Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederbestellung zum Steuerberater

 

Leitsatz (NV)

Zur Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde bei der beantragten Wiederbestellung zum Steuerberater und ihrer gerichtlichen Überprüfung.

 

Normenkette

StBerG § 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 37 Abs. 3 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Jahre 1963 zum Steuerbevollmächtigten und im Mai 1965 zum Steuerberater bestellt. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts vom 22. Juli 1974 wurde er wegen gemeinschaftlicher Untreue und gemeinschaftlichen Betruges, die er im Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit in der Zeit von Januar 1971 bis Juni 1972 begangen hatte, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Der Kläger hat 2/3 der verhängten Strafe verbüßt; die Vollstreckung des Strafrestes wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Wegen dieser Straftaten erkannte die Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen bei dem Landgericht am 28. Februar 1978 im berufsgerichtlichen Verfahren auf Ausschließung des Klägers aus dem Beruf als Steuerberater. Auf die Berufung des Klägers stellte das OLG das Verfahren ein, nachdem der Kläger am 3. März 1978 auf die Bestellung zum Steuerberater verzichtet hatte. In der Zeit von Juni 1976 bis August 1979 war der Kläger als Geschäftsführer der von ihm beherrschten X-Steuerberatungsgesellschaft mbH (GmbH) im Handelsregister eingetragen. Neben ihm war seit November 1976 der inzwischen verstorbene Steuerberater A. zum weiteren Geschäftsführer der GmbH bestellt.

Am 22. Februar 1982 beantragte der Kläger seine Wiederzulassung zum Steuerberater. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (- Beklagter -) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Mai 1982 ab, weil die Besorgnis begründet sei, daß der Kläger den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen werde. Er führte aus, schon die Schwere der der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten schließe eine Wiederbestellung derzeit aus. Darüber hinaus habe der Kläger auch nach dem Verzicht auf seine Zulassung im März 1978 erkennen lassen, daß er nicht gewillt gewesen sei, sich eigenverantwortlicher steuerberatender Tätigkeit zu enthalten. Er habe sich insbesondere erst im August 1979 als Geschäftsführer der GmbH abberufen lassen, nachdem der Gesellschaft vom Beklagten der Widerruf der Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft angedroht worden sei. Auch nach seiner Abberufung als Geschäftsführer habe er intern die Geschäfte der GmbH in vollem Umfang weitergeführt. Die als Geschäftsführer Fungierenden, nämlich der Steuerberater A. (bis 3. August 1981) und der Rechtsanwalt B. (vom 21. August 1979 bis 14. Juli 1980), hätten ihre Tätigkeit nur formell ausgeübt. Die eigenverantwortlich ausgeübte steuerberatende Tätigkeit des Klägers trotz Fehlens der dafür erforderlichen Voraussetzungen zeige, daß er nicht bereit sei, sich an die gesetzlichen Vorschriften zu halten, und ihm deshalb die persönliche Zuverlässigkeit fehle.

Das Finanzgericht (FG) wies die Verpflichtungsklage des Klägers auf Zulassung zum Steuerberater nach Beweisaufnahme über die Art und den Umfang seiner Tätigkeit bei der GmbH ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:

Der Beklagte habe die Wiederbestellung des Klägers zum Steuerberater nach § 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 37 Abs. 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zu Recht versagt, weil das Verhalten des Klägers die Besorgnis begründe, er werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen. Der Senat lasse offen, ob schon die Schwere der der strafgerichtlichen Verurteilung zugrundeliegenden Straftaten eine Wiederbestellung zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Verwaltungsaktes ausgeschlossen habe. Die angefochtene Entscheidung sei aber aus anderen Gründen rechts- und ermessensfehlerfrei.

Der Kläger sei auch nach seinem Verzicht auf die Bestellung zum Steuerberater vom 3. März 1978 entgegen § 50 Abs. 2 StBerG noch rund eineinhalb Jahre bis zum August 1979 als Geschäftsführer der GmbH tätig gewesen. Er habe dabei nicht nur eine mit den Standesgrundsätzen unvereinbare Einstellung erkennen lassen, sondern für einen erheblichen Zeitraum gegen den klaren Wortlaut und Sinn des § 50 StBerG verstoßen. Die Beweisaufnahme habe zur Überzeugung des Senats ferner ergeben, daß der Kläger darüber hinaus auch noch zu der Zeit, als der Zeuge Rechtsanwalt B. neben dem inzwischen verstorbenen Steuerberater A. Geschäftsführer der GmbH gewesen sei (Juli/August 1979 bis 15. Mai 1980), die tatsächliche Geschäftsführung der GmbH in der Hand gehabt habe. Durch die Weiterführung der Tätigkeit als Geschäftsführer entgegen § 50 StBerG bis August 1979 und durch die Ausübung der tatsächlichen Geschäftsführung in der Folgezeit habe der Kläger ein Verhältnis zu berufsrechtlichen Bestimmungen erkennen lassen, das es zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung gerechtfertigt habe, seine Wiederbestellung als Steuerberater zu versagen.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts. Ein Verstoß gegen den Inhalt der Akten als Verstoß gegen die Denkgesetze ergebe sich aus der Erklärung des Angestellten D. der GmbH vom 13. Juli 1981, auf die der klägerische Schriftsatz vom 9. November 1982 in der Vorinstanz Bezug genommen habe. Diese Erklärung stehe im Widerspruch zu den Feststellungen des FG, die tatsächliche Geschäftsführung habe in den Händen des Klägers und nicht in den Händen des Steuerberaters A. gelegen. Auch der von der Steuerberaterkammer übersandte Auszug aus dem Berufsregister vom 4. Juni 1978, wonach seine Geschäftsführereigenschaft wegen Verzichts gelöscht sei, widerspreche den Feststellungen im Urteil der Vorinstanz. Ein weiterer Verstoß gegen die Denkgesetze liege in der Schlußfolgerung des FG, er habe dadurch, daß er nach Erlöschen seiner Steuerberatereigenschaft die Geschäftsführung der GmbH fortgeführt habe, eine mit Standesgrundsätzen nicht vereinbare Einstellung erkennen lassen und gegen § 50 StBerG verstoßen. Denn mit seinem Verzicht auf die Bestellung zum Steuerberater habe er nicht mehr dem Standesrecht unterlegen und deshalb nicht mehr gegen Standesgesetze verstoßen können.

Die Revision rügt ferner ,,Überschreitung zwischen tatsächlichen Feststellungen und Rechtsanwendungen", die sie darin sieht, daß das FG aus dem Umstand, daß der Kläger vom 3. März 1978 bis Anfang August 1979 in 16 Fällen Bilanzen neben dem Steuerberater A. unterschrieben habe, die Ausübung der tatsächlichen Geschäftsführung bei der GmbH durch den Kläger gefolgert habe. Hier habe das FG die Rechtsfunktion der Unterschriften des Klägers, die nicht erforderlich, aber unschädlich gewesen seien, aufklären müssen. Einem im Revisionsverfahren vorgelegten Schreiben der Staatsanwaltschaft bei dem Kammergericht, wonach die Staatsanwaltschaft auf die Beschwerde des Klägers in Ermittlungen gegen den Rechtsanwalt B. wegen des Vorwurfs der falschen uneidlichen Aussage eintreten werde, mißt der Kläger die Bedeutung einer Urkunde i. S. des § 580 Nr. 7 der Zivilprozeßordnung (ZPO) bei, die die Glaubwürdigkeit dieses vom FG vernommenen Zeugen in Frage stelle und einen Wiederaufnahmegrund darstelle. Schließlich rügt der Kläger Verletzung der §§ 48 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 37 Abs. 3 Nr. 1 StBerG durch ,,Ermessensunschlüssigkeit". Die Ermessensentscheidung des Beklagten sei unsachgemäß begründet, wenn sie darauf abstelle, daß dritte Personen (Steuerberater und Rechtsanwälte) nicht gemäß den ihnen als Geschäftsführer der GmbH obliegenden Pflichten eigenverantwortlich gehandelt hätten. Dies könne dem Kläger nicht angelastet werden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des Urteils des FG und der Verwaltungsentscheidung den Beklagten zu verpflichten, ihn als Steuerberater zu bestellen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung und anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Der Beklagte und die vom FG beigeladene Steuerberaterkammer beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß ehemalige Steuerberater nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 StBerG grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Wiederbestellung haben, wenn ihre Bestellung - wie im Falle des Klägers - durch Verzicht gegenüber der bestellenden Behörde gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 StBerG erloschen ist (vgl. Mittelsteiner/Gehre, Steuerberatungsgesetz, 2. Aufl., § 48 Anm. 1). Für die Wiederbestellung gelten aber auch die Vorschriften des § 37 über die Zulassung zur Prüfung (§ 48 Abs. 2 StBerG). Danach kann die Zulassung zur Prüfung und damit auch die Wiederbestellung zum Steuerberater versagt werden, wenn der Bewerber sich so verhalten hat, daß die Besorgnis begründet ist, er werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen (§ 37 Abs. 3 Nr. 1 StBerG). Diese Rechtsvorschriften hat ebenso wie das FG auch der Beklagte seiner ablehnenden Entscheidung zugrunde gelegt. Im Rahmen der Prüfung des § 37 Abs. 1 Nr. 3 StBerG hat die Verwaltungsbehörde, wie der Beklagte und das FG nicht verkannt haben, bei der Frage der Wiederbestellung eines ehemaligen Steuerberaters eine Ermessensentscheidung zu treffen, die gerichtlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Behörde die Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

2. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 14. Juni 1983 VII R 4/83 (BFHE 138, 508, BStBl II 1983, 695) entschieden hat, handelt es sich bei der Regelung in § 37 Abs. 3 Nr. 1 StBerG um eine einheitliche Ermessensvorschrift, nach der der (unbestimmte Rechts-)Begriff ,,Besorgnis begründet ist" in den Ermessensbereich (,,kann versagt werden") hineinragt und zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung bestimmt (vgl. Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmS-OGB - vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 zu § 131 Abs. 1 Satz 1 der Reichsabgabenordnung - AO -). In Anlehnung an die zitierte Entscheidung des GmS-OGB ergibt sich im Rahmen des § 102 FGO eine weitgehende gerichtliche Nachprüfbarkeit der Ermessensentscheidung über die Versagung der Zulassung zur Steuerberaterprüfung bzw. der Wiederbestellung zum Steuerberater. Diese ist möglich anhand der von der Behörde für ihr Handeln gegebenen Begründung, die erforderlich ist und die sich mit der Frage auseinanderzusetzen hat, weshalb die Besorgnis begründet ist, der Antragsteller werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen.

3. Der erkennende Senat hat deshalb und unter Beachtung des vorliegenden Eingriffs in die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes - GG -) in seiner Entscheidung in BFHE 138, 508, BStBl II 1983, 695 bereits gefordert, daß die Verwaltungsbehörde ihr Ermessen erkennbar ausüben muß. Dazu muß die Behörde in der Begründung des Versagungsbescheides, der auch im Falle der beantragten Wiederbestellung als Steuerberater schriftlich zu erteilen ist (§§ 38 Abs. 2 Satz 3, 34 Abs. 5 Satz 2 der Verordnung zur Durchführung der Vorschriften über Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und Steuerberatungsgesellschaften - DVStB -), nicht nur darlegen, welches Verhalten des Antragstellers sie zu der Auffassung veranlaßt hat, es sei die Besorgnis begründet, er werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen. Sie muß nach der angeführten Entscheidung darüber hinaus auch begründen, aufgrund welcher Ermessenserwägungen sie zu der für den Antragsteller negativen Entscheidung gekommen ist, wobei im Hinblick auf die Besorgnis im vorgenannten Sinne darzulegen ist, welche Berufspflichten im einzelnen aufgrund der Verhaltensweise des Antragstellers als gefährdet erscheinen. Ferner muß sich im Hinblick auf den Eingriff in die Freiheit der Berufswahl aus der Begründung ergeben, daß die Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet hat.

