Entscheidungsstichwort (Thema)

Das Kalenderjahr als Feststellungszeitraum für gemeinsame Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft

 

Leitsatz (NV)

Der Senat hält an seiner in dem veröffentlichten Urteil vom 19. Juli 1984 IV R 87/82 (BFHE 142, 6, BStBl II 1985, 148) vertretenen Auffassung fest, wonach Feststellungszeitraum für die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 das Kalenderjahr als Veranlagungsjahr ist.

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 2, § 4a Abs. 1-2; AO 1977 § 157 Abs. 2, § 79 Abs. 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

In der Revision ist streitig, ob Feststellungszeitraum für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) das Kalenderjahr oder das davon abweichende Wirtschaftsjahr ist.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb zusammen mit ihrem am 3. März 1976 verstorbenen Ehemann in Gütergemeinschaft einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Sie ist Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes. Für den Betrieb sind Bücher geführt, die Abschlüsse aber nicht dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) vorgelegt worden. Aufgrund der abgegebenen Steuererklärungen setzte das FA in den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1972 bis 1974 folgende Steuerbeträge fest: . . ..

Die Einkommensteuerbescheide für 1972 bis 1974 wurden bestandskräftig.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1972 bis 1974 ermittelte der Prüfer die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 1972/73 und 1973/74 im Schätzungswege nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wobei er die Gewinne, die sich aus der Buchführung der Klägerin und ihres Ehemannes ergaben, unter Vornahme von Berichtigungen zugrunde legte. Den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1974/75 ermittelte er gemäß § 13 a EStG. Entsprechend den Feststellungen der Betriebsprüfung wurden mit Bescheiden vom 13. Dezember 1978 die Gewinne einheitlich und gesondert festgestellt, und zwar für 1972 mit . . . DM, 1973 mit . . . DM, 1974 mit . . . DM.

Im Feststellungsbescheid für das Jahr 1972 setzte das FA die Summe der halben Gewinne der Wirtschaftsjahre 1971/72 und 1972/73 als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft für 1972 fest. Entsprechend verfuhr es im Feststellungsbescheid für das Jahr 1973 mit den für die Wirtschaftsjahre 1972/73 und 1973/74 sowie im Feststellungsbescheid für 1974 mit den für die Wirtschaftsjahre 1973/74 und 1974/75 ermittelten Gewinnen. Aufgrund der Feststellungsbescheide ergingen am 15. Dezember 1978 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1972 bis 1974.

Gegen die Feststellungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung ließ sie vortragen, daß eine Aufforderung zur Buchführung niemals ergangen sei. Eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG sei daher unzulässig. Sie habe vielmehr nach Durchschnittsätzen (Gesetz über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen - GDL -) zu erfolgen.

Die Einsprüche blieben erfolglos.

Die Klage hatte Erfolg; sie führte aus formellen Gründen zur Aufhebung der angefochtenen Feststellungsbescheide. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, Feststellungszeitraum sei für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nicht das Kalenderjahr, sondern der Gewinnermittlungszeitraum, d. h. das vom 1. Juli bis 30. Juni laufende Wirtschaftsjahr. Diese Annahme eines unzutreffenden Feststellungszeitraums durch das FA mache die angefochtenen Feststellungsbescheide auch inhaltlich fehlerhaft, da zum Inhalt der einheitlichen Feststellung nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 auch die Angabe des zutreffenden Feststellungszeitraums gehöre. Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der §§ 179 und 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977. Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Der Senat hält an seiner in dem veröffentlichten Urteil vom 19. Juli 1984 IV R 87/82 (BFHE 142, 6, BStBl II 1985, 148) vertretenen Auffassung fest, wonach Feststellungszeitraum für die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 das Kalenderjahr als Veranlagungsjahr ist.

Dieser Auffassung liegen folgende rechtlichen Erwägungen zugrunde: § 180 AO 1977 trägt die Überschrift: ,,Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen"; d. h. also für die Einkommensteuer: Feststellung der Grundlagen für die Einkommensteuerveranlagung. Dieselbe Überschrift trägt der gesamte Unterabschnitt, der die §§ 179 bis 184 AO 1977 umfaßt.

Gemäß Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des § 180 AO 1977 werden gesondert festgestellt die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Zu diesen Einkünften gehören auch die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, wenn an ihnen mehrere beteiligt sind. Die Bestimmung sagt nicht, für welchen Zeitraum die Feststellung dieser Besteuerungsgrundlagen zu treffen ist, weil die entsprechenden Regelungen im EStG enthalten sind.

Die betreffenden Regelungen zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen im EStG beinhalten für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft systematisch gesehen und generell - nicht nur für die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen - zwei Stufen.

