen.

StAnpG § 1, § 2 Abs. 2; EStG 1950, 1951, 1953, 1955 § 38 Abs. 3; LStDV 1950, 1952, 1954, 1955 §

 

Normenkette

StAnpG §§ 1, 2/2; EStG § 38/3; LStDV § 46 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzamt nahm den Bg. nach einer Lohnsteuerprüfung aus verschiedenen Gründen für Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer durch Haftungsbescheid in Anspruch.

Hiervon sind im Rechtsbeschwerdeverfahren noch 1.702,10 DM streitig. Dieser Betrag wurde vom Finanzamt nachgefordert für eine Zuwendung von 15.000 DM, die der Bg. seinem Arbeitnehmer G. zum Bau eines Einfamilienhauses gemacht hat. Dieser Arbeitnehmer verpflichtete sich bei Empfang des Geldes im Jahre 1950 zunächst mündlich und 1955 auch schriftlich, mindestens noch 15 Jahre bei dem Bg. tätig zu sein. Von den als Darlehen bezeichneten 15.000 DM sollten für jedes Jahr, in dem das Arbeitsverhältnis bestand, erstmals 1950, 1.000 DM als getilgt angesehen werden. Bei Lösung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der 15 Jahre sollte dagegen G. für jedes Jahr, das an den 15 Jahren fehlte, 1.000 DM an den Bg. zurückzahlen. Das Finanzamt betrachtete die nach dieser Vereinbarung in den Jahren 1950 bis 1955 erlassenen 6.000 DM als Arbeitslohn des G. und forderte vom Bg. dafür 1.702,10 DM Lohnsteuer nach. Der Einspruch des Bg. hiergegen hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht sah in dem Erlaß der 6.000 DM zwar ebenfalls die Zahlung von Arbeitslohn. Es hielt jedoch die Nachforderung von Lohnsteuer bei dem Bg. für unzulässig, da das Finanzamt sich mit seiner Nachforderung in erster Linie an den Arbeitnehmer G. halten müsse, um diesem, wie er es wünsche, die Möglichkeit zur Inanspruchnahme des § 7 b EStG zu geben. Wenn das Finanzamt von G. die Nachversteuerung von Arbeitslohn verlange, müsse es ihm andererseits gestatten, nachträglich die Vergünstigung des § 7 b EStG auszunutzen. Für die Jahre 1950 bis 1955 könne die erhöhte Abschreibung nach § 7 b EStG nur bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt werden. Dies sei auch jetzt noch möglich; denn wenn das Finanzamt nach Ablauf der allgemeinen Erklärungsfrist einen Steuerpflichtigen zwecks Vornahme einer Einkommensteuerveranlagung zur Abgabe einer Steuererklärung auffordere, eröffne sich dadurch für diesen eine neue Frist für die Geltendmachung des § 7 b EStG. Da die Interessen der Beteiligten im Lohnsteuerhaftungsverfahren nach Recht und Billigkeit abzuwägen seien, entspreche die Inanspruchnahme des Bg. als Arbeitgeber des G. nicht den Interessen der Beteiligten. Die Nachversteuerung des dem G. durch den Teilerlaß des Darlehens zugeflossenen Arbeitslohns müsse daher durch Veranlagung des G. zur Einkommensteuer vorgenommen werden.

Der Vorsteher des Finanzamts trägt zur Begründung seiner Rb. vor: Es sei dem Finanzamt bei Erlaß des Haftungsbescheids nicht bekannt gewesen, daß G. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gehabt habe und die Steuervergünstigung nach § 7 b EStG beanspruchen könne. Es widerspreche der Systematik des Steuerabzugsverfahrens und stelle an das Lohnsteuerprüfungsverfahren verwaltungsmäßig nicht zu erfüllende Anforderungen, wenn bei Lohnsteuernachforderungen zu prüfen sei, ob für einzelne Arbeitnehmer eine Veranlagung in Betracht komme. Es bestünden auch verfahrensrechtliche Bedenken gegen eine Veranlagung des G., weil nicht nur die Frist für den Antrag auf Veranlagung verstrichen sei, sondern ebenso auch die Frist nach § 86 AO für die Gewährung von Nachsicht wegen dieser Fristversäumnis. In der Inanspruchnahme des Bg. als Arbeitgeber liege kein Ermessensmißbrauch, zumal keine Fragen streitig gewesen seien, die in einem Veranlagungsverfahren zu klären seien.

Der Arbeitnehmer G. ist nach dem Ergehen des Urteils des Finanzgerichts dem Verfahren beigetreten und hat insbesondere zum Ausdruck gebracht, daß er auf die Zubilligung der Abschreibung nach § 7 b EStG Wert lege.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.

Das Finanzgericht hat zutreffend angenommen, daß das Darlehen von 15.000 DM , das der Bg. im Jahre 1950 seinem Arbeitnehmer G. gegeben hat, zunächst keine lohnsteuerlichen Auswirkungen hatte, daß aber der Erlaß von jährlich jeweils 1.000 DM in den Jahren 1950 bis 1955 für G. Arbeitslohn war, von dem Lohnsteuer einzubehalten gewesen wäre.

