Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliches Auffinden einer Vollmachtsurkunde als Restitutionsgrund

 

Leitsatz (NV)

Findet der Prozeßbevollmächtigte eine auf ihn ausgestellte, aber zunächst abhandengekommene Vollmachtsurkunde auf, nachdem die Klage wegen Fehlens der Vollmacht rechtskräftig als unzulässig abgewiesen worden war, so kann hierin ein Restitutionsgrund i. S. des § 580 ZPO liegen.

 

Normenkette

FGO § 62 Abs. 3, § 134; ZPO § 580 Nr. 7 Buchst. b, § 582

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin legte im Verfahren vor dem Finanzgericht X/V 581/75 UM schriftliche Prozeßvollmacht nicht vor. Das Finanzgericht hat die Klage mit Urteil vom 29. Oktober 1979 als unzulässig abgewiesen. Die dagegen erhobenen Revisionen hat der Bundesfinanzhof mit den Beschlüssen vom 14. August 1980 V R 12/80 und vom 26. Februar 1981 V R 33/81 als unzulässig verworfen. Die Klägerin hat am 4. Oktober 1982, gestützt auf § 134 FGO, § 580 Nr. 7 b ZPO, Restitutionsklage mit der Begründung erhoben, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die am 6. Januar 1976 ausgestellte Vollmachtsurkunde am 3. September 1982 beim Umzug der Kanzlei in andere Räume aufgefunden; durch die Urkunde werde bewiesen, daß der Prozeßbevollmächtigte in dem ursprünglichen Klageverfahren bevollmächtigt gewesen sei. Das nachträgliche Auffinden der Vollmachtsurkunde ermögliche nunmehr den Nachweis der Vollmachterteilung.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Die Vollmacht sei nicht bei der Klägerin als Beteiligter, sondern bei dem Prozeßbevollmächtigten aufgefunden worden. Die Klägerin habe zudem jederzeit eine neue Prozeßvollmacht ausstellen können. Da der Prozeßbevollmächtigte trotz wiederholten Hinweises auf das Fehlen der Vollmacht keine neue Vollmachtsurkunde beigebracht habe, bilde das spätere Auffinden der (ursprünglichen) Vollmachtsurkunde keinen Restitutionsgrund.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 580, 582 ZPO und des materiellen Rechts. Für die Anwendung des § 580 Nr. 7 b ZPO genüge es, wenn die Urkunde bei dem Prozeßbevollmächtigten aufgefunden werde. Unerheblich sei, ob die Klägerin eine erneute Vollmacht hätte ausstellen und dadurch die Bevollmächtigung nachweisen können. Diese Möglichkeit könne allenfalls im Zusammenhang mit der Frage Bedeutung gewinnen, ob die Klägerin ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die aufgefundene Vollmacht im früheren Verfahren zu benutzen. Insoweit enthalte das angefochtene Urteil indes keine tatsächlichen Feststellungen. Es sei daher aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

Das Finanzamt hat der Revision widersprochen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Nach § 580 Nr. 7 b ZPO, § 134 FGO findet die Restitutionsklage statt, wenn der Kläger eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.

Zu Unrecht hat das Finanzgericht angenommen, die Urkunde müsse bei der Partei aufgefunden worden sein. Eine dahingehende Einschränkung läßt sich § 580 Nr. 7 b ZPO nicht entnehmen.

Das angefochtene Urteil beruht ferner auf der Erwägung, die Klägerin hätte den Restitutionsgrund bereits im ursprünglichen Verfahren geltend machen können (§ 582 ZPO); denn sie hätte eine neue Prozeßvollmacht ausstellen und durch ihren Prozeßbevollmächtigten vorlegen lassen können. Ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden liege darin, daß der Prozeßbevollmächtigte die Beschaffung der neuen Vollmachtsurkunde trotz mehrmaliger Aufforderung, seine Bevollmächtigung durch Vorlage der Prozeßvollmacht nachzuweisen, nicht zum Anlaß genommen habe, sich eine (neue) Vollmacht ausstellen zu lassen und diese vorzulegen.

Nach § 582 ZPO kommt es allein darauf an, ob die Klägerin die Urkunde noch im ursprünglichen Verfahren hätte vorlegen können. Auf die Möglichkeit des Nachweises durch ein anderes Beweismittel stellt das Gesetz nicht ab. Das Finanzgericht durfte die Abweisung der Klage deshalb nicht darauf stützen, der Prozeßbevollmächtigte hätte eine neue Vollmacht beschaffen und vorlegen können. Das Finanzgericht hätte vielmehr feststellen müssen, ob den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ein dieser zuzurechnendes Verschulden an der Nichtvorlage der ihm bereits früher erteilten Vollmachtsurkunde im ursprünglichen Verfahren traf.

Eines Eingehens auf das Verhältnis der §§ 580, 582 ZPO, § 134 FGO zu Artikel 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (BGBl I 1978, 1515) bedarf es nicht, da die am 12. März 1979 im Verfahren X/V 581/75 UM an den Prozeßbevollmächtigten gerichtete Verfügung über die Setzung einer Frist mit ausschließender Wirkung zur Vorlage der Prozeßvollmacht mangels Unterschrift durch den verfügenden Richter nicht wirksam geworden ist.

Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das Finanzgericht zurückzuverweisen, damit das Finanzgericht - die von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht unterlassenen - Tatsachenfeststellungen nachholt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414145

BFH/NV 1986, 474

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