Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerliche Förderungsgesetze

 

Leitsatz (amtlich)

Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, können das Wahlrecht nach § 8 WoPG nur einheitlich ausüben, auch wenn jeder von ihnen selbständig einen Bausparvertrag abgeschlossen hat.

 

Normenkette

WoPG § 3 Abs. 2, § 3/5, §§ 8, 2/4; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1

 

Tatbestand

Beide Eheleute waren 1953 Arbeitnehmer, die Ehefrau in einem dem Ehemann fremden Betrieb. Beide Eheleute hatten Bausparverträge abgeschlossen, die Ehefrau einen solchen über einen Betrag von 4.000 DM. Dem Ehemann hatte das Finanzamt auf seinen Antrag seine Prämie von monatlich 24 DM am 12. Februar 1953 als Sonderausgabe auf seiner Lohnsteuerkarte durch Gewährung eines Freibetrages berücksichtigt. Die Ehefrau beantragte am 10. Februar 1954 bei der Bausparkasse die Gewährung einer Wohnungsbauprämie auf die in Höhe von 1.641,49 DM im Jahre 1953 auf ihren Sparvertrag geleistete Einzahlung. Das Finanzamt lehnte unter Hinweis auf § 8 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes (WoPG) vom 17. März 1952 (Bundesgesetzblatt 1952 I S. 139, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 I S. 207) die Gewährung der Prämie ab, weil der Ehemann sich für die Berücksichtigung seiner Prämien als Sonderausgabe entschieden habe.

Auf die Berufung der Ehefrau setzte das Finanzgericht für diese die Prämie auf 400 DM fest.

Auf die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts macht die Beschwerdegegnerin (Bgin.) nunmehr auch geltend, daß das Bundesverfassungsgericht den § 26 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 als mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) unvereinbar für nichtig erklärt hat. Aus dem gleichen Grunde sei auch eine Bindung des einen Ehegatten an die von dem anderen nach § 8 WoPG getroffene Wahl unzulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.

Neben der in § 10 Abs. 1 Ziff. 2 b EStG 1953 bestimmten Vergünstigung (Sonderausgabe) dient zur Förderung des Wohnungsbaus auch die Begünstigung unter anderem der Baukassensparer durch die im WoPG vorgesehenen Prämien. Diese sind nach der Anzahl der Kinder des Prämienberechtigten gestaffelt und nach oben durch den Höchstbetrag von 400 DM jährlich begrenzt (ß 3 WoPG). Für die Feststellung des Höchstbetrages sind nach § 3 Abs. 2 Satz 2 WoPG die prämienbegünstigten Aufwendungen des Prämienberechtigten, seines von ihm nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten und seiner Kinder, soweit sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zusammenzurechnen. Nach § 8 WoPG schließen die beiden Vergünstigungen einander aus. Das dem Prämienberechtigten dabei eingeräumte Wahlrecht kann nach § 8 Abs. 2 WoPG für alle Aufwendungen eines Kalenderjahres nur einheitlich ausgeübt werden.

In dem Bericht des Ausschusses des Bundestages für Wiederaufbau und Wohnungswesen über den Entwurf des WoPG (Anlage zum stenographischen Bericht der 188. Sitzung des 1. Bundestages - S. 8019 der Verhandlung des 1. Bundestages) ist zu § 3 WoPG ausgeführt: Es könne danach der Steuerpflichtige für seine Kinder unter 18 Jahren nicht mehrere Verträge schließen und Aufwendungen machen, in der Absicht, für jeden dieser Verträge die Prämie von 400 DM zu erhalten; andererseits könnten über 18 Jahre alte Kinder, auch wenn sie mit ihren Eltern zusammen lebten, entsprechende Aufwendungen machen und die Prämie von 400 DM im Jahre erhalten. Dies, so ist weiter ausgeführt, werde vor allem dort möglich sein, wo mehrere erwachsene Kinder verdienen und durch die Höhe der Prämie angeregt werden, schon frühzeitig mit dem Sparen für ein späteres Wohnhaus zu beginnen. Hieraus erhellt, daß der Gesetzgeber die Förderung des Bauvorhabens einer Familie durch die Wohnungsbauprämie auf den Höchstbetrag von 400 DM jährlich begrenzen wollte. Dem Sinn des Gesetzes würde es daher nicht entsprechen, wenn die Angehörigen des im § 3 WoPG zusammengefaßten Personenkreises das Wahlrecht zwischen der Prämie und der Berücksichtigung ihrer Aufwendungen als Sonderausgaben nach § 8 WoPG verschieden ausüben würden. Die Ausführungen, die die Bundesregierung in ihrer Verwaltungsanweisung betreffend Richtlinien zur Durchführung des WoPG unter Ziff. 20 Abs. 4 gemacht hat, entsprechen dem Gesetz (BStBl 1953 I S. 54). Die erörterten Bestimmungen des WoPG stehen danach trotz ähnlichen Wortlauts in keinem sachlichen Zusammenhang mit der einkommensteuerlichen Zusammenveranlagung der Ehegatten und der des Haushaltungsvorstandes mit den Kindern, für die ihm nach § 32 Abs. 4 Ziff. 2 EStG Kinderermäßigung zusteht. Das Finanzgericht hat deshalb zu Unrecht unter Heranziehung des § 26 EStG und des § 43 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) die Bgin. an die von ihrem Ehemann nach § 8 WoPG getroffene Wahl nicht für gebunden erachtet.