Das Finanzgericht hat auch mit Recht verneint, daß diese insgesamt 6.000 DM als Zuschüsse zum Wohnungsbau im Sinn von § 7 c EStG nach § 6 Ziff. 11 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - 1950, 1952, 1954 lohnsteuerfrei waren. Das von G. erbaute Einfamilienhaus war nach der Feststellung des Finanzgerichts am 1. Dezember 1950 bezugsfertig, und die Zuwendungen, die der Bg. seinem Arbeitnehmer G. jeweils am Jahresende durch Verzicht auf eine Darlehnsrückzahlung in Höhe von 1.000 DM machte, sind G. demnach erst nach Fertigstellung seines Hauses zugeflossen. § 7 c EStG 1950, 1951 und 1953 setzte aber voraus, daß die Zuschüsse vor der Bezugsfertigkeit der Wohnungen hingegeben wurden. Lohnsteuerfreiheit kommt deshalb nach diesen Vorschriften für 1950 bis 1954 nicht in Betracht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 289/56 U vom 20. August 1957, BStBl 1957 III S. 351, Slg. Bd. 65 S. 310). In den Jahren 1955 und 1956 waren Zuschüsse zum Wohnungsbau nicht mehr nach § 7 c EStG begünstigt, so daß aus diesem Grund auch für diese Jahre Lohnsteuerfreiheit bei G. nicht in Betracht kommt.

Die Vorentscheidung ist auch nicht zu beanstanden, soweit sie die Haftung des Bg. für die Lohnsteuer abgelehnt hat, die auf die erlassenen Darlehnsbeträge entfällt. Jeder Arbeitgeber haftet zwar grundsätzlich nach § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG (§ 46 Abs. 1 LStDV) für die zu Unrecht nicht einbehaltene Lohnsteuer seiner Arbeitnehmer. Ob das Finanzamt den Arbeitgeber durch Haftungsbescheid in Anspruch nehmen oder ob es sich an den eigentlichen Steuerschuldner, den Arbeitnehmer, halten will, steht in seinem pflichtmäßigen Ermessen (vgl. z. B. Urteile des Senats VI 183/59 S vom 24. November 1961, BStBl 1962 III S. 37, Slg. Bd. 74 S. 97; VI 85/61 U vom 16. März 1962, BStBl 1962 III S. 282, Slg. Bd. 75 S. 36). Die Entscheidung hierüber hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Sie ist nach Recht und Billigkeit zu treffen, und zwar unter Abwägung der Interessen des Arbeitgebers, seiner Arbeitnehmer und des Finanzamts. Das Finanzgericht ist der Auffassung, die Haftbarmachung des Bg. entspreche nicht der Billigkeit; es sei der Arbeitnehmer G. im Wege der Einkommensteuerveranlagung zu der Steuer für den zusätzlichen Arbeitslohn heranzuziehen, damit G., der bisher nicht zur Einkommensteuer veranlagt wurde, die Möglichkeit habe, die erhöhten Abschreibungen nach § 7 b EStG in Anspruch zu nehmen. Der Senat tritt dieser Beurteilung bei. Wenn ein Arbeitnehmer nachträglich zu einer Steuer heranzuziehen ist für Arbeitslohn, der zu Unrecht nicht der Lohnsteuer unterworfen wurde, und das Finanzamt bei Durchführung der Nachversteuerung davon Kenntnis bekommt, daß der Arbeitnehmer für die gleichen Veranlagungszeiträume auch steuerliche Vorteile hätte in Anspruch nehmen können, die nur im Wege der Veranlagung gewährt werden können, so ist grundsätzlich der Arbeitnehmer nachträglich zur Einkommensteuer zu veranlagen und ihm dabei Gelegenheit zu geben, auch die Steuervergünstigung in Anspruch zu nehmen, damit eine gerechte Besteuerung erfolgt (vgl. hierzu das Urteil des Senats VI 314/56 U vom 20. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 202, Slg. Bd. 68 S. 531).

Der Senat tritt dem Finanzgericht auch insofern bei, als dieses in § 57 EStDV 1950, 1951, 1952, 1953 und § 71 EStDV 1955 kein Hindernis für eine Veranlagung des G. gesehen hat. Wie es zutreffend ausgeführt hat, muß das Finanzamt dem G. durch die Aufforderung zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung für die Streitjahre die Möglichkeit eröffnen, den durch Inanspruchnahme der Vergünstigungen des § 7 b EStG wahrscheinlich eingetretenen Verlust bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung geltend zu machen. Durch die Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung wird für G. die Frist nach § 57 bzw. § 71 EStDV erneut in Lauf gesetzt (Urteil des Senats VI 169/60 U vom 13. Januar 1961, BStBl 1961 III S. 129, Slg. Bd. 72 S. 345).

Da die Vorentscheidung demnach zum zutreffenden Ergebnis gelangt ist, muß die Rb. als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

BStBl III 1963, 470

BFHE 1964, 412

BFHE 77, 412

StRK, EStG:38 R 44

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