Leitsatz (amtlich)

Wälzt der Arbeitgeber das Risiko und die Kostentragung der Altersversorgung seiner Arbeitnehmer in der Weise von sich ab, daß er zugunsten der Arbeitnehmer Versicherungsverträge abschließt, aus denen den Arbeitnehmern unmittelbar eigene Ansprüche gegen das Versicherungsunternehmen zustehen, so kann er bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens die Last zur Zahlung künftiger Versicherungsbeiträge nicht als Betriebsschuld abziehen.

 

Normenkette

BewG 1965 § 103 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Klägerin hat in ihrer Vermögenserklärung auf den 1. Januar 1966 eine "Beitragsleistungspflicht für Lebensversicherungen von Arbeitnehmern" in Höhe von 423 489 DM als Schuldposten eingesetzt. Sie hatte im Mai 1965 mit einer Versicherungsgesellschaft einen Firmengruppenvertrag abgeschlossen, dessen Zweck die Sicherstellung einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung für ihre Betriebsangehörigen war. Die aufgrund dieses Vertrages für die einzelnen Betriebsangehörigen von ihr zu leistenden Beiträge hat die Klägerin mit dem sich nach der Hilfstafel zu § 13 Abs. 1 BewG 1965 (künftig: BewG) für die vermutliche Laufzeit der Versicherungen ergebenden Vervielfältiger kapitalisiert. Das ergab die Summe von 423 489 DM. Das FA hat bei der Feststellung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1966 diesen Schuldposten mit der Begründung gestrichen, daß es sich nicht um eine bewertungsfähige Schuldverpflichtung im Sinne des BewG handle. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Klage blieb ebenfalls erfolglos. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Verpflichtung der Klägerin, die sich jährlich ergebenden und ebenso fällig werdenden Prämien für die Versicherungen ihrer Betriebsangehörigen zu zahlen, sei keine Betriebsschuld im Sinne des § 103 BewG. Die Zahlungsverpflichtung könne deshalb auch nicht nach bewertungsrechtlichen Vorschriften kapitalisiert und bei der Ermittlung des Einheitswerts für das Betriebsvermögen der Klägerin auf den 1. Januar 1966 als Schuldposten abgezogen werden. Ebenso wie bei künftigen Mietzinsund Lohnzahlungen, die in einem auf Dauer gerichteten Vertrag ihre Grundlage hätten, hätte die Klägerin bei ihren künftigen Prämienzahlungen auf der anderen Seite Gegenansprüche auf Leistung des Versicherers bei Eintritt des Versicherungsfalls. Es könne ihr zwar darin zugestimmt werden, daß sie durch die laufenden Zahlungen am Stichtag belastet gewesen sei. Dieser Last hätten aber ihre Ansprüche gegen die Versicherung auf Zahlung der Versicherungssumme im Fall des Todes eines Arbeitnehmers oder bei Erreichen der Altersgrenze von 65 Jahren gegenübergestanden. Nach Rechtsprechung und Schrifttum komme dann ein Abzug der Versicherungsprämie nicht in Betracht. Es handle sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht um wiederkehrende Leistungen. Wiederkehrende Leistungen setzten eine einseitige Leistung des Arbeitgebers voraus. Die Prämienzahlungen der Klägerin würden aber dafür erbracht, daß die Versicherung als Gegenleistung das Risiko trage und im Versicherungsfall die Versicherungssumme zahle.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das Urteil des FG aufzuheben und den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1966 unter Berücksichtigung des Kapitalwerts der Beitragsverpflichtungen in Höhe von 423 489 DM als Betriebsschuld festzustellen. Es wird gerügt, daß das angefochtene Urteil von einer unzutreffenden Würdigung der vorliegenden versicherungsrechtlichen Beiträge ausgehe und daher auf bewertungsrechtlichem Gebiet zu falschen Schlußfolgerungen bezüglich des Vorliegens einer bewertungsfähigen Last komme. Das FG gehe von einem gegenseitigen Vertrag zwischen ihr, der Klägerin, und der Versicherungsgesellschaft aus. Es nehme an, daß die beiden Vertragspartner sich gegenseitige gleichwertige Leistungen schuldeten. Diese Auffassung des FG treffe nicht zu. Der Klägerin ständen aus dem Vertrag keine Rechte zu, insbesondere fehle ihr der Anspruch auf die Zahlung der Versicherungssumme bei Eintritt des Versicherungsfalls. Die Klägerin stehe auch nicht unter dem Risiko, an ihre Arbeitnehmer einmal eine Versorgungssumme zahlen zu müssen, weshalb sich für sie die Rückdeckungsversicherung eines solchen Risikos überhaupt erübrige. Die Rechtsprechung, auf die sich das FG berufen habe, beziehe sich auf Rückdeckungsversicherungen. Die Leistungen, zu denen die Klägerin sich verpflichtet habe, seien einseitige Leistungen. Die Bewertungsregeln für schwebende Geschäfte seien hierauf nicht anwendbar. Die Verpflichtung zur Prämienzahlung bestehe außer im Verhältnis zum Arbeitnehmer auch gegenüber dem Versicherungsunternehmen. Diese Verpflichtung könne nur unter der auflösenden Bedingung der Vertragskündigung beseitigt werden. Da der Vertrag aber zugunsten Dritter abgeschlossen worden sei, sei eine Kündigung nicht möglich. Aus dem Umstand, daß es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter handele, folge weiterhin, daß der Klägerin keine Gegenwerte zuwüchsen. Die Beitragsverpflichtung der Klägerin stehe auch in keiner Beziehung zur Arbeitsleistung oder zum Arbeitsentgelt der versicherten Betriebsangehörigen. Es sei insbesondere bedeutsam, daß die Prämien auch entrichtet würden im Falle lang anhaltender Krankheit oder im Fall eines unbezahlten Urlaubs und auch im Fall der Abwesenheit infolge Wehrdienstes. Die Prämienzahlungen seien vergleichbar mit den Ruhegehaltszahlungen nach Eintritt des Versorgungsfalls. Aus der einkommensteuerlichen Zuordnung der Leistungen beim Empfänger als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit könne nicht auf die bewertungsrechtliche Behandlung beim Leistenden geschlossen werden. In der Literatur werde bei der Behandlung der Direktversicherungen zugunsten der Arbeitnehmer auf das Urteil des RFH VI A 772/30 vom 8. Juli 1931 (RStBl 1931, 644) verwiesen. Dieses Urteil decke jedoch nicht den hier vorliegenden Sachverhalt. Die Pflicht der Klägerin zur Prämienzahlung sei unbedingt und dauere bis zum Eintritt des Versicherungsfalles an. Die mögliche vorzeitige Beendigung durch Ausscheiden des Arbeitnehmers stelle eine auflösende Bedingung dar, die bewertungsrechtlich nicht von Belang sei.

