Leitsatz (amtlich)

Zur Bildung von Rückstellungen wegen drohender Inanspruchnahme aus an eine Bank abgetretenen Teilzahlungsforderungen.

 

Normenkette

BewG 1965 §§ 103, 109 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens für drohende Verluste aus Teilzahlungsgeschäften Rückstellungen bilden kann.

Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die sich in der Vergangenheit mit dem Verkauf von ...-Geräten beschäftigte. Die Verkäufe wurden überwiegend als Teilzahlungsgeschäfte abgeschlossen.

Die Teilzahlungsgeschäfte wurden von der A-Bank (A) finanziert. Dafür diente ein Rahmenvertrag zwischen der Lieferfirma und A als Grundlage. Die Geschäfte wurden wie folgt abgewickelt: Auf den Kaufpreis leistete der Kunde eine Anzahlung. Die verbleibende Restkaufpreisforderung trat die Klägerin an A gegen Zahlung des Restkaufpreises ab. Die Kunden zahlten die laufenden Raten an A. Die Klägerin übernahm gegenüber A ausdrücklich die Haftung für den Eingang der Raten. Kam ein Kunde mit Raten in Rückstand, so wurde er von der Bank zweimal gemahnt. Wurde der Rückstand nicht getilgt, wurde der Kunde von einem Rechtsanwalt zur Zahlung aufgefordert. Blieb auch dann noch ein Rückstand von mehr als 2 1/2 Raten, so war A berechtigt, nach Ablauf einer weiteren Frist von 25 bis 35 Tagen die Klägerin mit dem noch offenen Betrag zurückzubelasten. Sie trat gleichzeitig mit der Rückbelastung die noch bestehende Restkaufpreisforderung wieder an die Klägerin ab. In der Praxis erfolgte allerdings die Rückbelastung nicht nach Ablauf der Frist von 25 bis 35 Tagen, sondern wesentlich später. Dies hatte seinen Grund in dem mit den Rückbelastungen verbundenen erheblichen zeitlichen und verwaltungsmäßigen Aufwand der Bank. Die Bank konnte Raten auch stunden. Von den Mahnungen und Stundungen erhielt die Klägerin jeweils eine Durchschrift.

In den Handels- und Steuerbilanzen aktivierte die Klägerin die rückbelasteten Kaufpreisforderungen und bildete Wertberichtigungsposten in Höhe von 40 v. H. Außerdem bildete sie Rückstellungen für die drohenden Verluste aus künftigen Rückbelastungen in Höhe von 7 v. H. des Gesamtbestands der an den Bilanzstichtagen verkauften Teilzahlungsverträge.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat die Einheitswerte des Betriebsvermögens für die Klägerin zu den einzelnen Stichtagen ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Rückstellungen festgestellt.

Die Klägerin begehrt, bei diesen Einheitswerten die drohenden Verluste aus künftigen Rückbelastungen als Rückstellungen zuzulassen. Sie beziffert den Schuldabzug mit 30 v. H. der in den Handels- und Steuerbilanzen gebildeten Rückstellungen.

FA und Finanzgericht (FG) haben die Anerkennung der Rückstellungen versagt. Das FG bezog sich auf die Rechtsprechung zum Wechselobligo, wonach Rückstellungen für die drohende Inanspruchnahme aus Wechseln nicht als Schuld abgezogen werden können.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend:

