Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendige Beiladung bei Klage gegen Einheitswert des Betriebsvermögens einer Personenhandelsgesellschaft

 

Leitsatz (NV)

Klagt eine Personengesellschaft gegen den Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens, sind die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung der Gesellschafter erfüllt, wenn sich die Zusammensetzung des Betriebsvermögens auch auf die Aufteilung des Einheitswerts auf die einzelnen Gesellschafter und damit die Höhe ihres Anteils am Einheitswert auswirkt.

 

Normenkette

FGO §§ 60, 48

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wird als GmbH & Co. KG (KG) betrieben. Zuvor war sie eine Aktiengesellschaft (AG). Geschäftsführerin ist die Z-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin).

Die AG hatte ihren damaligen Geschäftsführern A, B, C und D, die nach der Umwandlung in die KG zunächst persönlich haftende Gesellschafter der Klägerin waren, im Jahre 1941 Pensionszusagen erteilt. In den Jahren 1962 und 1965 wurden diese Zusagen durch die Klägerin ergänzt (u.a. durch Einfügung einer Unwiderruflichkeitsklausel) und 1977/1978 neu gefaßt. Weitere Pensionszusagen erteilte die Klägerin 1968 an ihren damaligen Gesellschafter-Geschäftsführer E sowie - 1968 und 1977 - an ihre Gesellschafter F, G und H, die am Stammkapital der GmbH beteiligt sind.

Die Klägerin machte bei der Einheitsbewertung ihres Betriebsvermögens die für die Pensionszusagen gebildeten Pensionsrückstellungen als Schuldposten geltend, und zwar zu den Bewertungsstichtagen 1. Januar 1976, 1. Januar 1977 und 1. Januar 1978 in Höhe von jeweils ... DM, zum Stichtag 1. Januar 1979 in Höhe von ... DM und zum Stichtag 1. Januar 1980 in Höhe von ... DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte diese Rückstellungen nur insoweit als Schuldposten an, als die Ansprüche durch A, B, C und D als Arbeitnehmer der AG bis zur Umwandlung am ... in die KG erdient worden waren, und zwar zum 1. Januar 1976 in Höhe von ... DM, zum 1. Januar 1977 in Höhe von ... DM, zum 1. Januar 1978 in Höhe von ... DM, zum 1. Januar 1979 in Höhe von ... DM und zum 1. Januar 1980 in Höhe von ... DM. Dementsprechend erließ das FA nach einer Betriebsprüfung gemäß § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf den 1. Januar der Jahre 1976, 1978 und 1979 Wertfortschreibungsbescheide und zum 1. Januar der Jahre 1977 und 1980 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Hauptfeststellungsbescheide bezüglich des Einheitswerts des Betriebsvermögens und rechnete die Erhöhung des Einheitswerts aufgrund der Nichtberücksichtigung der Pensionsrückstellungen den Gesellschaftern im Verhältnis der jeweiligen Beteiligungsquoten zu.

Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Während des Klageverfahrens wurde der angefochtene Hauptfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1980 gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert. Auf Antrag der Klägerin wurde der Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Klageverfahrens. Das Finanzgericht (FG) hat - im Gegensatz zum gleichzeitig anhängigen Klageverfahren wegen Gewinnfeststellung 1979 - die Gesellschafter der Klägerin nicht zum Verfahren beigeladen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG lehnte den Abzug der streitigen Pensionsrückstellungen unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 7. Dezember 1984 III R 82/79 (BFHE 143, 97, BStBl II 1985, 239) ab; danach entstünden im Verhältnis zwischen der Personengesellschaft und den Gesellschaftern regelmäßig weder Forderungen noch Schulden. Die Erhöhung des Einheitswerts des Betriebsvermögens aufgrund der Nichtberücksichtigung der Pensionsrückstellungen nach dem BFH-Urteil vom 23. Januar 1953 III 14/52 U (BFHE 57, 177, BStBl III 1953, 70) sei den Mitgesellschaftern im Verhältnis der jeweiligen Beteiligungsquoten zuzurechnen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Denn das FG hat die Gesellschafter der Klägerin nicht zu dem Verfahren beigeladen, die durch die Feststellung und die damit notwendig verbundene Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin selbst berührt werden.

Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 48 FGO müssen Dritte notwendig beigeladen werden, wenn sie an einem Rechtsstreit derart beteiligt sind, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese Voraussetzung ist bei einer Personengesellschaft, die gegen einen Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens Klage erhoben hat und die Feststellung eines niedrigeren Einheitswerts begehrt, jedenfalls dann erfüllt, wenn sich die Zusammensetzung des Betriebsvermögens auch auf die Aufteilung auf die einzelnen Gesellschafter und damit die Höhe ihres Anteils am Einheitswert auswirkt. Soweit es sich darum handelt, wie sich der festgestellte Einheitswert des Betriebsvermögens auf die einzelnen Beteiligten verteilt, ist jeder Gesellschafter nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO klagebefugt, der durch die mit der Einheitswertfeststellung verbundene Aufteilung berührt wird; soweit es bei der Aufteilung des Einheitswerts des Betriebsvermögens darum geht, bestimmte Wirtschaftsgüter einzelnen Gesellschaftern vorweg zuzurechnen, ergibt sich die Klagebefugnis aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO. Die Klagebefugnis der Komplementärin folgt aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO.

Im Streitfall kann die Entscheidung über den von der Klägerin begehrten Abzug der Pensionsrückstellungen als Schuldposten nicht allein auf die Höhe des Einheitswerts beschränkt werden. Denn geht man mit dem FG davon aus, daß im Verhältnis zwischen Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern regelmäßig weder Forderungen noch Schulden bestehen und daß die gegenüber einzelnen Gesellschaftern erteilten Pensionszusagen den Einheitswert des Betriebsvermögens nicht mindern können, so muß doch - wozu das angegriffene Urteil allerdings keine ausreichenden Feststellungen enthält - gleichzeitig entschieden werden, ob sich die Nichtanerkennung des von der Klägerin geltend gemachten Schuldpostens auf die Aufteilung des Einheitswerts nach Maßgabe des allgemeinen Aufteilungsmaßstabs (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 24. Juni 1981 III R 49/78, BFHE 134, 157, BStBl II 1982, 2) bei sämtlichen Gesellschaftern oder - als Folge der Vorwegzurechnung eines entsprechenden Pensionsanspruchs - nur auf die Höhe des Einheitswertanteils der durch die Pensionszusage begünstigten Gesellschafter auswirkt. Diese Entscheidung kann nur einheitlich ergehen. Aus diesem Grunde bedarf es der Beiladung aller Gesellschafter, einschließlich der Komplementärin, die selbst keine Klage erhoben hat.

Die Unterlassung einer notwendigen Beiladung stellt einen von Amts wegen zu beachtenden Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1966 III 96/62, BFHE 85, 327, BStBl III 1966, 327). Auf die notwendige Beiladung kann weder verzichtet, noch kann sie in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (§ 123 FGO; BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Ist eine notwendige Beiladung unterblieben, muß die Entscheidung des FG aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit die Beiladung nachgeholt werden kann (BFH-Urteil vom 21. Juni 1988 VIII R 93/87, BFH/NV 1989, 589).

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 493

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