Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung des Wertes unbarer Altenteilsleistungen

 

Leitsatz (NV)

1. Der Wert als Sonderausgaben abziehbarer unbarer Altenteilsleistungen konnte in den Veranlagungszeiträumen 1975 und 1976 in Anlehnung an die Bekanntmachung über die Bewertung der Sachbezüge beim Steuerabzug vom Arbeitslohn im Land Baden-Württemberg vom 5. Dezember 1974 (BStBl I 1975, 60) und vom 27. November 1975 (BStBl I 1975, 1122) geschätzt werden.

2. Die Regelsätze des § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG, der Förderungsbetrag nach § 11 Abs. 1 BAföG und der Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG waren keine tauglichen Schätzungsmaßstäbe.

 

Normenkette

EStG 1975 § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 33a Abs. 1; SachbezV 1978 § 1; BSHG § 22; BAföG § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Bewertung unbarer Altenteilsleistungen.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs; ferner betreibt er eine Gastwirtschaft. Mit Vertrag vom 21. April 1966 hatten die Eltern der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ihren landwirtschaftlichen Betrieb den Klägern unentgeltlich übertragen. Die Kläger verpflichteten sich u. a. zu folgenden Altenteilsleistungen an die Eltern:

- Übernahme der Kosten für Heizung, Strom und Wasser, Müllabfuhr und Kaminfeger,

- Lieferung von Naturalien; an Stelle dieser Lieferungen konnten die Eltern ,,nach ihrer Wahl am Tisch der Übernehmer mitessen". Beide Altenteilsberechtigte haben das Wahlrecht im Sinne der Teilnahme an den Mahlzeiten der Kläger ausgeübt;

- Zahlung einer Geldrente in bar in Höhe von monatlich 60 DM. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß in beiden Streitjahren jeweils 1 200 DM gezahlt worden sind.

In den Einkommensteuererklärungen beantragten die Kläger, eine dauernde Last in Höhe von jährlich 1 200 DM für Barleistungen und von 4 500 DM (1975) bzw. 4 800 DM (1976) für Naturalleistungen zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gewährte ,,zur Abgeltung der vollständigen Verpflegung für ein Altenteilerpaar" einen Abzugsbetrag von jährlich 3 950 DM; die Aufwendungen für Heizung, Beleuchtung usw. bewertete er mit jährlich 150 DM. Diese Sätze entsprächen den Sachbezugswerten für die Lohnsteuer 1977.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Gesamtbetrag der vom FA anerkannten Beträge sei nicht zu beanstanden. Zwar sei der Kostenanteil für Heizung und sonstige Nebenkosten auf jährlich 500 DM zu schätzen. Andererseits habe das FA den Verpflegungskostenanteil insofern zu hoch bewertet, als es die für das Jahr 1977 geltenden Sachbezugswerte (Bekanntmachung des Finanzminsteriums Baden-Württemberg vom 30. November 1976, BStBl I 1976, 686, Arbeitnehmergruppe 2) an Stelle der entsprechend niedrigeren, für die Streitjahre gültigen Werte zugrunde gelegt habe. Insoweit seien für das Streitjahr 1975 der Betrag von 3 500 DM und für das Streitjahr 1976 der Betrag von 3 694 DM anzusetzen. Die zur Erleichterung des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber festgesetzten Werte seien ein tauglicher Schätzungsmaßstab. Die Pauschalwerte zur Bemessung von Unterhalts- und ähnlichen Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und nach § 33 a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Richtsätze der Finanzverwaltung für die Bemessung des Eigenverbrauchs bei Gaststätten seien keine tauglichen Schätzungsmaßstäbe.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe fehlerhafte Schätzungsmaßstäbe angewandt. Der beanspruchte Betrag von 2 400 DM für die volle Verpflegung pro Person und Jahr liege im untersten Bereich aller vergleichbaren Schätzungsgrundlagen.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuerbescheide für 1975 und 1976 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 13. Februar 1980 in der Weise abzuändern, daß die Einkommensteuer 1975 auf 368 DM und die Einkommensteuer 1976 auf 236 DM festgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Schätzung des Wertes der unbaren Altenteilsleistungen durch das FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Unbare Altenteilsleistungen sind mit ihrem tatsächlichen Wert zu bewerten (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH- vom 9. Oktober 1975 IV R 161/71, BFHE 117, 158, BStBl II 1976, 67; vom 30. April 1976 VI R 34/75, BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539). Die Höhe der gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgaben (dauernde Last) abziehbaren unbaren Altenteilslasten ist - mangels Einzelnachweises - in der Regel zu schätzen. Die Feststellung der tatsächlichen Schätzungsgrundlagen obliegt dem FG als Tatsachengericht. Der BFH als Revisionsinstanz ist nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die in dem Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, es sei denn, daß in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen erhoben worden sind. Das Revisionsgericht darf nur nachprüfen, ob die Schätzung zulässig war und ob das FG anerkannte Schätzungsgrundsätze, die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. BFH-Urteile vom 25. März 1988 III R 96/85, BFHE 153, 119, 122, BStBl II 1988, 655; vom 18. Januar 1989 X R 10 /86, BFHE 156, 110).

