Leitsatz (amtlich)

1. Das Gesetz zur Einschränkung des § 7b EStG vom 16. Mai 1963 (BGBl I 1963, 319) ist mit dem Grundgesetz vereinbar (Anschluß an ständige Rechtsprechung des VI. Senats des BFH seit dem Urteil vom 28. März 1966 VI 281/64, BFHE 85, 425, BStBl III 1966, 454).

2. Eine Bauvoranfrage ist kein Antrag auf Baugenehmigung im Sinne des § 7b Abs. 7 EStG 1963.

 

Normenkette

EStG 1963 §§ 7b, 54; EStG 1965 § 7b; GG Art. 20 Abs. 3

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Einschränkung des § 7b EStG durch das StÄndG 1963 gegen das GG verstößt und ob bei größeren Bauvorhaben eine Bauvoranfrage als Antrag im Sinne des § 7b Abs. 7 EStG 1963 anzusehen ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) errichtete im Jahre 1965 ein Mehrfamilienhaus mit Herstellungskosten von rund 1 000 000 DM. Er hatte bereits am 13. September 1962 eine Bauvoranfrage an das Bauamt gerichtet; der Bauantrag wurde am 25. Februar 1963 gestellt. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1966 begehrte der Kläger Gewährung der erhöhten AfA gemäß § 7b Abs. 7 EStG 1965 in Verbindung mit § 7b Abs. 1 EStG 1963. Das lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) mit der Begründung ab, daß der Bauantrag nach dem 9. Oktober 1962 als gesetzlich bestimmtem Stichtag verspätet gestellt worden sei, und berücksichtigte deshalb nur die Normal-AfA nach § 7 EStG.

Die form- und fristgerecht erhobene Sprungklage des Klägers hatte keinen Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Einschränkung erhöhter AfA auf Eigenheime, Eigensiedlungen und eigengenutzte Eigentumswohnungen für alle Gebäude, bei denen der Antrag auf Baugenehmigung nach dem 9. Oktober 1962 gestellt worden sei, durch § 7b Abs. 7 EStG 1963 in Verbindung mit § 54 EStG sei verfassungsrechtlich einwandfrei. Es handle sich um keine unzulässige Rückwirkung zu Lasten der Steuerpflichtigen. Entgegen der Ansicht des Klägers stelle die Bauvoranfrage keinen formellen Bauantrag dar, auf den es ankomme (Hinweis auf Abschn. 53 Abs. 6 Satz 2 EStR 1955).

Mit der Revision rügt der Kläger im wesentlichen Verletzung des in Art. 20 Abs. 3 GG enthaltenen Rechtsstaatsprinzips durch unzulässige Rückwirkung (Hinweis auf Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7b EStG a. F., Anm. 1).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Senat tritt der Vorentscheidung bei.