Das FG habe zu Unrecht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme durch A abgestellt. Dieser Zeitpunkt liege jedoch zu spät, weil ihr das Ausmaß der drohenden Rückbelastung bereits früher bekannt gewesen sei. Der Rechtsprechung sei der allgemeine Rechtsgrundsatz zu entnehmen, daß Rückstellungen bereits dann gebildet werden könnten, wenn für den Schuldner "feste Anhaltspunkte" beständen, daß er in Zukunft in Anspruch genommen werde. Dieser Rechtsgrundsatz ergebe sich aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 19. Dezember 1941 III 140/41 (RStBl 1942, 354 - Gewährleistungsverpflichtungen eines Herstellers von Klavieren usw. für am Stichtag bereits hervorgetretene Mängel -) sowie den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Oktober 1951 III 43/50 S (BFHE 56, 91, BStBl III 1952, 37 - Rückstellungen für künftige Bergschäden, die auf vor dem Bewertungsstichtag durchgeführte Abbauarbeiten zurückzuführen sind -) und vom 21. Januar 1972 III R 13/71 (BFHE 104, 560, BStBl II 1972, 446 - Haftung aus einer Wechselreihe, wenn einzelne Wechsel bereits zu Protest gegangen waren -). Im vorliegenden Fall sei der Klägerin bereits zum Zeitpunkt der "dritten Mahnung" - dem anwaltschaftlichen Aufforderungsschreiben - das Ausmaß ihrer künftigen Inanspruchnahme durch A bekannt gewesen. Denn sie habe von diesem Schreiben, wie auch schon von den früheren Mahnungen und Stundungen durch A, jeweils Abschriften erhalten. Es sei nicht gerechtfertigt, ihr die Zeitspanne zwischen der "dritten Mahnung" und der tatsächlichen Inanspruchnahme durch A anzulasten, weil diese Zeitspanne auf der von A zu bewältigenden Massenarbeit beruhe, auf deren Abwicklung sie keinen Einfluß gehabt habe.

Die Klägerin begehrt weiterhin einen Schuldabzug in Höhe von 30 v. H. ihrer Rückstellungen in den Ertragsteuerbilanzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 109 Abs. 4 BewG in der für die streitigen Stichtage geltenden Fassung (ab 1. Januar 1974 gilt die durch Art. 2 Nr. 13 des Vermögensteuerreformgesetzes - VStRG - 1974, BGBl I 1974, 949, BStBl I 1974, 233, eingeführte Bestimmung des § 98 a BewG) wird der Einheitswert des Betriebsvermögens in der Weise ermittelt, daß vom Rohvermögen die Schulden abgezogen werden. Über den Begriff der abzugsfähigen Schulden enthalten §§ 103 bis 105 BewG nähere Regelungen.

2. Durch den Verkauf der Teilzahlungsforderungen an A und den Erhalt der Gegenleistung durch A war die Klägerin aus ihren Geschäften nach den Verhältnissen des jeweiligen Feststellungszeitpunkts befriedigt. Ein Ansatz von Kaufpreisforderungen mit entsprechenden Wertberichtigungsposten kam deshalb nicht in Betracht. Die vom Senat zum Wechselobligo entwickelten Grundsätze (vgl. Urteile vom 17. März 1967 III 238/63, BFHE 88, 554, BStBl III 1967, 486; vom 16. Juli 1971 III R 29/70, BFHE 103, 210, BStBl II 1971, 796, und III R 13/71) gelten auch für Teilzahlungsgeschäfte. Denn die Interessenlage ist hier die gleiche. Die Kaufpreisforderungen mit entsprechenden Wertberichtigungen (Delkredere) konnten bei der Klägerin erst dann wieder angesetzt werden, wenn sie von A im Zuge der Rückbelastung an die Klägerin abgetreten worden sind. Dabei sind die Wertberichtigungen in der Vermögensaufstellung nicht als besondere Schuldposten auszuweisen, sondern die beim Rohvermögen anzusetzenden Forderungen sind bereits entsprechend zu mindern. Nach dem Inhalt des FG-Urteils ist die Klägerin nach diesen Grundsätzen verfahren, soweit an den Bewertungsstichtagen tatsächlich Rückbelastungen bereits erfolgt waren. Insoweit besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten in diesem Prozeß auch kein Streit.

3. Die Klägerin will darüber hinaus für an den Bewertungsstichtagen noch nicht erfolgte Rückbelastungen, ihr aber aus künftigen Rückbelastungen drohende Verluste Rückstellungen bilden. Dies ist jedoch nicht möglich.