Das FA hat beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unbegründet.

Die Altersversorgung der Arbeitnehmer eines Betriebs kann in verschiedener Weise ausgestaltet werden:

1. Der Arbeitgeber kann die Versorgung seiner Arbeitnehmer in der Weise vornehmen, daß er seinen Arbeitnehmern rechtsverbindliche Pensionszusagen macht. Einer solchen rechtsverbindlichen Pensionszusage steht es gleich, wenn aufgrund jahrelanger tatsächlicher Übung oder aufgrund anderer Umstände eine rechtsähnliche Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung von Pensionsleistungen anzunehmen ist. In diesen Fällen trägt der Arbeitgeber das Risiko selbst, er erfüllt die beim Eintritt des Pensionsfalls zu erbringenden Leistungen auf eigene Kosten. Diesem Umstand wird bewertungsrechtlich dadurch Rechnung getragen, daß der Arbeitgeber nach § 104 BewG bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens Pensionsverpflichtungen auch gegenüber den Arbeitnehmern abziehen kann, bei denen der Versicherungsfall noch nicht eingetreten ist. Die Höhe dieser Pensionsverpflichtungen wächst an den einzelnen Stichtagen von der Zusage bis zum Eintritt des Versorgungsfalls ständig an. Daraus ist zu ersehen, daß sie der Ansammlung eines Deckungskapitals für die zu erbringenden Leistungen bis zum Eintritt des Versorgungsfalls dienen soll. Dem Risiko des vorzeitigen Eintritts des Versorgungsfalls ist dadurch Rechnung getragen, daß in einem solchen Fall die Pensionsverpflichtung auf den sich nach § 14 BewG ergebenden Kapitalwert erhöht werden kann. Der Abzug der Pensionsverpflichtungen nach Eintritt des Versorgungsfalls nach § 14 BewG ist auch in den Fällen zulässig, in denen sich der Arbeitgeber zur Erfüllung seiner laufenden Pensionsverpflichtungen einer Unterstützungskasse bedient (vgl. Urteil des BFH III 108/55 U vom 9. August 1957, BFH 65, 272, BStBl III 1957, 338). Macht der Arbeitgeber allerdings laufende Zuweisungen an die Unterstützungskasse, so kann er nur den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kassenvermögen und dem Kapitalwert der Leistungen abziehen (vgl. BFH-Urteil III 28/61 U vom 22. Oktober 1965, BFH 84, 4, BStBl III 1966, 3).

