Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Begrenzung der Bemessungsgrundlage für die AfA nach § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1963 bei Einfamilienhäusern auf 120.000 DM gilt für die Baukosten des ursprünglichen Gebäudes einschließlich der Herstellungskosten eines später während der Geltungsdauer dieser Bestimmung ausgeführten, nach § 7 b Abs. 2 EStG 1963 abschreibungsfähigen Zubaues. Eine erhöhte AfA nach § 7 b EStG kommt daher in diesen Fällen nicht in Betracht, soweit die Herstellungskosten des ursprünglichen Gebäudes und des Zubaues zusammen höher sind als 120.000 DM.

 

Normenkette

EStG § 7b/1; EStG § 7b/2

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtigen (Stpfl.) haben im Jahre 1959 ein Einfamilienhaus, das zu mehr als 2/3 Wohnzwecken dient, im Bungalow-Stil mit einem Kostenaufwand von 122.310 DM gebaut. Sie haben dafür bei ihrer Einkommensteuererklärung die erhöhte Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 b EStG unter Zugrundelegung des Höchstbetrags der Herstellungskosten von 120.000 DM in Anspruch genommen. Auf ihren Antrag vom 7. Mai 1962 erhielten sie im Oktober 1962 die Baugenehmigung zur Aufstockung des Hauses für ausschließlich Wohnzwecken dienende Räume, die im Jahre 1963 bezugsfertig wurden und deren Baukosten 52.556 DM betrugen. Das Finanzamt (FA) lehnte die von den Stpfl. begehrte AfA nach § 7 b EStG 1963 für diesen weiteren Bauaufwand bei der Einkommensteuerveranlagung für 1963 unter Hinweis auf Abschn. 58 Abs. 4 EStR 1963 ab, da die gesetzliche Begrenzung der Herstellungskosten auf 120.000 DM für das Gebäude einschließlich der Zubauten gelte.

Die Sprungberufung der Stpfl. hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1966, 166 veröffentlichten Urteil die Auffassung, der ursprüngliche Bau und der Zubau eines weiteren Stockwerks seien selbständige Bauvorhaben. Für jedes gelte die in § 7 b Abs. 1 EStG 1963 angeordnete Begrenzung der erhöhten AfA unabhängig von der Höhe der Baukosten des anderen Bauteils. Die gegenteilige, auf die EStR gestützte Auffassung des FA sei gegenüber dem Wortlaut des Gesetzes nicht haltbar. Eine Zusammenfassung der Kosten beider Baumaßnahmen für die Anwendung des § 7 b EStG 1963 wäre nur gerechtfertigt, wenn die Stpfl. ein einheitliches Bauvorhaben auf Grund einer Planung absichtlich in zwei getrennten Bauabschnitten durchgeführt hätten. Das sei nach den Ermittlungen aber nicht anzunehmen.

Das FA rügt mit seiner Revision unrichtige Anwendung des § 7 b Abs. 2 EStG 1961. Die Auffassung des FG stehe in Widerspruch zu Abschn. 58 Abs. 4 EStR 1963, in dem bestimmt sei, daß bei den nach dem 31. Dezember 1958 errichteten Ein- und Zweifamilienhäusern die Bemessungsgrundlage der AfA nach § 7 b EStG für das Gebäude einschließlich der Zubauten auf 120.000 DM begrenzt sei. Das ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 7 b EStG 1963, sondern insbesondere aus dem Sinnzusammenhang. Dafür sprächen vor allem die später für Zubauten, Ausbauten und Umbauten vorgesehenen weiteren Einschränkungen der Vergünstigung des § 7 b EStG im Gesetz zur Einschränkung des § 7 b EStG vom 16. Mai 1963 (BGBl I 1963, 319, BStBl I 1963, 476) und im Gesetz zur Neuordnung der AfA bei Gebäuden vom 16. Juni 1964 (BGBl I 1964, 353, BStBl I 1963, 384).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA führt zur Aufhebung des Urteils des FG.

Für Zubauten, Ausbauten und Umbauten an bestehenden Gebäuden, die zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dienen, wurde ab dem Jahre 1950 die erhöhte AfA nach § 7 b EStG zugelassen ohne Rücksicht darauf, ob bei dem Haus, an dem die Bauarbeiten ausgeführt wurden, die Voraussetzungen für eine erhöhte AfA ebenfalls vorliegen. Es ist dem FG zuzugeben, daß demnach Zubauten, Ausbauten und Umbauten für die Anwendung des § 7 b EStG eine gewisse Selbständigkeit zukommt. Bei einer Vorschrift, die so sehr von sozial- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen bestimmt ist, wie § 7 b EStG (vgl. Urteil des Senats VI 240/61 S vom 27. November 1962, BFH 76, 313, BStBl III 1963, 115), kann daraus jedoch nicht gefolgert werden, daß die in § 7 b EStG 1963 vorgesehenen Abschreibungen für Zubauten, Ausbauten und Umbauten in jeder Beziehung unabhängig von den in § 7 b Abs. 1 EStG aufgestellten Voraussetzungen zu gewähren sind. Daß nach Abs. 2 die in Abs. 1 des § 7 b EStG enthaltenen Bestimmungen "entsprechend" gelten, beweist vielmehr den Zusammenhang mit dem ursprünglich vorhandenen Gebäude. Da in § 7 b Abs. 1 letzter Satz EStG 1963 die Bemessungsgrundlage für die erhöhte AfA bei Ein- und Zweifamilienhäusern auf 120.000 DM begrenzt ist, kann daher bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift entnommen werden, daß für das ganze Haus einschließlich etwaiger Ergänzungs- und Umbauten die erhöhte AfA höchstens von 120.000 DM vorgenommen werden soll.

