Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortschreibungszeitpunkt bei einer fehlerbeseitigenden Artfortschreibung

 

Leitsatz (NV)

Für eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung nach § 22 Abs. 3 BewG ist gemäß § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG Fortschreibungszeitpunkt in jedem Fall der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Die Ausnahmeregelung in § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2, 2. Alternative BewG gilt nur für den Fall einer werterhöhenden Fortschreibung des Einheitswertes.

Die Feststellungen in einem Einheitswertbescheid zur Höhe, zur Art und zur Zurechnung sind jeweils selbständig und selbständig anfechtbar.

 

Normenkette

BewG § 22 Abs. 3, 4 S. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger erwarben als Miteigentümer im Jahre 1980 das bebaute Grundstück X. Das Gebäude war in den Jahren 1979/1980 erstellt worden. Die Hauptwohnung im Erd- und Dachgeschoß wurde von den Eheleuten A - den Klägern zu 2 und 3 - im Jahre 1980 bezogen. Nach den Angaben in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1980 befand sich im Untergeschoß eine weitere Wohnung in der Größe von 86 qm, bestehend aus zwei Zimmern, Küche und Bad, die leerstand. Aus der von den Klägerin eingereichten Bauzeichnung ergab sich, daß die Untergeschoßwohnung von dem offenen Treppenhaus nicht durch eine Trennwand abgeschlossen war. Mit Bescheid vom 7. Oktober 1983 stellte das Finanzamt (FA) u.a. die Grundstücksart Zweifamilienhaus fest. Im Laufe des Einspruchsverfahrens gegen die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1981 fand im Jahre 1985 eine Besichtigung des Wohngrundstücks durch den Bausachverständigen der Finanzverwaltung statt. In seinem Bericht darüber vom 23. Oktober 1985 vermerkte dieser u.a.: Eine Wohnung ist im Keller nicht vorhanden. Er dient Lagerzwecken. Bei meiner Besichtigung wurde im Dachgeschoß gerade eine Toilette mit Bad eingebaut. Eine zweite Küche ist nicht vorhanden. Nach den Angaben der Kläger hatten diese zu jenem Zeitpunkt die Sanierung der Räume im Untergeschoß aufgegeben und waren bemüht, durch Umbau an anderer Stelle eine Einliegerwohnung abzutrennen. Dieser Umbau wurde im Jahre 1986 abgeschlossen.

Mit Bescheid vom 12. Februar 1986 führte das FA eine Art- und Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1985 wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durch. Es bewertete das Wohngrundstück nunmehr als Einfamilienhaus.

Mit der nach erfolgloser Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens erhobenen Klage begehren die Kläger allein die Aufhebung der Artfortschreibung. Zur Begründung tragen sie vor, das Grundstück sei bei seinem Erwerb ein Zweifamilienhaus gewesen und habe diese Eigenschaft nie verloren. Die Aufgabe des Nutzungszwecks der Wohnung im Untergeschoß und die Fertigstellung der Einliegerwohnung im Erdgeschoß bildeten einen einheitlichen Vorgang. Zwar sei die Wohnung im Untergeschoß zeitweise wegen Feuchtigkeit und im Hinblick auf die Sanierungsmaßnahmen nicht bewohnbar gewesen, beim Bezug des Hauses sowie nach Abschluß der Sanierungsarbeiten sei aber eine zweite Wohnung fertiggestellt gewesen.