2. Der Arbeitgeber kann das Risiko und die Kostentragung für die zugesagten Pensionsleistungen dadurch von sich abwälzen, daß er für diese künftigen Leistungen Rückdeckungsversicherungen abschließt, aus denen ihm selbst Ansprüche in Höhe der zugesagten Leistungen erwachsen. Auch in diesen Fällen ist der Abzug der Pensionsverpflichtungen nach § 104 BewG bzw. nach Eintritt des Versorgungsfalls nach § 14 BewG zulässig. Andererseits muß der Arbeitgeber seine Ansprüche aus den Rückdeckungsversicherungen im Betriebsvermögen als Besitzposten ansetzen, und zwar auch dann, wenn es sich um sogenannte kongruente Rückdeckungsversicherungen handelt (vgl. BFH-Urteil III 69/65 vom 6. Februar 1970, BFH 98, 511, BStBl II 1970, 448). Ein Abzug des Kapitalwerts der für die Rückdeckungsversicherungen zu erbringenden Versicherungsbeiträge ist in diesen Fällen nicht zulässig, und zwar nach dem BFH-Urteil III 212/56 S vom 1. Dezember 1961 (BFH 74, 254, BStBl III 1962, 98) auch nicht anstelle der Pensionsverpflichtungen.

3. Der Arbeitgeber kann das Risiko und die Kostentragung für die zugesagten Pensionsleistungen in der Weise von sich abwälzen, daß er zugunsten seiner Arbeitnehmer Versicherungsverträge abschließt, aus denen den Arbeitnehmern unmittelbar eigene Ansprüche gegen das Versicherungsunternehmen zustehen. Es ist dabei unerheblich, ob diese Versicherungen der Rückdeckung von Pensionszusagen des Arbeitgebers dienen, oder ob der Arbeitgeber - wie im Streitfall die Klägerin - gegenüber den Arbeitnehmern gar keine Pensionsverpflichtungen eingeht, sondern sich von vornherein nur zum Abschluß solcher Versicherungen verpflichtet. Entscheidend ist allein, daß die Ansprüche aus den Versicherungsverträgen nicht ihm, dem Arbeitgeber, sondern unmittelbar den Arbeitnehmern zustehen. Nach der früheren Rechtsprechung des RFH (vgl. Urteile III A 36/36 vom 26. März 1936, RStBl 1936, 689, und III 58/41 vom 15. Januar 1942, RStBl 1942, 507) konnte in diesen Fällen ebenso wie in den Fällen der Rückdeckungsversicherung ohne eigene Ansprüche der Arbeitnehmer der Kapitalwert der Beiträge des Arbeitgebers an das Versicherungsunternehmen vom Betriebsvermögen abgezogen werden. Diese Rechtsprechung hat jedoch der RFH in dem Urteil III 39/43 vom 9. März 1944, RStBl 1944, 180, aufgegeben, weil er die Zahlung von Beiträgen an das Versicherungsunternehmen durch den Arbeitgeber als Zahlung von Arbeitslohn ansah. Er hat dazu wörtlich ausgeführt: "Der Fall liegt nicht anders, wie wenn die Beschwerdeführerin den Angestellten einen höheren Lohn zahlen, sie aber gleichzeitig verpflichten würde, einen Teil dieses Lohns zu einer eigenen Rentenversicherung zu verwenden. Es handelt sich bei den Beiträgen um laufende Zahlungen aus einem schwebenden Arbeitsverhältnis, die ihren Gegenwert in der Arbeitsleistung der Angestellten finden. Die Verpflichtung zur Leistung der Beiträge kann daher ebensowenig eine abzugsfähige Schuld begründen, wie die Last zur Zahlung von Arbeitslohn aus dem Arbeitsvertrag." Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Entgegen der Meinung der Klägerin bestehen zwischen den künftig zu erbringenden Beiträgen an das Versicherungsunternehmen und den künftigen Leistungen der Arbeitnehmer aufgrund der Arbeitsverträge enge Beziehungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sind Leistungen der betrieblichen Altersversorgung keine Geschenke, sondern entgeltliche Gegenleistungen des Arbeitgebers, die in dem Arbeitsverhältnis als Austauschverhältnis ihre Rechtsgrundlage haben (vgl. Hilger in BB 1970, 813 und die dort in der Fußnote 1 angegebenen Entscheidungen des BAG). Das BAG hat dazu in dem Urteil 3 AZR 55/66 vom 29. Juli 1967 (BAGE 20, 11) ausgeführt: "Auch dann, wenn ein Arbeitgeber einem noch in seinen Diensten stehenden Arbeitnehmer bestimmte Mittel zuwendet, die der Arbeitnehmer für seine Altersversorgung verwenden soll, tut er das nicht schenkungshalber, sondern auf Grund seiner Fürsorgepflicht in Anerkennung geleisteter Dienste, mindestens dann, wenn der gezahlte Betrag seiner Höhe nach in Anbetracht der betrieblichen Verhältnisse sowie der sonstigen Umstände (Dauer des Arbeitsverhältnisses, Höhe der Bezüge des Arbeitnehmers) angemessen erscheint. Dann ist die Beziehung zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben, die die Leistung des Arbeitgebers als entgeltlich erscheinen lassen." Schon in diesen Ausführungen wird der Versorgungs- und der Entgeltscharakter der Leistungen der betrieblichen Altersversorgung erwähnt. Noch deutlicher kommt das in dem Urteil des BAG 3 AZR 119/69 vom 31. Oktober 1969, BB 1970, 396, zum Ausdruck, in dem es heißt: "Die Altersversorgung ist nicht nur eine Maßnahme der Fürsorge des Arbeitgebers, sondern auch eine Gegenleistung für die Dienste des Arbeitnehmers, gleichgültig, in welcher Rechtsform der Arbeitgeber sie durchführt." Auch Hilger (a. a. O.) hebt hervor, daß nach der Rechtsprechung des BAG die Altersversorgung Versorgungs- und Entgeltscharakter hat (vgl. auch Rother, Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen 1970 S. 72).

