Leitsatz (amtlich)

Für die Entscheidung eines Gewinnverteilungsbeschlusses, einen bestimmten Betrag als Gewinn auszuschütten, kann die Frage, ob dieser Betrag mit dem körperschaftsteuerrechtlichen Gewinn übereinstimmt, zwar Motiv der Beschlußfassung, aber nicht Inhalt des Beschlusses sein.

 

Normenkette

KVStG 1959 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Gesellschafterversammlung der Klägerin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, hatte deren Handelsbilanzgewinn für das Jahr 1963 auf 32 181,28 DM festgestellt und zugleich aus dem Reingewinn und einem Gewinnvortrag von 473 503,65 DM entsprechend einer von ihrem Berater aufgestellten Steuerbilanz die Ausschüttung des sich aus dieser ergebenden Jahresgewinns von 101 940 DM beschlossen. Die Betriebsprüfung ergab für dieses Jahr einen Verlust von 222 903 DM. Die Gesellschafterversammlung hat vorbezeichnete Beschlüsse aufgehoben, den Handelsbilanzgewinn auf 43 479,57 DM festgestellt und beschlossen, keinen Gewinn auszuschütten. Die den Gesellschaftern bereits auf deren Konten gutgebrachten Beträge sollten diesen als Darlehen belassen werden.

Das beklagte Finanzamt hat gegen die Klägerin aus 101 940 DM Gesellschaftsteuer in Höhe von 2 548,50 DM festgesetzt und deren Einspruch zurückgewiesen. Das Finanzgericht hatte zunächst Steuerbescheid und Einspruchsentscheidung aufgehoben. Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesfinanzhof diese Entscheidung durch Urteil vom 16. Juni 1970 II R 19/70 (BFHE 100, 54, BStBl II 1970, 787) aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr die Anfechtungsklage der Klägerin abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet.

Zugrunde zu legen ist der Rechtsstandpunkt des Revisionsurteils vom 16. Juni 1970 (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), an welchen das Finanzgericht gebunden war (§ 126 Abs. 5 FGO). Die in diesem getroffene gesellschaftsteuerrechtliche Beurteilung unterscheidet sich von der einkommensteuerrechtlichen Würdigung des Urteils vom 1. März 1977 VIII R 106/74 (BFHE 122, 60 [62 ff.], BStBl II 1977, 545) darin, daß es zwar für die Einkommensbesteuerung nicht darauf ankommt, ob der erste Gesellschafterbeschluß über die Gewinnausschüttung anfechtbar war oder nicht (BFHE 122, 62), wohl aber für die Entstehung einer Gesellschaftsteuerpflicht (BFHE 100, 55) aus freiwilliger Leistung der Gesellschafter (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b des Kapitalverkehrsteuergesetzes in der Fassung vom 24. Juli 1959 - KVStG 1959 -). Das Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich die Anfechtbarkeit dieses Gesellschafterbeschlusses ergeben könnte, hat das Finanzgericht verneint. Die dagegen von der Klägerin erhobenen Rügen greifen nicht durch.

Die Klägerin meint, es habe "bisher keines der mit der Sache befaßten Gerichte versucht, zunächst einmal durch richterliche Auslegung den wahren Inhalt des Beschlusses vom 28. Mai 1964 festzustellen"; werde nämlich dieser Beschluß "richtig ausgelegt", ergäbe sich, daß "nur der körperschaftsteuerpflichtige Gewinn auszuschütten" gewesen sei. Dabei verkennt die Klägerin die abstrakte Natur eines Gewinnverteilungsbeschlusses. Dieser hat die Entscheidung zum Inhalt, einen bestimmten Betrag als Gewinn auszuschütten; die Frage, ob dieser Betrag mit dem "körperschaftsteuerpflichtigen Gewinn" übereinstimmt, kann zwar Motiv, aber nicht Inhalt des Beschlusses (der in dem "Beschluß" getroffenen Entscheidung) sein. Die "Willensmängel" der Gesellschafter bei der Beschlußfassung können sich also nicht im Sinne des § 119 Abs. 1 BGB auf den Inhalt der mit ihrer Stimmabgabe verbundenen Erklärung bezogen haben; daß sie etwa "eine Erklärung dieses Inhalts" - also die Stimme für die Gewinnausschüttung in der beschlossenen Höhe - "überhaupt nicht" hätten "abgeben" wollen (§ 119 Abs. 1 BGB), hat auch die Klägerin nicht behauptet. § 119 Abs. 2 BGB scheidet offensichtlich aus. Demzufolge kann dahingestellt bleiben, auf welche Weise, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Ergebnis ein den Merkmalen des § 119 BGB entsprechender Irrtum aller oder einzelner Gesellschafter bei der Stimmabgabe hätte Berücksichtigung finden können.

Der "Fortfall der Geschäftsgrundlage" führt jedenfalls nie dahin, die Stimmabgabe als "von Anfang an nichtig anzusehen"; wäre er von Belang, würde ein solches nachträgliches Ereignis die Steuerpflicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 KVStG nicht ausschließen.

Ohne Erfolg beanstandet die Klägerin auch die Annahme eines "Verzichts" (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b KVStG) auf den Gewinnausschüttungsanspruch. Zwar handelt es sich nicht um einen Erlaßvertrag (§ 397 BGB) zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft, gesetzlich vertreten durch ihre Geschäftsführer. Wohl aber hat jeder Gesellschafter auf seinen Anspruch dadurch verzichtet, daß er an einem Beschluß mitwirkte, der seinen bereits entstandenen Gewinnanspruch vernichtete, und der ohne seine Zustimmung nicht wirksam hätte zustande kommen können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72844

BStBl II 1978, 604

BFHE 1979, 407

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