2. Die Schätzung des Verpflegungsaufwandes durch das FG ist rechtsfehlerfrei.

a) Das FG hat den Aufwand geschätzt auf der Grundlage der Bekanntmachungen über die Bewertung der Sachbezüge beim Steuerabzug vom Arbeitslohn im Land Baden-Württemberg vom 5. Dezember 1974 (BStBl I 1975, 60; Geltung ab 1. Januar 1975) und vom 27. November 1975 (BStBl I 1975, 1122; Geltung ab 1. Januar 1976). Auf der Grundlage dieser Verwaltungsanweisungen errechnen sich Abzugsbeträge für volle Verpflegung in Höhe von 3 500 DM (1975) und 3 694 DM (1976). Das FG hat dargelegt, daß diese Werte den tatsächlichen durchschnittlichen Aufwand des zur Gewährung der Sachbezüge Verpflichteten wiedergeben. Da sich der Gegenstand der Verpflichtung jeweils auf die Gewährung üblicher Mahlzeiten erstrecke, könne die Verpflichtung inhaltlich mit den Pflichten des Arbeitgebers gegenüber Arbeitnehmern verglichen werden. Das FG hat hierzu hingewiesen auf die Entwicklung der Werte nach Ergehen der Verordnung über den Wert der Sachbezüge in der Sozialversicherung für das Kalenderjahr 1978 (Sachbezugsverordnung 1978 - SachbezV 1978 -, BGBl I 1977, 3156). Diese Werte würden von den durch die Finanzverwaltung in den Vorjahren festgestellten Werten nur in geringem Umfang abweichen.

Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Bezogen auf die Verhältnisse des Streitfalls ergäbe sich auf der Grundlage des § 1 SachbezV 1978 für das Jahr 1978 ein Wert der vollen Verpflegung in Höhe von 4 536 DM. Dieser Wert stellt den ,,tatsächlichen Verkehrswert" im Sinne der Verordnungsermächtigung des § 17 Abs. 1 Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3845) dar. Der Verordnungsgeber ist von den in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des vom Statistischen Bundesamt für das Jahr 1973 ermittelten Ausgaben als statistischer Grundlage ausgegangen, wobei von den Aufwendungen privater Haushalte die der Arbeiterhaushalte (Ehepaar ohne Kind) zugrunde gelegt wurden; der Ansatz für Verpflegung wurde der Gruppe Nahrungs- und Genußmittel entnommen, wobei einige Ansätze wie z. B. Tabakwaren, alkoholische Getränke, Speisen und Mahlzeiten in Gaststätten außer Betracht blieben (BRDrucks 509/77, S. 6). Bei einer Rückrechnung von diesem Ausgangswert unter Berücksichtigung einer angemessenen Preissteigerungsrate können die vom FG geschätzten Werte - in einem unteren Schätzungsbereich (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 1979 VI R 112/79, BFHE 129, 158, BStBl II 1980, 122 unter 2. c) - als noch vertretbar hingenommen werden.

b) Das FG hat die von den Klägern beanspruchten anderweitigen Schätzungsmaßstäbe zu Recht nicht angewandt. Die Regelsätze des § 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG - Regelsatzverordnung - vom 20. Juli 1962 (BGBl I 1962, 515) decken mit der Umschreibung eines sozialen Existenzminimums inhaltlich umfassend den notwendigen Lebensbedarf ab. Ausbildungsförderung nach § 11 Abs. 1 BAföG vom 26. August 1971 (BGBl I 1971, 1409) wird ,,für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet". Der Freibetrag nach § 33 a Abs. 1 EStG wird gewährt für typische Unterhaltskosten einschließlich der Aufwendungen für Verpflegung und zusätzlich für Wohnung und Kleidung des Unterhaltenen (vgl. BFH-Urteil vom 5. September 1980 VI R 75/80, BFHE 131, 475, BStBl II 1981, 31). Das Urteil in BFHE 119, 54, BStBl II 1976, 539, steht der Rechtsauffassung des erkennenden Senats nicht entgegen. In diesem Urteil hat der VI. Senat des BFH die vorstehend genannten Vergleichsmaßstäbe zur Begründung dafür herangezogen, daß für eine der Gewinnermittlung des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen (GDL) vom 15. September 1965 (BGBl I 1965, 1350) angepaßte Typisierung von Altenteilsleistungen durch Ansatz niedriger Pauschbeträge die Rechtsgrundlage fehlt. Eine Aussage des Inhalts, daß diese Vergleichsmaßstäbe verbindlich wären, enthält das Urteil des VI. Senats nicht.

Auch der Einwand der Kläger, das FG hätte sich an den von der Finanzverwaltung zur Bemessung des Eigenverbrauchs bei Gaststätten mit Abgabe von warmen und kalten Speisen festgesetzten Richtsätzen orientieren müssen, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Es kann hier dahingestellt bleiben, mittels welchen ,,Warenkorbs" und welcher Bewertungsmaßstäbe diese Richtsätze ermittelt worden sind. Das FA hat unwidersprochen vorgetragen, die Kläger selbst hätten bei der Ermittlung der Einkünfte aus der Gastwirtschaft als Eigenverbrauch für die Beköstigung des Altenteilerpaares einen Pauschbetrag von jährlich 3 264 DM gebucht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416453

BFH/NV 1990, 221

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge