Entscheidungsstichwort (Thema)

Sonstiges Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung eines Sonderabschlags nach § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes schließt eine Ermäßigung oder Erhöhung der Bewertung nach § 37 BewDV nicht aus.

 

Normenkette

FortschrG Abs. 3; FortschrG §§ 4, 6; BewDV § 37; BewG § 82

 

Tatbestand

Der Streit geht um die Fortschreibung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 für das Einfamilienhaus S-Straße in D. Der Beschwerdeführer (Bf.) hatte das Einfamilienhaus im Jahre 1934 auf Grund eines Erbbaurechts errichtet. Da es sich um ein Wohngebäude des mittleren Neuhausbesitzes handelte, wurde erstmals zum 1. Januar 1939 ein Einheitswert festgestellt. Hierbei wurde das Grundstück mit einem Vielfachen der Jahresrohmiete bewertet und der Wert selbst auf 28.000 RM festgestellt.

Im September 1944 wurde das Gebäude des Grundstücks durch Kriegseinwirkung (Brandbomben) schwer beschädigt. Es wurde jedoch in den folgenden Jahren durch den Bf. nach und nach wieder soweit instandgesetzt, daß im Januar 1946 das Erdgeschoß und am 1. Oktober 1947 das Obergeschoß wieder bezogen werden konnten. Das Erdgeschoß bewohnte der Bf. selbst, das Obergeschoß wurde von ihm vermietet. Ein Mietrückgang gegenüber der Jahresrohmiete 1939 liegt nicht vor.

In seinem Antrag auf Fortschreibung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 gab der Bf. an, daß nach seiner Berechnung das Grundstück im Jahre 1944 eine bauliche Zerstörung von 47,8 v. H. erlitten habe; von diesem Schaden seien bis zum Währungsstichtag 31,3 v. H. beseitigt worden, so daß noch ein Restschaden von 16,5 v. H. des Gebäudeschadens verblieben sei. Wegen dieses Schadens gewährte das Finanzamt einen Sonderabschlag von 20 v. H. auf den anteiligen Gebäudewert (ß 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes) und stellte den Einheitswert auf 23.500 DM fest.

Im Einspruch beantragte der Bf. zunächst eine Erhöhung des Sonderabschlags, erweiterte dann seinen Antrag und verlangte schließlich - gestützt auf mehrere, inzwischen eingeholte Gutachten - das Gebäude des Grundstücks ganz außer Ansatz zu lassen und nur den Wert des Grund und Bodens anzusetzen. Diesem Antrag gab das Finanzamt nicht statt, erhöhte jedoch den Sonderabschlag von 30 v. H. des anteiligen Gebäudewerts oder 24 v. H. des Einheitswerts und setzte den Einheitswert von 23.500 DM weiter auf 21.200 DM herab. Diese Entscheidung des Finanzamts wurde durch das Finanzgericht bestätigt.

In der Rechtsbeschwerde bleibt der Bf. darauf bestehen, daß als Einheitswert nur der Wert des Grund und Bodens angesetzt werden dürfe. Der Antrag wird auf ein Gutachten des Architekten Baurat X. sowie Untersuchungen der Stadtbauverwaltung - Abteilung Bauaufsicht - und des Staatsbauamts gestützt. Zur Begründung führt der Bf. vor allem an, daß das Gebäude am Währungsstichtag vom Einsturz bedroht und daher nicht bezugsfertig gewesen sei. Das Haus sei vor dem Stichtag nur in ganz provisorischer Weise bewohnbar gemacht worden. Dieser Zustand sei angesichts der Wohnungsnot vom baupolizeilichen Standpunkt so lange vertretbar gewesen, bis sich herausgestellt habe, daß durch eine bisher nicht beobachtete Rissebildung die Standsicherheit des Mauerwerks gefährdet gewesen sei. Dieser Zustand müsse schon am Stichtag bestanden haben. Nicht nur das Obergeschoß, sondern das ganze Haus sei durch die fehlende Standsicherheit des Mauerwerks gefährdet und nach den baupolizeilichen Bestimmungen eine Benutzbarkeit ausgeschlossen gewesen. Wegen dieser Unbenutzbarkeit des ganzen Gebäudes am Stichtag sei es gerechtfertigt, nur den Wert des Grund und Bodens anzusetzen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung.

Den Vorinstanzen ist insoweit beizutreten, als sie es abgelehnt haben, im Streitfall nur den Wert des Grund und Bodens anzusetzen. Nach § 2 Abs. 1 des Fortschreibungsgesetzes kommt ein Ansatz mit dem Wert des Grund und Bodens nur in Betracht, wenn bei einem bebauten Grundstück das Gebäude nach dem Stand am Währungsstichtag durch Kriegseinwirkung völlig zerstört oder infolge von Kriegsschäden nicht mehr benutzbar war. Keines von beiden trifft auf das Grundstück des Bf. zu. In seinem Antrag auf Wertfortschreibung des Einheitswerts hat der Bf. selbst angegeben, daß das strittige Grundstück eine bauliche Zerstörung von 47,8 v. H. erlitten hat. Das Gebäude des Grundstücks war also niemals durch Kriegseinwirkung voll zerstört. Von einer Unbenutzbarkeit des Gebäudes am Währungsstichtag kann auch keine Rede sein; einmal war das Haus am Währungsstichtag tatsächlich ganz bewohnt und zum anderen bedrohte der zu Tage getretene Schaden nicht das ganze Haus, sondern nur die Räume im Obergeschoß. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem Gutachten des Staatsbauamts, wonach eine Baufälligkeit des gesamten Gebäudes im üblichen Sinne nicht vorliege. Nur die Wohnung im Obergeschoß sei auf Grund des Bauzustands des Mauerwerks nicht bewohnbar und müsse aus Gründen der Bausicherheit gesperrt werden. Die Beseitigung der Schäden, die technisch keine besonderen Schwierigkeiten bereite, müsse aber, um Weiterungen für die Wohnung im Erdgeschoß zu vermeiden, baldigst durchgeführt werden. Die Vorinstanzen sind daher mit Recht davon ausgegangen, daß auf das Grundstück des Bf. nicht die Vorschrift des § 2, sondern diejenige des § 3 des Fortschreibungsgesetzes anzuwenden ist.