Die Zweifel, die die Bgin. aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 1957 - 1 BvL 4/54 - (BStBl 1957 I S. 193), mit dem § 26 EStG 1951 für nichtig erklärt wurde, an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 2 WoPG herleitet, hält der Senat nicht für begründet. Das Bundesverfassungsgericht hat wegen der sich aus der Progression des Einkommensteuertarifs ergebenen Mehrbelastung durch die Zusammenrechnung ihrer Einkünfte den § 26 EStG 1951 als mit Artikel 6 Abs. 1 GG unvereinbar für nichtig erklärt. Artikel 6 Abs. 1 GG verpflichte den Staat einerseits, Ehe und Familie vor Beeinträchtigung durch andere Kräfte zu bewahren und sie durch geeignete Maßnahmen zu fördern; andererseits verbiete es ihm selbst, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen. Einen solchen störenden Eingriff seitens des Staates stellte aber die Zusammenveranlagung der Einkünfte wegen der aus der Zusammenrechnung der Einkünfte folgenden schärferen Besteuerung dar.

Das WoPG hat keinen unmittelbar steuerlichen Charakter. Es verlangt von den Staatsbürgern keine Leistung, sondern gewährt ihnen zur Förderung des Wohnungsbaus Vergünstigungen in Gestalt der vorgesehenen Prämien, deren Inanspruchnahme im freien Willen der Bürger steht. Die in § 3 Abs. 2 WoPG getroffene Regelung bedeutet keinen Verstoß gegen das Verbot, die Ehe zu schädigen oder zu beeinträchtigen. Gerade Eheleute mit Kindern sind es, an die bei Schaffung dieser Vergünstigung gedacht ist. Mit der Zusammenrechnung der Aufwendungen der Angehörigen des im § 3 Abs. 2 WoPG bezeichneten Personenkreises soll offenbar verhindert werden, daß einem Bauvorhaben über die Prämienhöchstgrenze von 400 DM hinausgehende Vergünstigungen zuteil werden. Eine derartige Regelung des Prämienbezuges steht nicht im Widerspruch zu der im Artikel 6 Abs. 1 GG aufgestellten Forderung des besonderen Schutzes für Ehe und Familie durch die staatliche Ordnung. Auch der Grundsatz der Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz (Artikel 3 GG) wird durch die erörterten Bestimmungen des WoPG nicht verletzt, da diese nicht auf Willkür, sondern auf dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Erwägungen beruht.

Die Vorentscheidung war, weil sie auf einer Verkennung der Bedeutung der §§ 3 Abs. 2 und 8 WoPG beruht, aufzuheben.

Wenn der Bgin. auch keine Wohnungsbauprämie zuerkannt werden kann, so bleibt ihr doch die Möglichkeit, die Berücksichtigung ihrer Bausparkassenbeiträge als Sonderausgabe zu verlangen. Als die Bgin. am 10. Februar 1954 die Gewährung der Wohnungsbauprämie für 1953 beantragte, hätte sie auch noch den Abzug ihrer Aufwendungen für diesen Zweck als Sonderausgaben für 1953 im Lohnsteuerjahresausgleich geltend machen können. Es erscheint angezeigt, die Sache an das Finanzamt zur erneuten Behandlung im Lohnsteuer-Jahresausgleichsverfahren, erforderlichenfalls unter Gewährung von Nachsicht, zurückzuweisen. Bei der Berechnung des Freibetrages sind die Grundsätze der Entscheidung des Bundesfinanzhofs VI 16/55 U vom 12. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 77) zu beachten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408833

BStBl III 1957, 310

BFHE 1958, 201

BFHE 65, 201

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