Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer Körperschaft

 

Leitsatz (NV)

Die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs einer Körperschaft und dessen Steuerpflicht setzt voraus, daß die Körperschaft im übrigen nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977) von der Körperschaftsteuer befreit ist.

 

Normenkette

KStG a.F. § 4 Abs. 1 Nr. 6 (KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9); StAnpG §§ 17-19; AO 1977 § 55 ff.; GemVO § 6 Abs. 2; AO 1977 § 14

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener und für 1970 als gemeinnützig anerkannter Verein, befaßt sich nach § 2 seiner Satzung mit allgemeinen Lebenshilfen, insbesondere mit der Lebensmüdenbetreuung, Ehe- und Erziehungsberatung, der Alten- und Suchtkrankenfürsorge und der Hilfe in akuten Notsituationen.

Der Kläger deckte in den Streitjahren (1971 bis 1974) seinen Finanzbedarf u. a. durch Erlöse aus Sammlungen von Alttextilien und Altpapier. Mit diesen Sammlungen beauftragte er selbständige Unternehmer, mit denen er schriftliche Verträge schloß. Danach hatten diese Unternehmer die Sammlungen im Auftrag und im Namen des Klägers durchzuführen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Klägers i. S. des § 6 der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes - Gemeinnützigkeitsverordnung - (GemV) vom 24. Dezember 1953 (BGBl I 1953, 1592, BStBl I 1954, 6, zuletzt geändert durch das Steueränderungsgesetz 1969 vom 18. August 1969, BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) an, unterwarf die Gewinne - bei Schätzung der diesem Betrieb zuzurechnenden Aufwendungen - der Körperschaftsteuer und setzte diese auf 22 985 DM (1971; im Einspruchsverfahren), 30 347 DM (1972; im Einspruchsverfahren), 12 632 DM (1973) und 7 864 DM (1974) fest.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von Bundesrecht.

Er wendet sich gegen die Annahme eines steuerschädlichen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und gegen die Höhe der zugrunde gelegten Gewinne.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es beanstandet, daß das Finanzgericht (FG) in seiner Entscheidung davon ausgegangen sei, der Kläger diene gemeinnützigen Zwecken. Die angefochtenen Steuerbescheide enthielten für die Streitjahre darüber keinen Ausspruch; das FA habe eine entsprechende Anerkennung stets abgelehnt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist im Ergebnis begründet. Sie führt - aus anderen als den vom Kläger vorgetragenen Gründen - zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Dem Senat ist es aufgrund der vom FG festgestellten Tatsachen nicht möglich, die in dem angefochtenen Urteil von dem FG gezogenen Rechtsfolgen abschließend zu prüfen. Insoweit liegt kein auf besondere Rüge zu beachtender Verfahrensmangel, sondern ein Mangel in der Urteilsfindung selbst vor. Dieser Sachmangel ist von dem Revisionsgericht als materiell-rechtlicher Fehler von Amts wegen zu beachten.

a) Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. i.V.m. § 6 Abs. 1 GemV ist eine Körperschaft, bei der die Voraussetzungen für steuerliche Vergünstigungen im übrigen gegeben sind, mit den Werten (Vermögen und Einkünften) grundsätzlich steuerpflichtig, die zu einem von ihr unterhaltenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gehören. Was unter ,,wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb" zu verstehen ist, legt § 6 Abs. 2 GemV im einzelnen fest.

Eine nach dieser Regelung mögliche partielle Steuerpflicht eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs setzt voraus, daß die Körperschaft im übrigen die Voraussetzungen für die steuerlichen Vergünstigungen erfüllt. Das ist (u. a.) dann der Fall, wenn die Körperschaft nach ihrer Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. i.V.m. §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - und den Vorschriften der GemV).

Deshalb kann von einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und dessen Steuerpflicht nur ausgegangen werden, wenn die Körperschaft im übrigen wegen der Verfolgung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 17 bis 19 StAnpG) von der Körperschaftsteuer befreit ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F.).

b) Der Kläger ist weder als gemeinnützig noch als mildtätig anerkannt. Darüber hatte das FA in den Veranlagungsverfahren für die Körperschaftsteuer der Streitjahre und für den jeweiligen Steuerabschnitt zu entscheiden (vgl. Urteil des Senats vom 13. Dezember 1978 I R 77/76, BFHE 127, 327, BStBl II 1979, 481). Aus den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheiden ist eine solche Entscheidung zugunsten des Klägers nicht ersichtlich. Das FA hat vielmehr in seiner Revisionserwiderung ausdrücklich hervorgehoben, daß die Körperschaftsteuerbescheide keinen Ausspruch über eine teilweise Freistellung enthalten und das FA es stets abgelehnt habe, den Kläger als gemeinnützig anzuerkennen.

c) Das FG hat zur Gemeinnützigkeit des Klägers weder Tatsachen ermittelt und festgestellt noch über eine Steuerbefreiung i. S. des § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. für die Streitjahre entschieden. Das durfte aber - entgegen der Ansicht des FA in der Revisionserwiderung - nicht unentschieden bleiben. Es mag zwar richtig sein, daß sich - wegen der Besonderheiten im Streitfall - bezüglich der festgesetzten Steuern keine Änderung ergibt, gleichgültig, ob die Sammeltätigkeit des Klägers als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb einer als gemeinnützig anerkannten Körperschaft oder als Gewerbebetrieb einer sonstigen juristischen Person des privaten Rechts gewertet wird. Es darf jedoch nicht übersehen werden, daß sich die Voraussetzungen für die beiden Institute und damit die Grundlagen für die Besteuerung in einem wesentlich unterscheiden: Während für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die Absicht, Gewinn zu erzielen, nicht erforderlich ist (§ 6 Abs. 2 Satz 2 GemV), ist für einen Gewerbebetrieb die Absicht, Gewinn zu erzielen, unabdingbar (§ 1 Abs. 1 der GewerbesteuerDurchführungsverordnung - GewStDV - in der für die Streitjahre gültigen Fassung; vgl. jetzt § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG). Es hängt deshalb von der - bisher vom FA abgelehnten, vom FG angenommenen - Anerkennung des Klägers als gemeinnützig ab, ob die Besteuerung des Klägers (ggf.) das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht erfordert oder nicht. Dazu hat das FG in seinem Urteil keine Feststellungen getroffen und darüber auch nicht entschieden.

2. Entsprechend dieser Rechtslage war es dem Senat verwehrt, in seiner Entscheidung auf das sonstige Vorbringen der Beteiligten einzugehen. Es bleibt deshalb in diesem Falle unentschieden, ob das Sammeln und Verwerten von Alttextilien und Altpapier durch eine als gemeinnützig anerkannte Körperschaft der Besteuerung zu unterwerfen ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414110

BFH/NV 1987, 397

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