1. Das Gesetz zur Einschränkung des § 7b EStG vom 16. Mai 1963 (BGBl I 1963, 319), in Kraft getreten am 22. Mai 1963, ist nicht verfassungswidrig. Wie das BVerfG bereits zu § 7b EStG i. d. F. vom 18. Juli 1958 ausgesprochen hat, kann der Bürger angesichts der Erfordernisse der öffentlichen Finanzwirtschaft nicht darauf vertrauen, daß der Gesetzgeber steuerliche Vergünstigungen, die er bisher mit Rücksicht auf bestimmte Tatsachen oder Umstände insbesondere aus konjunkturpolitischen Erwägungen gewählt hat, immer und uneingeschränkt auch für die Zukunft beibehält. Vielmehr ist eine Verschlechterung der Rechtsposition der Steuerpflichtigen durch Entzug der Vergünstigungen oder durch ihre Schmälerung selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn der Steuerpflichtige aufgrund der bisherigen Rechtslage im Vertrauen auf deren Fortbestand gewisse Dispositionen getroffen hat (Beschluß des BVerfG vom 7. Juli 1964 2 BvL 22 und 23/63, BVerfGE 18, 135, 144 f., BStBl I 1964, 539). Hiermit übereinstimmend hat der VI. Senat des BFH im Urteil vom 28. März 1966 VI 281/64 (BFHE 85, 425, BStBl III 1966, 454) zur gleichen Rechtsfrage wie im vorliegenden Fall eingehend ausgeführt, daß eine "echte" Rückwirkung nicht vorliege und eine "unechte" Rückwirkung vom Bürger aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls hingenommen werden müsse. Hiernach war es ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers, die damals überhitzte Baukonjunktur zu dämpfen. An dieser Entscheidung hat der VI. Senat auch später, zuletzt im nicht veröffentlichten Urteil vom 19. März 1971 VI R 115/68 festgehalten. Die gegen das im Ergebnis ebenso begründete Urteil vom 25. September 1970 VI R 4/68 (teilweise veröffentlicht in BB 1971, 25) eingelegte Verfassungsbeschwerde hat das BVerfG durch Beschluß vom 26. April 1971 2 BvR 171/71 mangels hinreichender Erfolgsaussicht einstimmig nicht zur Entscheidung angenommen. In diesem Beschluß ist unter Hinweis auf die BVerfG-Entscheidungen vom 19. Dezember 1961 2 BvR 1/60 (BVerfGE 13, 274) und 2 BvR 2/60 (BVerfGE 13, 279, BStBl I 1962, 490) hervorgehoben, die Differenzierung nach dem Zeitpunkt des Antrags auf Baugenehmigung bei im Jahre 1963 durchgeführten Ausbauten sei offensichtlich nicht in unsachlicher Weise verfassungswidrig. Dieser Rechtsprechung tritt der erkennende Senat bei.

2. Das FG hat ferner zu Recht entschieden, daß in der Bauvoranfrage des Klägers kein Antrag auf Baugenehmigung im Sinne des § 7b Abs. 7 EStG gesehen werden kann. Auch insoweit hat der BFH bereits im Urteil VI 281/64 zutreffend ausgesprochen, es müsse sich nach dem eindeutigen Wortlaut um den Antrag auf Erteilung der landesrechtlich vorgesehenen Genehmigung für den Bau handeln. Vorbesprechungen bei der Baubehörde genügten hierfür ebensowenig wie der in manchen Bauordnungen vorgesehene Vorbescheid. Denn der Gesetzgeber habe mit der Abstellung auf den Zeitpunkt des Antrags auf Baugenehmigung eine klare Grenze setzen wollen, die auch leicht zu ermitteln sei und die Gewähr biete, daß mit tatsächlichen Baumaßnahmen noch nicht begonnen worden sei.

Diese Auffassung stimmt mit den Grundsätzen des Baurechts überein. Danach ist zu unterscheiden, ob ein Bauantrag oder lediglich eine Voranfrage über einzelne Punkte des Bauvorhabens gestellt ist (vgl. Friauf, Baurecht und Raumordnung, in Besonderes Verwaltungsrecht, herausgegeben von Ingo von Münch, 3. Aufl., S. 452 f., und Scheerbarth, Das allgemeine Bauordnungsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Landesbauordnungen, 2. Aufl., §§ 125 bis 126, S. 304 ff.). Voranfragen betreffen in der Praxis regelmäßig die Frage, ob überhaupt gebaut werden darf. Meist sind hierfür nur wenige Unterlagen nötig, nicht etwa vollständige Zeichnungen des Wohnhauses, statistische Berechnungen und dgl.; auch die Einschaltung eines Architekten ist noch nicht erforderlich. Wenn es sich auch rechtlich um einen vorweggenommenen Teil der späteren Bauerlaubnis handelt und die Baubehörde demgemäß an ihren Vorbescheid gebunden ist, kann die Bauvoranfrage keinesfalls mit dem Bauantrag gleichgestellt werden. Das FG hebt hierzu auch richtig hervor, daß allein der Antrag auf Baugenehmigung nach § 67 der Hessischen Bauordnung vom 6. Juli 1967 (GVBl 1957, 101, 117) i. d. F. vom 4. Juli 1966 (GVBl 1966 I, 171) in Verbindung mit § 25 der Durchführungsverordnung zum Hessischen Baugesetz vom 12. November 1963 i. d. F. vom 30. September 1966 (GVBl I 1966, 305) eingehenden Formvorschriften unterliegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70709

BStBl II 1974, 69

BFHE 1974, 559

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