4. Die Begründung der angefochtenen Versagungsverfügung läßt erkennen, daß der Beklagte als die über den Antrag auf Wiederbestellung zur Entscheidung befugte Behörde (§ 38 Abs. 1 DVStB, § 40 Abs. 1 StBerG) sein Ermessen entsprechend den vorgenannten Anforderungen ausgeübt hat.

a) Der Beklagte hat nicht verkannt, daß die Frage, ob dem Kläger die Wiederbestellung als Steuerberater wegen der Besorgnis mangelnder Erfüllung der Berufspflichten zu versagen sei, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden war. Er hat diese Besorgnis zunächst daraus hergeleitet, daß der Kläger durch rechtskräftiges Strafurteil wegen gemeinschaftlicher fortgesetzter Untreue und gemeinschaftlichen fortgesetzten Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden ist. Zwar knüpft die Ermessensentscheidung des Beklagten, daß die für eine Ausschließung aus dem Beruf angeführten Gründe fortbestünden und gegen die Wiederbestellung sprächen, unmittelbar an die nicht rechtskräftig gewordene berufsgerichtliche Entscheidung über den gegen den Kläger verhängten Ausschluß aus dem Beruf an. Die Bezugnahme dieser Entscheidung auf das Strafurteil und die weitere Begründung der Versagungsverfügung ergeben aber zweifelsfrei, daß der Beklagte die abgeurteilten Straftaten als das maßgebliche Verhalten des Klägers ansieht, das ihn zu der Besorgnis veranlaßt, dieser werde den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen. Im Hinblick darauf, daß der Kläger wegen schwerwiegender Vermögensdelikte zu einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist und er diese Straftaten - wie das FG festgestellt hat - gerade im Zusammenhang mit seinem Beruf als Steuerberater begangen hat, erscheint die vom Beklagten angenommene Besorgnis gerechtfertigt. Nach § 57 Abs. 1 und 2 StBerG haben Steuerberater ihren Beruf u. a. unabhängig, eigenverantwortlich und gewissenhaft auszuüben. Sie haben sich jeder Tätigkeit zu enthalten, die mit dem Beruf oder mit dem Ansehen des Berufs nicht vereinbar ist und sich auch außerhalb der Berufstätigkeit des Vertrauens und der Achtung würdig zu erweisen, die ihr Beruf erfordert. Daß die Einhaltung dieser allgemeinen Berufspflichten aufgrund der Schwere der vom Kläger begangenen Straftaten und ihrer Verknüpfung mit der Berufstätigkeit als Steuerberater gefährdet erscheint, versteht sich hier von selbst und bedurfte deshalb keiner näheren Begründung in der Versagungsverfügung.

Der Senat sieht im Gegensatz zu den hierzu vom FG geäußerten Zweifeln die Ermessenserwägungen des Beklagten auch im Hinblick darauf als ausreichend an, daß die Straftaten des Klägers im Zeitpunkt der Entscheidung etwa 10 Jahre zurückgelegen haben. Nach der Entscheidung in BFHE 138, 508, BStBl II 1983, 695 erfordert der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Berücksichtigung des Zeitablaufs bei der nach § 37 Abs. 3 Nr. 1 StBerG zu treffenden Ermessensentscheidung, wenn die dem Antragsteller vorgeworfenen Geschehnisse schon mehrere Jahre zurückliegen. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung eine Versagung der Zulassung zu einem steuerberatenden Beruf auf Dauer auch bei schwerwiegendem Fehlverhalten abgelehnt (vgl. Urteil vom 25. Mai 1971 VII R 55/69, BFHE 102, 192, BStBl II 1971, 501).

Der Beklagte hat in der Begründung der Versagungsverfügung ausgeführt, daß die Schwere der Straftat die Wiederbestellung zumindest für einen angemessenen Zeitraum, den er im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht für erfüllt gehalten hat, ausschließe. Er hat sich damit mit der Frage des Zeitablaufs auseinandergesetzt. Der Senat vermag im Rahmen seiner eingeschränkten Prüfungskompetenz (§ 102 FGO) die getroffene Ermessensentscheidung, wonach angesichts der Schwere der Straftaten der für eine Wiederbestellung notwendige Zeitraum im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung noch nicht abgelaufen war, auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht zu beanstanden.

