Entscheidungsstichwort (Thema)

Fehlerbeseitigende Art- und Wertfortschreibung

 

Leitsatz (NV)

Bei einer fehlerbeseitigenden Art- und Wertfortschreibung darf das FG die Artfortschreibung nicht als Anhängsel zur Wertfortschreibung behandeln; beide Feststellungen sind selbständig und selbständig anfechtbar.

 

Normenkette

BewG § 22

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Am 1. Januar 1981 waren die Kl. je zur Hälfte Miteigentümer zweier nebeneinander liegender Grundstücke. Das Grundstück M-Straße 9 (= Grundstück 1) gehörte dem Kl. zu 1 schon seit dem Jahre 1962; die Klin. zu 2 ist seit dem Jahre 1971 Miteigentümerin. Ein auf diesem Grundstück im Dezember 1964 bezugsfertig gewordenes Gebäude enthielt eine Hauptwohnung im Erdgeschoß und eine Einliegerwohnung mit mehr als 80 qm im Dachgeschoß, welche zumindest bis zum 1. Januar 1981 fremdvermietet war. Das Nachbargrundstück M-Straße 9 a (= Grundstück 2) erwarben die Kl. im März 1971. Auf diesem errichteten sie ein bautechnisch mit dem vorhandenen Baukörper verbundenes Wohngebäude.

Nach altem Recht wurden die Grundstücke als zwei wirtschaftliche Einheiten bewertet, wobei jeweils die Grundstücksart Einfamilienhaus festgestellt wurde. Aufgrund einer Anfrage der ESt-Stelle führte die Bew-Stelle des FA im Dezember 1973 eine Ortsbesichtigung durch, die der Klärung der Frage dienen sollte, ob die beiden Grundstücke eine oder zwei wirtschaftliche Einheiten bildeten. Als Ergebnis der Ortsbesichtigung ist in einem Aktenvermerk festgehalten, daß es sich bei ,,dem Neubau M-Straße 9 a nicht um eine selbständige wirtschaftliche Einheit, sondern um eine Wohnhauserweiterung . . . des Einfamilienhauses M-Straße 9" handle. Weiter enthält der Aktenvermerk die Feststellung, daß es sich bei ,,dem restlichen Teil der Wohnräume im Dachgeschoß des Wohnhauses M-Straße 9 um eine abgeschlossene Wohnung handelt, die seit Jahren vermietet ist".

Bevor aus diesen Feststellungen irgendwelche Folgerungen gezogen waren, fand am 14. Mai 1975 eine zweite Ortsbesichtigung statt, die der Klärung derselben Frage dienen sollte. Der Bausachverständige schlug vor, das Objekt als zwei Einheiten zu behandeln. Es bestehe die Möglichkeit, ohne besondere bauliche Veränderungen die beiden Gebäudeteile unabhängig voneinander zu veräußern, wobei folgende Arbeiten durchgeführt werden müßten:

Im Keller: Versorgung des Neubaus durch separate Hausanschlüsse unter Aufstellung eines neuen Heizkessels, der ohne Schwierigkeiten an den eigenen Kreislauf angeschlossen werden könnte.

Im Erdgeschoß: Schließung einer Verbindungstür.

Im Dachgeschoß: Tür und Fenster zu einer Loggia seien zu schließen und ein Dachfenster für den dadurch fensterlos werdenden Raum müßte eingebaut werden.

Das FA erließ am 21. März 1977 einen Wert- und Artfortschreibungsbescheid für das Grundstück 1 auf den 1. Januar 1974, stellte den Einheitswert auf . . . DM und die Grundstücksart Einfamilienhaus fest und erließ am gleichen Tage einen Wert-, Art- und Zurechnungsbescheid für das Grundstück 2 zum 1. Januar 1974, mit dem es den Einheitswert auf . . . DM und die Grundstücksart Einfamilienhaus feststellte. Beide Bescheide wurden nicht angefochten.

Nachdem bei der ESt-Veranlagung Zweifelsfragen aufgekommen waren, wurde am 14. November 1980 wiederum eine Ortsbesichtigung vorgenommen, die zum Ergebnis kam, die beiden Grundstücke bildeten doch nur eine wirtschaftliche Einheit. Daraufhin hob das FA durch Bescheid vom 24. August 1981 den Einheitswertbescheid für das Grundstück 2 mit Wirkung auf den 1. Januar 1981 auf. Zugleich führte es für das Grundstück 1 eine Wert- und Artfortschreibung auf den 1. Januar 1981 durch. Unter Zusammenfassung beider Grundstücke zu einer wirtschaftlichen Einheit wurde der Einheitswert nunmehr auf . . . DM und die Grundstücksart Zweifamilienhaus festgestellt.

Die auf Aufhebung der beiden Bescheide vom 24. August 1981 gerichteten Einsprüche beider Kl. hatten keinen Erfolg.

Mit der Klage begehren die Kl., den Aufhebungsbescheid vom 24. August 1981 für das Grundstück 2 und den Art- und Wertfortschreibungsbescheid für das Grundstück 1 vom gleichen Tage sowie die beiden Einspruchsentscheidungen vom 29. Januar 1982 aufzuheben. Zur Begründung haben sie vorgetragen, die Grundstücke könnten jederzeit getrennt veräußert werden. Die dazu erforderliche Trennung sei ohne großen Bauaufwand möglich. Dem Umstand, daß das Gebäude 2 keinen Kaminabzug besitze, komme keine Bedeutung zu, weil das Haus vom Gebäude auf dem Grundstück M-Straße 9 versorgt werden könnte, wozu es nur des Einbaues eines Wärmemeßgerätes bedürfe. Auch die Artfortschreibung sei nicht zutreffend. Sie hätten immer die fremdvermietete Wohnung angegeben. Wenn das FA das Grundstück 1 in der Vergangenheit stets als Einfamilienhaus bewertet habe, so beruhe das wohl darauf, daß diese Wohnung als Hauspersonalwohnung angesehen worden sei. Tatsächlich sei sie in der Vergangenheit ausschließlich von Hausgehilfinnen und ihren Familien bewohnt gewesen.