Zweifel an der Richtigkeit dieser Auslegung nach dem Wortlaut entfallen, wenn man die Erwägungen berücksichtigt, die den Gesetzgeber zur Begrenzung der AfA bei Ein- und Zweifamilienhäusern veranlaßt haben. Die Abschreibungsmöglichkeit nach § 7 b EStG ist im Lauf der Jahre wiederholt geändert und der jeweiligen wirtschaftspolitischen Lage angepaßt worden. Bereits im EStG 1958 wurde die AfA nach § 7 b bei Ein- und Zweifamilienhäusern auf Herstellungskosten von 120.000 DM beschränkt. Damit sollte erreicht werden, daß besonders aufwendige Bauten, deren steuerliche Förderung aus sozialpolitischen Erwägungen nicht vertretbar erschien, allenfalls noch mit einem üblichen Baukostenbetrag an der Steuervergünstigung teilnahmen. Im Streitjahr führte der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Einschränkung des § 7 b EStG vom 16. Mai 1963 (a. a. O.) weitere Beschränkungen der erhöhten Abschreibungen bei Wohngebäuden ein. Dieses Gesetz kommt allerdings für den Streitfall nicht zur Anwendung, da es nur Gebäude betrifft, bei denen die Baugenehmigung nach dem 9. Oktober 1962 beantragt wurde. Bei diesen Gebäuden trat an die Stelle des § 7 b EStG der neue § 54 EStG 1963, nach dem eine erhöhte Abschreibungsmöglichkeit bei Ein- und Zweifamilienhäusern zwar bestehenblieb, eine Vergünstigung für Zubauten, Ausbauten und Umbauten bei ihnen aber nicht mehr vorgesehen war. Der Gesetzgeber wollte demnach eindeutig die erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten bei Ein- und Zweifamilienhäusern weiter einengen und insbesondere Ergänzungsbauten an ihnen steuerlich nicht mehr begünstigen. Unter diesen Umständen kann man § 7 b Abs. 1 und 2 EStG 1963 nicht dahin auslegen, daß bei einem Einfamilienhaus, bei dem bereits die Bemessungsgrundlage für die erhöhte AfA auf 120.000 DM begrenzt wurde, für einen Zubau im Sinn von § 7 b Abs. 2 EStG ein selbständiges Bauvorhaben anzunehmen ist, bei dem unabhängig von der Begrenzung der AfA für das ursprüngliche Gebäude die erhöhte Absetzung nochmals von den Herstellungskosten eines Zubaues bis zu einem Betrag von 120.000 DM zulässig wäre. Sonst könnte bei einem aufwendigen Zubau die Bemessungsgrundlage der erhöhten AfA nach § 7 b EStG bei einem Einfamilienhaus bis zu 240.000 DM betragen. Eine solche Auslegung des § 7 b EStG würde der erkennbaren Absicht des Gesetzgebers offensichtlich zuwiderlaufen. Daß diese Rechtslage im § 7 b EStG 1965 wieder geändert wurde und Ausbauten sowie Erweiterungen an Einfamilienhäusern u. U. wieder nach § 7 b EStG begünstigt sind, muß für die Entscheidung des Streitfalls außer Betracht bleiben; denn im EStG 1965 wurde die Möglichkeit einer erhöhten AfA nach § 7 b EStG grundlegend umgestaltet, so daß aus dieser Neuregelung für die Vergangenheit keine Folgerungen gezogen werden können.

Die Verwaltungsregelung in Abschn. 58 Abs. 4 EStR 1963, in der die Bundesregierung gleichfalls anordnet, daß die Begrenzung der begünstigten Herstellungskosten auf 120.000 DM für die unter diese Regelung fallenden Einfamilienhäuser einschließlich von Zubauten, Ausbauten oder Umbauten gilt, bindet die Steuergerichte zwar nicht. Sie enthält aber eine zutreffende Auslegung des Gesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412485

BStBl III 1967, 314

BFHE 1967, 174

BFHE 88, 174

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