Der Senat tritt dieser Rechtsprechung des BAG bei. Sie entspricht auch der Behandlung der Leistungen der Altersversorgung als lohnsteuerpflichtige Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 LStDV). Wendet man sie auf den Streitfall an, so ergibt sich der Entgelts-Charakter der Zusage an die Arbeitnehmer und der daraus entspringenden Verpflichtung zur Zahlung der Versicherungsbeiträge besonders deutlich aus § 11 des Gruppenversicherungsvertrages. Dort ist für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens eines versicherten Betriebsangehörigen aus den Diensten der Klägerin die Beendigung der Beitragszahlung und des Versicherungsschutzes vereinbart. In dieser Vereinbarung zeigt sich die enge Verbindung mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Es zeigt sich, daß die Klägerin die Leistung der Versicherungsbeiträge als ein Entgelt der geleisteten Dienste ansieht, und zwar die bereits gezahlten Versicherungsbeiträge als Entgelt für die bereits geleisteten Dienste, die künftig zu zahlenden Versicherungsbeiträge als Entgelt für die künftig vom Arbeitnehmer zu leistenden Dienste. Dem steht nicht die weitere Vereinbarung entgegen, daß die Klägerin in diesen Fällen entscheidet, ob sie sich die bedingungsgemäße Rückvergütung bar auszahlen oder mit den laufenden Beiträgen für die Gruppenversicherung verrechnen oder auf die Versicherung eines von ihr innerhalb von zwei Jahren neu anzumeldenden Betriebsangehörigen anrechnen lassen oder ob sie die Ansprüche, Rechte und Pflichten aus der Versicherung auf den ausscheidenden Versicherten übertragen will. Diese Vereinbarung erklärt sich daraus, daß die Klägerin im Fall des vorzeitigen Ausscheidens eines Arbeitnehmers auf die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit und auf den Grund seines Ausscheidens abstellen will. Ist aber die Last zur Zahlung künftiger Versicherungsbeiträge ein Ausfluß des Dauerarbeitsverhältnisses, so kann sie ebensowenig abgezogen werden, wie die ebenfalls auf diesem Arbeitsverhältnis beruhende Last zur Zahlung künftiger Arbeitslöhne und Gehälter. Das FG hat deshalb im Ergebnis zu Recht den von der Klägerin begehrten Abzug verwehrt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69145

BStBl II 1970, 798

BFHE 1971, 114

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