Den Vorinstanzen ist auch darin beizutreten, daß am Währungsstichtag noch Kriegssachschäden vorgelegen haben, die in der erzielten Jahresrohmiete nicht zum Ausdruck kommen. Richtig ist auch die Auffassung, daß in einem solchen Fall die noch bestehenden Kriegssachschäden nach § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes lediglich durch einen Sonderabschlag bis zu 30 v. H. auf den anteiligen Gebäudewert berücksichtigt werden können. Die Vorinstanzen haben jedoch ohne weiteres unterstellt, daß es sich bei den vom Bf. ursprünglich angegebenen und im Laufe des Verfahrens noch geltend gemachten Schäden um Kriegssachschäden handle. Das hätte näher geprüft werden müssen. Als Kriegssachschäden können nur solche Schäden anerkannt werden, die unmittelbar durch Kriegseinwirkung entstanden sind. Der Bf., der selbst Baufachmann ist, hat die durch Kriegseinwirkung entstandenen baulichen Schäden mit 47,8 v. H. beziffert. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Schätzung genau das Richtige getroffen hat. Die Beschädigungen sind möglicherweise ursprünglich höher gewesen. Soviel läßt sich aber mit ziemlicher Sicherheit aus den Akten ersehen, daß bei der Wiederinstandsetzung des Gebäudes bis zum Währungsstichtag Baufehler unterlaufen sind. Dies ergibt sich besonders deutlich aus dem Gutachten des Staatsbauamts, wo es heißt: Es sei unverständlich, weshalb die bestehenden Gefahrenherde, deren Beseitigung doch überhaupt die Voraussetzung für einen Wiederaufbau gewesen sei, nicht schon bei der im Jahre 1947 erfolgten Instandsetzung beseitigt worden wären; hierdurch hätten die nachher eingetretenen Schwierigkeiten vermieden werden können. Sind danach bei der Instandsetzung des Gebäudes tatsächlich Baufehler (gegebenenfalls Unterlassungsfehler) begangen worden, so kann insoweit nicht von Kriegssachschäden gesprochen werden. Da die Vorinstanzen die Prüfung dieser Frage unterlassen haben, waren die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Sache wird zweckmäßig an das Finanzamt zur erneuten Prüfung - entsprechend den obigen Ausführungen - zurückverwiesen. Hierbei muß das Finanzamt davon ausgehen, daß die Gewährung eines Sonderabschlags nach § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes rechtlich eine Ermäßigung (Erhöhung) der Bewertung nach § 4 Abs. 2 des Fortschreibungsgesetzes in Verbindung mit § 37 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) nicht ausschließt. Bei § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes handelt es sich um die Berücksichtigung von Kriegssachschäden, bei § 37 BewDV dagegen um tatsächliche Umstände (baulicher Zustand usw.), die mit den Kriegsereignissen nichts zu tun haben. Es würde in die Struktur des Fortschreibungsgesetzes, das klar zwischen Wertfortschreibungen des kriegsbeschädigten und kriegszerstörten Grundbesitzes und Wertfortschreibungen aus anderen Gründen scheidet, schlecht hineinpassen, wenn man § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes dahin auslegen wollte, daß die Zubilligung des Sonderabschlags die Gewährung einer Ermäßigung nach § 37 BewDV ausschließe. Allerdings hat der Gesetzgeber nicht ausdrücklich erklärt, daß neben dem Sonderabschlag eine Ermäßigung wegen der im § 37 a. a. O. erwähnten Umstände zulässig sei. Eine solche Erklärung war aber auch nicht unbedingt erforderlich, da die Voraussetzungen für Sonderabschlag und Wertermäßigung nach § 37 a. a. O. verschieden sind. überdies bestimmt § 6 des Fortschreibungsgesetzes, daß vorbehaltlich der §§ 1 - 5 a. a. O. für die Fortschreibung auf den 21. Juni 1948 die Vorschriften des Bewertungsgesetzes (BewG) und der BewDV gelten. Damit gilt aber auch § 37 BewDV weiter. Weder formelle noch materielle Gründe rechtfertigen daher die Annahme, daß die Zubilligung des Sonderabschlags wegen Kriegssachschäden gemäß § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes die Gewährung der Ermäßigung nach § 37 BewDV ausschließe. Diese Auffassung wird offenbar auch in den Richtlinien (Ziffer 7 a am Schluß) vertreten, die der Direktor der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebiets mit Erlaß vom 5. September 1949 III S 3106 - 2/49 zur Fortschreibung und Nachfeststellung von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 herausgegeben hat (siehe Amtsblatt des Hessischen Finanzministeriums 1949 S. 134). Das Finanzamt wird auch noch zu prüfen haben, ob nicht bei der Berechnung des Sonderabschlags nach § 3 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes (wie das auch im Fortschreibungsbescheid zunächst geschehen ist) der ursprüngliche Einheitswert um den früheren Zuschlag wegen Befreiung von der Gebäudeentschuldungsteuer zu kürzen ist. Außerdem wird noch geprüft werden müssen, ob es sich tatsächlich um ein Einfamilienhaus und nicht vielmehr um ein Mietwohngrundstück handelt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407887

BStBl III 1954, 137

BFHE 1954, 592

BFHE 58, 592

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