Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Ist Kapitalertragsteuer zu Unrecht nicht einbehalten worden, so ist der Gläubiger der kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünfte, wenn er ohnehin veranlagt werden muß, im Regelfall im Wege der Veranlagung in Anspruch zu nehmen.

 

Normenkette

EStG § 44 Abs. 5

 

Tatbestand

Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 15. Dezember 1950 ist der Beschwerdeführer (Bf.) mit Wirkung vom selben Tage in das von dem Vertragspartner betriebene Geschäft (Unterhaltung eines Damen- und Herrenfriseursalons und Handel mit Parfümerien und Seife) als stiller Gesellschafter eingetreten. Die Kapitaleinlage betrug 15.000 DM und wurde dadurch geleistet, daß der Bf. sich wegen einer Forderung, die sein Vater aus der Lieferung einer Geschäftseinrichtung an den Vertragspartner hatte, in Vollmacht seines Vaters in Höhe von 15.000 DM für befriedigt erklärte. Ab dem 30. April 1951 zahlte der Vertragspartner die Kaufpreisschuld in Raten ab. Im November 1951 ist der Gesellschaftsvertrag aufgelöst worden. Der Vertragspartner verpflichtete sich zu monatlichen Ausgleichszahlungen. Er hielt diese jedoch nicht ein, wurde von dem Bf. verklagt und einigte sich, nachdem er den Rechtsstreit verloren hatte, mit dem Bf. auf eine Abschlußzahlung von 3.500 DM zur Ablösung aller Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag. Insgesamt sind 12.472 DM gezahlt worden, nämlich 4.050 DM im Jahr 1951, 4.922 DM im Jahr 1952 und 3.500 DM im Jahr 1953.

Das Finanzamt, das in den Zahlungen Einkünfte aus Kapitalvermögen sah, nahm den Bf. wegen der Kapitalertragsteuer in Anspruch, die von dem Vertragspartner als dem Schuldner der Zahlungen hätte einbehalten werden müssen. Der Bf. wandte ein, er habe nur als Bevollmächtigter seines Vaters gehandelt und sei im Grund nicht stiller Gesellschafter gewesen; er habe von den 12.472 DM nur 4.575 DM als Entschädigung für die von ihm geleistete Arbeit von seinem Vater erhalten. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Das Finanzgericht kam auf Grund der Vereinbarungen zwischen dem Bf. und dem Vertragspartner zu dem Ergebnis, daß der Bf. stiller Gesellschafter gewesen sei. Als solcher sei er, so führt das Finanzgericht aus, auch dem Vertragspartner gegenüber aufgetreten und von diesem behandelt worden. Ob der Bf. im Innenverhältnis zu seinem Vater eine andere Stellung gehabt habe, sei bei dem objektsteuerartigen Charakter der Kapitalertragsteuer unerheblich. Für diese sei entscheidend, daß dem Bf. die Einkünfte, um die es im Streitfall gehe, in seiner Eigenschaft als stiller Gesellschafter zugeflossen seien.

Mit der Rechtsbeschwerde wehrt sich der Bf. gegen die Heranziehung zur Kapitalertragsteuer. Er trägt vor: Es sei zwar richtig, daß er sich im eigenen Namen als stiller Gesellschafter an dem Betrieb seines Vertragspartners beteiligt habe; er habe aber immer nur für Rechnung seines Vaters gehandelt. Die Beteiligung habe allein dem Zweck gedient, die Forderung seines Vaters zu sichern. Dementsprechend seien 12.472 DM an den Vater bzw. an die Sparkasse abgeführt worden, an die der Vater seine Forderung abgetreten habe. Ihm selbst seien lediglich 4.575 DM verblieben.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde muß zur ersatzlosen Aufhebung der Vorentscheidungen und des Steuerbescheids führen.

Dem Finanzgericht ist zuzugeben, daß die Vereinbarungen zwischen dem Bf. und dessen Vertragspartner wie auch die tatsächlichen Beziehungen zwischen dem Bf. und dessen Vertragspartner für das Vorliegen einer stillen Gesellschaft sprechen. Richtig ist auch, daß die Kapitalertragsteuer an die Einnahmen anknüpft, ohne daß ein Abzug von Werbungskosten zulässig ist. Das entbindet jedoch nicht von der Prüfung, ob die dem Bf. von seinem Vertragspartner gezahlten Beträge wirklich Einkünfte aus Kapitalvermögen waren. Nur die dem stillen Gesellschafter gewährten Gewinnanteile oder sonstigen Vorteile unterliegen der Kapitalertragsteuer (vgl. §§ 20 Abs. 1 Ziff. 2 und Abs. 2, 43 Abs. 1 Ziff. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), nicht dagegen Rückzahlungen auf die von dem stillen Gesellschafter geleistete Einlage. Daß es sich bei den nach Ansicht der Vorinstanzen kapitalertragsteuerpflichtigen Beträgen im wesentlichen um Rückzahlungen, nicht um Gewinnanteile oder sonstige Vorteile handle, ist aber gerade der Inhalt des Vorbringens des Bf., wenn er immer wieder darauf hingewiesen hat, daß die Zahlungen seines Vertragspartners auf die Forderung seines Vaters angerechnet worden seien.