a) Schuldposten können in der Vermögensaufstellung nur für gegenwärtig bereits bestehende, nicht aber für noch ungewisse, erst in der Zukunft möglicherweise entstehende Schulden gebildet werden. Solange Schulden noch in der Schwebe sind, ist eine Berücksichtigung in der Vermögensaufstellung nicht möglich. Der Senat hat diese Rechtsgrundsätze zu den Verbindlichkeiten aus Gewährleistung, aus Bürgschaften und aus wechselrechtlicher Haftung entwickelt (vgl. die Urteile vom 8. Januar 1960 III 345/57 S, BFHE 70, 222, BStBl III 1960, 83; vom 7. Oktober 1960 III 366/58 U, BFHE 71, 690, BStBl III 1960, 508, und die bereits zitierten Urteile zum Wechselobligo). Diese Rechtsgrundsätze folgen aus dem im Bewertungsrecht geltenden Stichtagsprinzip (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1978 III R 126/75, BFHE 124, 548, BStBl II 1978, 366) und insbesondere aus den §§ 4 bis 8 BewG. § 103 a BewG i. d. F. von Art. 2 Nr. 16 VStRG 1974 erkennt zwar nunmehr Rückstellungen für Wechselhaftung als abzugsfähig an. Ob diese Regelung auf Teilzahlungsgeschäfte übertragen werden kann, muß hier offenbleiben, denn dies wäre frühestens auf den 1. Januar 1974 möglich.

b) Die Klägerin will diese Grundsätze auf ihre Verhältnisse nicht angewendet wissen, sondern beruft sich auf von der Rechtsprechung gemachte Ausnahmen. Danach setze die Bildung von Rückstellungen ausnahmsweise nicht die tatsächliche Inanspruchnahme durch den Gläubiger voraus, sondern es genüge, daß am Bewertungsstichtag für den Schuldner "feste Anhaltspunkte" für seine künftige Inanspruchnahme beständen. Der Senat läßt die Frage dahingestellt, ob aus den von der Klägerin in diesem Zusammenhang zitierten Urteilen sich ein solcher allgemeiner Rechtsgrundsatz ergibt. Denn nach der tatsächlichen Abwicklung der Verträge zwischen der Klägerin und A war der Klägerin weder im Zeitpunkt der "dritten Mahnung" noch zu einem späteren - vor der tatsächlichen Inanspruchnahme liegenden - Zeitpunkt das Ausmaß der späteren Rückbelastungen bekannt. Nach § 9 des für die Abwicklung der Verträge geltenden Rahmenvertrags war A erst 25 bis 35 Tage nach dem anwaltschaftlichen Aufforderungsschreiben zur Rückbelastung berechtigt. Diese Frist hatte ihren Grund nicht in buchungstechnischen Schwierigkeiten der Bank, wie die Klägerin meint, sondern beruhte offensichtlich auf der Überlegung, daß vor der Rückbuchung erst einmal abgewartet werden sollte, ob der einzelne Kunde auf das anwaltschaftliche Aufforderungsschreiben seine fälligen Raten zahlt. Daß dies in nennenswertem Umfang dann nicht geschehen wäre, hat die Klägerin nicht behauptet. Erst im Anschluß an die 25-bis 35-Tagesfrist schlossen sich dann die buchungstechnischen Schwierigkeiten der Bank an, die in dem Massenanfall von rückzubuchenden Verträgen ihren Grund hatten. Die Klägerin wurde von der Bank - oder direkt vom Rechtsanwalt - aber letztmals über die Außenstände im Zeitpunkt der "dritten Mahnung" informiert. Spätere Informationen erhielt sie nicht mehr, bis dann schließlich die tatsächlichen Inanspruchnahmen erfolgten. Der Zeitpunkt der "dritten Mahnung" kann aber als "fester Anhaltspunkt" für die Rückbelastung und Bildung der Rückstellung nicht zugrunde gelegt werden, weil danach noch Zahlungen der Kunden in nennenswertem Umfang erfolgten. Es kann also keine Rede davon sein, daß die Klägerin zu einem Zeitpunkt vor der tatsächlichen Inanspruchnahme einen Überblick über die späteren Rückbelastungen hatte. Das ergibt sich auch daraus, daß die Klägerin, worauf das FG mit Recht hingewiesen hat, die Rückstellungen nicht aus ihrer tatsächlichen Kenntnis über die zurückzubuchenden Beträge berechnete, sondern sie rein statistisch aus Erfahrungswerten der Vergangenheit schätzte.

 

Fundstellen

BStBl II 1979, 469

BFHE 1979, 438

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