1. Stufe: Nach § 2 Abs. 2 EStG sind bei der Land- und Forstwirtschaft die Einkünfte der Gewinn; dieser Gewinn ist nach § 4 a Abs. 1 EStG bei Land- und Forstwirten nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln, das in der Regel vom Kalenderjahr abweicht; am häufigsten umfaßt es den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. Juni. § 4 a Abs. 1 EStG besagt also, daß zunächst der Gewinn des Wirtschaftsjahres zu ermitteln und von ihm bei der Einkommensbesteuerung auszugehen ist. Das ist die erste Stufe der erforderlichen Ermittlungen zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Damit stehen aber die Besteuerungsgrundlagen, die für die Einkommensteuerveranlagung erforderlich sind, noch nicht fest.

2. Stufe: Bei der Feststellung der bei der Einkommensteuerveranlagung unmittelbar zugrunde zu legenden oder anzusetzenden Besteuerungsgrundlagen ist zu berücksichtigen, daß Veranlagungszeitraum für die Einkommensteuer das Kalenderjahr ist (§ 25 EStG). Deshalb schreibt § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG vor, daß die Grundlagen für die Einkommensteuer für das Kalenderjahr zu ermitteln sind. War also die erste Ermittlungsstufe die Ermittlung des Gewinns des Wirtschaftsjahres, so umfaßt die zweite Ermittlungsstufe die Umrechnung dieses Gewinns zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen für das Kalenderjahr als Veranlagungszeitraum. Dazu bestimmt § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG, daß bei Land- und Forstwirten der Gewinn des Wirtschaftsjahres auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr beginnt, und auf das Kalenderjahr, in dem das Wirtschaftsjahr endet, entsprechend dem zeitlichen Anteil aufzuteilen ist. Bei der Aufteilung sind Veräußerungsgewinne i. S. des § 14 EStG auszuscheiden und dem Gewinn des Kalenderjahres hinzuzurechnen, in dem sie entstanden sind. In dieser zweiten Ermittlungsstufe werden also erst die Besteuerungsgrundlagen (hier die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) so festgestellt, daß sie in die Einkommensteuerveranlagung und in den Einkommensteuerbescheid unmittelbar eingehen können und das steuerpflichtige Einkommen ergeben. Soweit die Besteuerungsgrundlagen, hier die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, nicht gesondert festzustellen sind, weil nicht mehrere daran beteiligt sind, gehen sie gemäß § 157 Abs. 2 AO 1977 ohne selbständig anfechtbaren Zwischenbescheid als unselbständige Bestandteile in den Einkommensteuerbescheid ein. Sind an der betreffenden Land- und Forstwirtschaft mehrere beteiligt, sind dieselben Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft) nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in einem selbständig anfechtbaren Bescheid gesondert festzustellen. Aus § 179 Abs. 1 i. V. m. § 157 Abs. 2 AO 1977 im besonderen und aus dem Sinn und Zweck des eingangs erwähnten Unterabschnitts (§§ 179 ff. AO 1977) über die gesonderten Feststellungen der Besteuerungsgrundlagen im allgemeinen muß geschlossen werden, daß sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als unselbständige Besteuerungsgrundlagen eines Einkommensteuerbescheids nach § 157 Abs. 2 AO 1977 und die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als gesondert festzustellende Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 nur durch die gesonderte Feststellung (wegen mehrerer Beteiligter), nicht hinsichtlich des Feststellungszeitraums unterscheiden können. Nach dieser systematischen Sicht hat der Senat keine Zweifel, daß mit der gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 für die Einkommensteuer nur Feststellungen gemeint sein können, die in der oben dargelegten zweiten Stufe ermittelt werden und die als endgültige Besteuerungsgrundlagen für den Veranlagungszeitraum unverändert in den Einkommensteuerbescheid aufgenommen werden können. Danach wird nicht der Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahres, sondern der Gewinn des Veranlagungszeitraums, d. h. des Kalenderjahres, nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert festgestellt. Da der Senat außerdem keine Zweifel hat, daß die gesonderte Feststellung der Einkünfte der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 der Rechtslage entspricht, hat das FG die angefochtenen gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu Unrecht aus formellen Gründen ersatzlos aufgehoben. Aus diesem Grunde ist die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es über die Streitfragen entscheiden kann, ob das FA die angefochtenen Feststellungsbescheide als Erstbescheide erlassen durfte oder ob dies unter den Voraussetzungen des § 173 AO 1977 zulässig war, und ob die Feststellungsbescheide in sachlicher Hinsicht, vor allem hinsichtlich der Höhe der geschätzten Gewinne, rechtmäßig waren.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 278

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