Auch die weitere Begründung läßt hinsichtlich der Straftaten des Klägers und seiner Verurteilung eine Abwägung des Für und Wider der sich gegenüberstehenden Belange durch den Beklagten erkennen. So hat dieser geprüft, ob die Wiedergutmachung des angerichteten Schadens und der Gedanke der Resozialisierung, die zum Erlaß der Reststrafe des Klägers geführt haben, auch seine Wiederbestellung als Steuerberater gebieten. Das Ergebnis, daß die Frage der Resozialisierung hinter dem notwendigen Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Steuerberatern zurücktreten müsse, ist unter Ermessensgesichtspunkten ebensowenig zu beanstanden wie die weitere Erwägung des Beklagten, daß die Versagung der Wiederbestellung nicht zu einer sozialen Härte führe, weil der Kläger auch ohne Bestellung als Steuerberater seine Berufstätigkeit als Angestellter ausüben könne.

b) Der Beklagte hat die Ablehnung der Wiederbestellung des Klägers als Steuerberater auch damit begründet, daß dieser nach seinem Verzicht auf die Bestellung am 3. März 1978 weiterhin eigenverantwortlich die steuerberatende Tätigkeit ausgeübt habe, indem er bis zum August 1979 Geschäftsführer der GmbH geblieben sei und auch nach seiner Abberufung von diesem Amt mindestens bis zum Mai 1980 die tatsächliche Geschäftsführung dieser Steuerberatungsgesellschaft fortgeführt habe. Nach den Feststellungen des FG aufgrund der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme treffen die vom Beklagten gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zu. Das FG sieht allein aufgrund der unbefugten eigenverantwortlichen steuerberatenden Tätigkeit des Klägers nach dem Verzicht auf seine Bestellung die Versagungsverfügung des Beklagten als ermessensfehlerfrei an.

Der Senat ist als Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden, da sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflußt sind (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 10). Er folgt auch der rechtlichen Würdigung der Vorinstanz und der Verwaltungsbehörde, daß der Kläger durch den länger anhaltenden Verstoß gegen Vorschriften des StBerG zu erkennen gegeben habe, daß er nicht bereit sei, die Regelungen dieses Gesetzes zu beachten, und ihm deshalb die für einen Steuerberater erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Denn nach § 50 Abs. 1 und 2 StBerG kann nur ein Steuerberater, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Steuerbevollmächtigter Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft sein. Der Kläger mußte, nachdem er auf seine Bestellung als Steuerberater verzichtet hatte, sein Amt als Geschäftsführer der GmbH niederlegen und sich weiterer eigenverantwortlicher Steuerberatungstätigkeit enthalten (vgl. § 60 StBerG). Seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, er habe den Ausgang des Verfahrens auf Erteilung einer Genehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG abwarten wollen, zeigt, daß ihm der Verstoß gegen § 50 StBerG bewußt war. Die erklärte Absicht kann ihn nicht entlasten, da die Genehmigung zur Geschäftsführung durch ,,besonders befähigte Kräfte anderer Fachrichtungen" nach der genannten Vorschrift nur für die Zukunft wirken würde.

c) Die von der Revision erhobenen Einwendungen gegen die tatsächliche und rechtliche Würdigung durch das FG und den Beklagten greifen nicht durch.

aa) Soweit der Kläger unter Hinweis auf die von ihm im Klageverfahren in Bezug genommene Erklärung des Angestellten D. der Steuerberatungsgesellschaft einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten rügt, weil diese Erklärung im Widerspruch zu den Feststellungen des FG stehe, könnte darin die Rüge der Verletzung des § 96 Abs. 1 FGO liegen (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1966 V 220/63, BFHE 85, 60, BStBl III 1966, 233; Gräber, a.a.O., § 96 Anm. 2). Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es ist nicht ersichtlich, warum die im Klageverfahren angeführten früheren Äußerungen des Angestellten D. über die berufliche Qualifikation des Steuerberaters und Geschäftsführers B. das FG an seiner Tatsachenwürdigung hinsichtlich der Geschäftsführung des Klägers, zu der es aufgrund der Beweisaufnahme gelangt ist, hätte hindern können. Der Kläger hat weder gerügt, daß eine von ihm beantragte Vernehmung des Angestellten D. als Zeugen unterblieben sei, noch ist aus dem Revisionsvorbringen ersichtlich, auf welchen Zeitpunkt sich die in einem anderen Verfahren abgegebene schriftliche Erklärung dieses Angestellten bezieht und ob sie deshalb für den vorliegenden Rechtsstreit von Bedeutung ist. Auch wenn die Erklärung des D. den Feststellungen des FG widersprechen sollte, so ergibt sich aus ihnen nicht der vom Kläger gerügte Verstoß gegen die Denkgesetze. Das FG konnte im Rahmen der freien Beweiswürdigung den Aussagen der von ihm vernommenen Zeugen das größere Gewicht beimessen.