Das FA hat im Klageverfahren vorgetragen, zu dem Stichtag (1. Januar 1985) sei im Haus nur eine Wohnung vorhanden gewesen. Durch die Besichtigung des Grundstücks durch den Bausachverständigen sei dem FA die fehlerhafte Artfeststellung Zweifamilienhaus im Jahre 1985 bekannt geworden. Zum 1. Januar 1985 habe deshalb eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung erfolgen müssen.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben. Zwar habe das Wohngrundstück zum 1. Januar 1981 ebenso wie zum 1. Januar 1985 bewertungsrechtlich ein Einfamilienhaus dargestellt, weil es nur eine Wohnung enthalten habe. Die Wohnung im Untergeschoß sei, wie die Beweisaufnahme ergeben habe, zum nach oben offenen Treppenhaus hin nicht abgeschlossen gewesen. Dennoch sei der Artfortschreibungsbescheid aufzuheben, weil das FA die zeitliche Grenze des § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 (2. Alternative) des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht beachtet habe. Dem Schutzgedanken dieser Vorschrift entspreche es nämlich, daß jegliche fehlerbeseitigende Fortschreibung, die - auch ohne Erhöhung des Einheitswerts - zu einer Mehrbelastung an Steuern führe, nicht für die Vergangenheit vorgenommen werden dürfe.

Mit der Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils aufzuheben. Es rügt Verletzung des § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 (2. Alternative) BewG.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Das finanzgerichtliche Urteil ist aufzuheben, weil es § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG verletzt.

Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG findet eine Fortschreibung des Einheitswerts hinsichtlich des Werts, der Art und der Zurechnung auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. Fortschreibungszeitpunkt ist bei dieser fehlerbeseitigenden Fortschreibung nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem FA bekannt wird, bei einer Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 13. November 1991 II R 15/89 (BFHE 166, 571) ausgeführt hat, stehen sich die beiden in Nummer 2 des § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG behandelten Fallgruppen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis gegenüber. Abweichend von der Regel, daß bei einer fehlerbeseitigenden Fortschreibung Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres ist, in dem der Fehler dem FA bekannt wird, ist im Ausnahmefall der werterhöhenden Fortschreibung des Einheitswerts Fortschreibungszeitpunkt der Beginn des Kalenderjahres, in dem der Fortschreibungsbescheid erlassen wird. Da die Feststellungen in einem Einheitswertbescheid zur Höhe, zur Art und zur Zurechnung jeweils selbständig (und selbständig anfechtbar) sind (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. November 1981 III R 116/78, BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88, und vom 10. Dezember 1986 II R 88/85, BFHE 148, 329, BStBl II 1987, 292), gilt die in § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 (2. Alternative) BewG normierte Ausnahme nur für die werterhöhende (Wert-)Fortschreibung, nicht aber auch für die Artfortschreibung.

Im Gegensatz zur Auffassung des FG kommt eine sich zwar am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierende, jedoch über den Wortlaut des § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG hinausgehende Auslegung der Vorschrift dahingehend, daß die zweite Alternative auch in jedem Fall gelten solle, in dem die Feststellung zur Art zu steuerlicher Mehrbelastung führt bzw. führen kann, nicht in Betracht. Das folgt zum einen daraus, daß keine Gesetzeslücke vorliegt, weil das Gesetz für den Fall der fehlerbeseitigenden Artfortschreibung in § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG eine Regelung hinsichtlich des maßgebenden Fortschreibungszeitpunkts enthält. Zum anderen ergibt sich auch kein Überhang des Gesetzeswortlauts über den Sinn und Zweck der Regelungen zum Fortschreibungszeitpunkt bei fehlerbeseitigenden Fortschreibungen. Denn die Ausnahmeregelung für werterhöhende Fortschreibung aufgrund des § 22 Abs. 3 BewG beruht ersichtlich darauf, daß die Erhöhung des Einheitswerts unmittelbare Auswirkungen bei den einheitswertabhängigen Steuern zeitigt. Dagegen ist bei einer Artfortschreibung die Auswirkung auf die Steuerbelastung nicht ohne weiteres ersichtlich, weil sie sowohl eine höhere als auch eine niedrigere Steuerlast bewirken oder ggf. insoweit steuerneutral sein kann.

2. Die Sache ist nicht spruchreif.

Anfechtungsgegenstand des Klageverfahrens war ein Artfortschreibungsbescheid aufgrund veränderter tatsächlicher Verhältnisse. Ob die tatsächlichen bzw. rechtlichen Voraussetzungen einer Artfortschreibung auf den 1. Januar 1985 vorlagen, hat das FG nicht geprüft.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419736

BFH/NV 1994, 689

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