Ob dies zutrifft, kann jedoch für das vorliegende Verfahren dahingestellt bleiben, weil die Inanspruchnahme des Bf. für die Kapitalertragsteuer schon aus anderen Gründen ungerechtfertigt ist. Die Kapitalertragsteuer wird im Wege des Steuerabzugs einbehalten. Sie ist - sieht man von der Form der Erhebung ab - nichts anderes als die (veranlagte) Einkommensteuer; sie tritt nicht neben diese, sondern wird, wie eine Vorauszahlung, darauf angerechnet, wenn nicht der Sonderfall vorliegt, daß mit ihrer Einbehaltung die Einkommensteuer abgegolten ist. Wird die Kapitalertragsteuer nicht einbehalten, so kann das Finanzamt den Schuldner der kapitalertragsteuerpflichtigen Erträge als Haftenden in Anspruch nehmen (vgl. § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG 1953). Es kann sich aber auch an den Gläubiger der Erträge als den eigentlichen Steuerschuldner halten (vgl. § 44 Abs. 5 Sätze 1 und 3 EStG 1953). Ob das Finanzamt das eine oder das andere tut, ist Sache seines pflichtgemäßen Ermessens (vgl. § 7 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -).

Es fragt sich, ob im vorliegenden Fall die Heranziehung des Bf. zur Kapitalertragsteuer gerechtfertigt war, weil der Bf. mit diesen Einkünften ohnehin veranlagt werden mußte. Geht es wie im Streitfall um die Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen selbst, so wird das Finanzamt, wenn der Weg der Veranlagung offensteht und nicht besondere Gründe vorliegen, diesen Weg und nicht den Weg der Heranziehung zur Kapitalertragsteuer einzuschlagen haben, weil schon aus Gründen der Verfahrensökonomie dem endgültigen Verfahren gegenüber dem nur vorläufigen Verfahren der Vorrang gebührt (vgl. hierzu das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 624/54 U vom 28. März 1956, BStBl 1956 III S. 174, Slg. Bd. 62 S. 468). Es ist im übrigen nicht vertretbar, in einem vorläufigen objektsteuerartigen Verfahren den Nachweis von Werbungskosten abzuschneiden, wenn im endgültigen Verfahren der Steuerfall ebenso schnell und sachlich abschließend entschieden werden kann. Mit Recht ist z. B. für den Fall, daß der Lohnsteuerabzug unterblieben ist, in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) angeordnet (vgl. Abschn. 220 EStR 1955 und EStR 1956/1957), daß der Arbeitnehmer, wenn er ohnehin zu veranlagen ist, in der Regel auch nur in diesem Verfahren heranzuziehen ist. Für die Heranziehung des Steuerpflichtigen, auf dessen Einkünfte aus Kapitalvermögen zu Unrecht keine Kapitalertragsteuer einbehalten worden ist, kann nichts anderes gelten.

Im vorliegenden Fall sind keine Gründe ersichtlich, die es rechtfertigen, statt der Veranlagung zur Einkommensteuer die Heranziehung zur Kapitalertragsteuer durchzuführen. Als der angefochtene Bescheid im Oktober 1953 erlassen wurde, konnten die von ihm erfaßten Einkünfte der Jahre 1951 und 1952 ohne weiteres im Wege der Veranlagung herangezogen werden, wobei dann über alle vom Bf. aufgeworfenen Fragen hätte endgültig entschieden werden können (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats VI 134/57 U vom 18. Juli 1958, BStBl 1958 III S. 384, Slg. Bd. 67 S. 290). Gewisse Bedenken bestanden zwar hinsichtlich der im Jahre 1953 zugeflossenen Einkünfte. Hier zeigt aber gerade die auch vom Finanzgericht erwähnte Tatsache, daß die Veranlagung für das Jahr 1953 inzwischen durchgeführt worden ist, zu welchen Unstimmigkeiten es führt, wenn ein Ergebnis, das alsbald mit der endgültigen Maßnahme der Veranlagung hätte erreicht werden können, zunächst mit einer vorläufigen Maßnahme angestrebt wird, die die Einwendungen des Steuerpflichtigen weitgehend unberücksichtigt läßt und unter Umständen etwas fordert, was doch wieder erstattet werden muß.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409314

BStBl III 1959, 202

BFHE 1959, 531

BFHE 68, 531

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