bb) Abgesehen davon, daß der Kläger mit neuem tatsächlichen Vorbringen die Feststellungen der Vorinstanz nicht angreifen könnte (§ 118 Abs. 2 FGO), folgt deren Unrichtigkeit nicht aus dem im Revisionsverfahren vorgelegten Auszug aus dem Berufsregister vom 4. Juni 1978. Daraus ergibt sich nur, daß der Kläger auf Veranlassung der Steuerberaterkammer im Berufsregister als Geschäftsführer der GmbH wegen Verzichts auf seine Bestellung als Steuerberater gelöscht worden ist, nicht aber auch die tatsächliche Beendigung seiner Geschäftsführung und deren Eintragung im Handelsregister für diesen Zeitpunkt.

cc) Die Schlußfolgerung des FG, der Kläger habe durch die Fortführung seiner Geschäftsführertätigkeit nach dem Verzicht auf die Bestellung gegen Standesgrundsätze und gegen § 50 StBerG verstoßen, steht nicht, wie der Kläger meint, in Widerspruch zu den Denkgesetzen. Der Kläger war auch nach dem Erlöschen seiner Bestellung als Steuerberater gehalten, die Vorschriften des StBerG zu beachten. Dazu gehörte insbesondere, daß er sich der Tätigkeiten enthielt, die - wie die Geschäftsführung für eine Steuerberatungsgesellschaft - seine Bestellung als Steuerberater voraussetzten.

dd) Das FG konnte im Rahmen seiner Gesamtwürdigung der fortbestehenden geschäftsführenden Tätigkeit des Klägers auch dessen Unterschriften unter den von der GmbH erstellten Bilanzen mitberücksichtigen. Näherer Ausführungen zur Rechtsfunktion dieser Unterschriften bedurfte es nicht. Der Senat sieht hierin im Gegensatz zum Kläger keine Vermengung von tatsächlichen Feststellungen mit der Rechtsanwendung.

ee) Bei dem vom Kläger vorgelegten Schreiben der Staatsanwaltschaft bei dem OLG über die Ermittlungen gegen den Zeugen B. wegen des Vorwurfs der falschen uneidlichen Aussage handelt es sich um eine neue Tatsache, die in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann. Ihre Berücksichtigungsfähigkeit kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß das Schreiben als Urkunde i. S. des § 580 Nr. 7 ZPO einen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens ergäbe (vgl. Gräber, a.a.O., § 118 Anm. 9 C.c.). Die darin mitgeteilte Tatsache, daß die Staatsanwaltschaft auf die Beschwerde des Klägers gegen einen einstellenden Bescheid in strafrechtliche Ermittlungen gegen den Rechtsanwalt B. eintreten werde, begründet noch nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens wegen urkundlich nachgewiesener Unglaubwürdigkeit des vom FG vernommenen Zeugen. Denn das Ergebnis der angekündigten Ermittlungen war völlig offen.

ff) Schließlich rügt der Kläger zu Unrecht, die Ermessensentscheidung des Beklagten sei nicht schlüssig begründet, weil sie darauf abstelle, daß dritte Personen die ihnen obliegenden Verpflichtungen als Geschäftsführer der GmbH nicht wahrgenommen hätten. Die Versagungsverfügung des Beklagten führt die Tatsache der nur formell ausgeübten Geschäftsführertätigkeit durch den Steuerberater A. und den Rechtsanwalt B. nur im Zusammenhang damit an, daß der Kläger auch nach dem Verzicht auf seine Bestellung als Steuerberater die Geschäfte der GmbH in vollem Umfang weitergeführt habe. Allein aufgrund dieses - durch die späteren Feststellungen des FG bestätigten - Verhaltens des Klägers selbst folgert der Beklagte, daß der Kläger nicht bereit sei, sich an die Vorschriften des StBerG zu halten.

Der Senat vermag demnach die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden, daß dem Kläger die Wiederbestellung als Steuerberater zu versagen sei, weil aufgrund der Schwere der begangenen Straftaten und der nachfolgenden Verstöße gegen die Vorschriften des StBerG, die im Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung erst kurze Zeit zurücklagen, die Besorgnis bestehe, daß er den Berufspflichten als Steuerberater nicht genügen werde.

 

Fundstellen

BFH/NV 1986, 497

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