Das FG hat der Klage stattgegeben. Die Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung seien nicht erfüllt. Die vom FA in den beiden Bescheiden vom 21. März 1977 getroffenen Feststellungen seien vertretbar, jedenfalls nicht augenscheinlich fehlerhaft. Da in der mündlichen Verhandlung Einigkeit darüber bestanden habe, daß die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen wegen der Existenz von zwei Grundstücken im Rechtssinne ohne besondere Schwierigkeiten zu schaffen seien, habe das FG nur zu berücksichtigen, ob die zur Trennung der Gebäudeteile erforderlichen Baumaßnahmen als wesentlich anzusehen seien. Das sei - wobei das FG in erster Linie den 1975 vom Bausachverständigen niedergelegten Darstellungen folge - nicht der Fall. Dieser habe zwar übersehen, daß mangels Kaminabzugs es nicht nur des Einbaues eines Heizkessels im neueren Gebäudeteil bedürfte, jedoch biete sich hier als einfachste technische Lösung der Einbau eines Wärmemessers und die Versorgung des Gebäudes vom Grundstück 1 aus an. Da sich die korrigierende Artfortschreibung auf eine wirtschaftliche Einheit bezogen habe, die zu bilden rechtlich unzulässig gewesen sei, erweise auch sie sich als rechtsfehlerhaft.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils abzuweisen. Zur Begründung seiner Revision führt das FA aus, in der mündlichen Verhandlung seien drei Varianten baulicher Abgrenzung erwogen worden, ohne daß das Urteil aufzeige, welche zur Entscheidungsgrundlage gemacht worden sei. Denn die Teilbarkeit entlang der Flurstücksgrenze bedürfe anderer Baumaßnahmen als der vom Bausachverständigen im Jahre 1975 aufgelisteten. Das FG habe den Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt. Insbesondere sei das FG den gestellten Beweisanträgen, den Bausachverständigen aufgrund des ermittelten Sachverhalts zu den notwendigen Baumaßnahmen und deren Kosten zu hören sowie die Stadt zur Problematik anderweitiger Vermessung zu befragen, nicht nachgekommen. Entgegen der Auffassung des FG hätte es auch einer Entscheidung zur Grundstücksart bedurft, selbst wenn das FG davon ausgegangen ist, daß zwei wirtschaftliche Einheiten vorliegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Zutreffend rügt die Revision, daß das FG auch unter Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung eine Entscheidung über die Artfeststellung aus sachlichen Gesichtspunkten hätte treffen müssen. Denn die fehlerbeseitigende Artfortschreibung, die vom FA insoweit damit begründet war, daß die zweite Wohnung im älteren Gebäude(teil) von ihm fehlerhaft übersehen und deshalb bei der Feststellung zum 1. Januar 1974 nicht berücksichtigt worden sei, war auf ihre Rechtmäßigkeit auch dann zu prüfen, wenn die wirtschaftliche Einheit, die Bewertungsgegenstand ist, kleiner sein sollte, als im Fortschreibungsbescheid zugrunde gelegt. Die Artfortschreibung durfte das FG nicht als Anhängsel zur Wertfortschreibung betrachten, weil beide Feststellungen selbständig und selbständig mit Rechtsbehelfen anfechtbar sind (vgl. Urteil des BFH vom 13. November 1981 III R 116/78, BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88, dem sich der Senat in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1986 II R 88/85, BFHE 148, 329, BStBl II 1987, 292 angeschlossen hat).

2. Die Rüge des angeblich übergangenen Beweisantritts ist nicht ordnungsgemäß erhoben, und zwar schon deshalb nicht, weil das FA die Stelle nicht bezeichnet hat, wo der Beweisantritt erfolgt ist (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1985 VII R 137/81, BFH / NV 1986, 136). Von weiterer Begründung sieht der Senat insoweit gemäß Art. 1 Nr. 8 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

3. Zutreffend rügt das FA im Ergebnis, daß die tatsächlichen Feststellungen des FG seine Entscheidung, eine Trennung der Grundstücke mit den baulich verbundenen Gebäuden sei ohne vorherige wesentliche Änderung möglich, nicht tragen. Denn das FG hat nicht schlüssig dargestellt, daß die vom Bausachverständigen im Jahr 1975 aufgelisteten baulichen Maßnahmen, von denen es bei seiner Entscheidung ausgeht, mit dem weiteren Ausgangspunkt seiner Entscheidung, nämlich einer Trennung entlang der Flurstücksgrenze übereinstimmt. Dazu wären aber Feststellungen erforderlich gewesen, um die Entscheidung des FG sachlich überprüfen zu können.

4. Die Sache ist nicht spruchreif, und zwar auch insoweit nicht, als die Artfeststellung betroffen ist, weil hierzu das FG, insbesondere zur Frage der Hauspersonalwohnung, keine Feststellungen getroffen hat.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415391

BFH/NV 1988, 698

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