Entscheidungsstichwort (Thema)

Antrag nach § 68 FGO bei Zahlungsverjährung

 

Leitsatz (NV)

Erläßt das FA während des gerichtlichen Verfahrens nach Eintritt der Zahlungsverjährung einen geänderten Haftungsbescheid, wird dieser auf Antrag des Klägers Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens.

 

Normenkette

FGO §§ 68, 123 S. 2; AO 1977 §§ 47, § 228 ff., §§ 229, 231-232

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nahm den Kläger und Revisionskläger (Kläger) mit Haftungsbescheid vom 10. Februar 1982 für Umsatzsteuer 1977 der ehemaligen Firma X GmbH in Höhe von ... DM in Anspruch. Der Haftungsbescheid enthielt keine Zahlungsaufforderung.

Auf die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage setzte das Finanzericht (FG) die Haftungssumme auf ... DM herab und wies die Klage im übrigen ab.

Nach Zustellung des finanzgerichtlichen Urteils erließ das FA am 13. April 1989 einen geänderten Haftungsbescheid, mit dem es den Kläger in Höhe von ... DM für die Umsatzsteuer 1977 der ehemaligen Firma X GmbH in Anspruch nimmt.

Der Kläger rügt mit der Revision Verletzung von §§ 34, 69, 220 der Abgabenordnung (AO 1977) und § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Auf Anfrage der Geschäftsstelle teilten der Kläger und das FA übereinstimmend mit, nach den vorliegenden Unterlagen sei die Zahlungsverjährung nicht unterbrochen worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2, § 127 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der geänderte Haftungsbescheid vom 13. April 1989 wurde auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens (§§ 68, 123 Satz 2 FGO).

§ 68 FGO ist auch dann anwendbar, wenn das FA während des gerichtlichen Verfahrens einen Haftungsbescheid mit herabgesetzter Haftungssumme erläßt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juli 1984 VII R 122/80, unter II. 2. b, c, BFHE 141, 470, BStBl II 1984, 791).

Der Kläger konnte den Antrag, den geänderten Haftungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen, noch wirksam stellen, auch wenn seinerzeit für den Haftungsanspruch bereits Zahlungsverjährung (§ 228 Satz 2, § 229 Abs. 2 AO 1977) eingetreten und die Hauptsache infolge Erlöschens des Haftungsanspruchs (§§ 47, 232 AO 1977) erledigt gewesen sein sollte (Senatsurteil vom 26. April 1990 V R 90/87, unter II. 2., BFHE 160, 348, BStBl II 1990, 802).

Zwar kann der Antrag nach § 68 FGO nicht gestellt werden, wenn die Klage oder die Revision unzulässig ist (BFH-Beschluß vom 11. Februar 1991 X R 149/90, BFHE 163, 307, BStBl II 1991, 462 m.w.N.). Der Streitfall ist aber dadurch gekennzeichnet, daß die Klage ursprünglich zulässig erhoben war, daß das Verfahren bei Erlaß des Änderungsbescheids und bei der Stellung des Antrags nach § 68 FGO noch nicht aufgrund von Erledigungserklärungen beendet war und daß das FA dem Begehren des Klägers sachlich nicht entsprochen hatte. Unter diesen Umständen konnte der Kläger den Antrag nach § 68 FGO noch wirksam stellen. Im Hinblick darauf, daß das FA ohne Rücksicht auf ein etwaiges Erlöschen des Haftungsanspruchs einen geänderten Haftungsbescheid erlassen hat, entspricht die Zulässigkeit des Antrags sowohl dem berechtigten Rechtsschutzinteresse des Klägers als auch der Prozeßökonomie.

2. Der geänderte Haftungsbescheid vom 13. April 1989 ist rechtswidrig, wenn zum Zeitpunkt seines Erlasses der Haftungsanspruch bereits infolge Zahlungsverjährung erloschen war (§§ 47, 232 AO 1977). Da der ursprüngliche Haftungsbescheid vom 10. Februar 1982 ohne Zahlungsaufforderung ergangen war, begann die Verjährungsfrist von fünf Jahren (§ 228 Satz 2 AO 1977) mit Ablauf des Jahres 1982 (§ 229 Abs. 2 AO 1977) und endete an sich mit Ablauf des Jahres 1987.

Der Senat darf nicht ermitteln, ob die Verjährung unterbrochen wurde (§ 231 AO 1977). Entsprechende Tatsachenfeststellungen zur Frage der Rechtmäßigkeit des geänderten Haftungsbescheids sind im Revisionsverfahren nicht zulässig (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Auch der übereinstimmende Parteivortrag, daß nach den vorliegenden Unterlagen die Zahlungsverjährung nicht unterbrochen worden sei, vermag nicht entsprechende Feststellungen des FG zu ersetzen.

Das FG wird hierzu Ermittlungen nachzuholen haben.

 

Fundstellen

BFH/NV 1994, 42

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