Entscheidungsstichwort (Thema)

Fragen der Teilwertermittlung von Grundstücken einer kleinen Landwirtschaft

 

Leitsatz (NV)

1. Eine kleine Landwirtschaft, die ein Fuhrunternehmer nebenher betreibt, kann nicht deshalb der Liebhaberei zugeordnet werden, weil die nach Durchschnittssätzen ermittelten, innerhalb der Freibeträge für Land- und Forstwirtschaft liegenden Gewinne sich steuerlich nicht auswirken.

2. Die Formulierung in § 55 Abs. 5 EStG ,,weist der Steuerpflichtige nach, daß der Teilwert . . . höher ist", bedeutet keine Einschränkung des Grundsatzes der Amtsermittlung bei der Ermittlung des Teilwertes im Rahmen des Feststellungsverfahrens.

 

Normenkette

EStG § 55 Abs. 5

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Inhaber eines Fuhrgeschäfts. Er erwarb von seinen Eltern durch Übergabevertrag vom 19. Januar 1971 die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke Fl. Nrn. Z und Z/1 der Gemarkung X, an denen er seine Ehefrau durch Vertrag vom 26. Januar 1971 als Miteigentümerin beteiligte. Teilflächen dieser Grundstücke verkaufte er in den Kalenderjahren 1972 und 1973 an die Baugesellschaft Y.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 1975 beantragte der Kläger beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -), für diese Grundstücksflächen den höheren Teilwert mit 100 DM pro qm zum 1. Juli 1970 nach § 55 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gesondert festzustellen. Durch Bescheid des FA vom 11. November 1976 wurden die Grundstücke als zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs des Klägers gehörend ausgewiesen und die Teilwerte mit jeweils 35 DM pro qm festgesetzt. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß die Grundstücke Fl. Nrn. Z und Z/1 nicht zum Anlagevermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehört hätten, weil die Landwirtschaft von seinem Vater und ihm nicht mit Gewinnerzielungsabsicht geführt worden und alleinige Existenzgrundlage das Fuhrgeschäft gewesen sei. Selbst wenn ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb vorgelegen hätte, seien die Grundstücke von seinem Vater schon vor dem 30. Juni 1970 aus dem Betrieb entnommen worden; denn dieser habe schon im Kalenderjahr 1960 bei der zuständigen Behörde einen Bauantrag gestellt und damit die Absicht, die Grundstücke anderweitig zu nutzen, kundgetan. Schließlich müsse davon ausgegangen werden, daß - wenn überhaupt ein Teilwert gesondert festzustellen sei - dieser im Streitfall zum 30. Juni 1970 mit 100 DM pro qm anzusetzen sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Nach § 55 Abs. 5 EStG ist der Teilwert von Grundstücken, die zu einem Betriebsvermögen gehören, gesondert festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß der Teilwert höher als das Zweifache des Ausgangsbetrags (§ 55 Abs. 2 EStG) ist und er einen entsprechenden Antrag stellt. Antragsberechtigt sind nach § 55 Abs. 5 EStG neben den Eigentümern der betreffenden Betriebsgrundstücke zum 1. Juli 1970 auch die Steuerpflichtigen, die während der Antragsfrist des § 55 Abs. 5 EStG durch Gesamtrechtsnachfolge oder durch unentgeltlichen Erwerb nach § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) Eigentümer der betreffenden Grundstücke geworden sind (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. August 1983 IV R 99/80, BFHE 139, 265, BStBl II 1984, 31).

Im Streitfall war der Kläger berechtigt, den Antrag nach § 55 Abs. 5 EStG zu stellen, da er die Grundstücke durch Vertrag vom 19. Januar 1971 unentgeltlich von seinen Eltern, die zum 30. Juni 1970 deren Eigentümer waren, erworben hat. Daß die Ehefrau des Klägers durch Vertrag vom 26. Januar 1971 Miteigentümerin der Grundstücke geworden ist, steht dem nicht entgegen.

2. Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Grundstücke am 30. Juni 1970 zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen der Eltern des Klägers gehörten. Es ist zu Recht davon ausgegangen, daß die von den Eltern des Klägers bis zum 30. Juni 1970 unterhaltene Landwirtschaft keine Liebhaberei, sondern ein einkommensteuerrechtlich relevanter land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gewesen ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 6. März 1980 IV R 182/78, BFHE 131, 18, BStBl II 1980, 718, m.w.N.), die insoweit durch den Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) keine Änderung erfahren hat, stellt sich in der Land- und Forstwirtschaft die Frage der Liebhaberei bei anhaltenden Verlusten eines Betriebs. Daneben muß aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt. Für beide Voraussetzungen fehlen bei der land- und forstwirtschaftlichen Betätigung des Klägers nachweisbare Anhaltspunkte. Das FG hat aufgrund der vom Kläger selbst erklärten landwirtschaftlichen Nutzflächen von 7,66 ha (vgl. Einspruch des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide 1972 und 1973 vom 17. Dezember 1976), aufgrund der erklärten und im Klageverfahren nicht bestrittenen Viehbestände und der vorhandenen landwirtschaftlichen Fahrzeuge, für die die Steuervergünstigung des § 78 EStDV begehrt wurde, ohne Verfahrensverstöße und ohne Verstöße gegen die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze das Vorliegen eines kleinen land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gefolgert. An diese tatsächlichen Feststellungen und ihre Würdigung durch das FG ist der Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden.

Die vom FG gezogenen Schlußfolgerungen widersprechen entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht dem klaren Inhalt der Akten. Wenn das FA bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Jahr 1970 keine Einkünfte auf Land- und Forstwirtschaft angesetzt hat, so liegt darin kein Widerspruch. Denn die Nichtberücksichtigung land- und forstwirtschaftlicher Einkünfte bei der Einkommensteuerveranlagung 1970 konnte darauf beruhen, daß - wie das bei Land- und Forstwirten, die den Gewinn nach Durchschnittsätzen ermitteln, nicht selten der Fall ist - Einkünfte, die sich auf die Höhe der Einkommensteuer auswirken, nicht vorlagen. Im übrigen besteht im Verfahren zur gesonderten Feststellung des Teilwerts zum 30. Juni 1970 nach § 55 Abs. 5 EStG keine Bindung an den Ansatz bzw. den Nichtansatz von Besteuerungsgrundlagen im Einkommensteuerbescheid 1970.

Dem FG ist ferner darin beizupflichten, daß die Eltern des Klägers die Grundstücke Fl. Nrn. Z und Z/1 nicht schon vor dem 1. Juli 1970 aus dem Betriebsvermögen entnommen haben. Der Kläger hat insoweit auch keine Revisionsrügen mehr erhoben.

3. Auch die Entscheidung des FG, daß der Teilwert für die Grundstücke Fl. Nrn. Z und Z/1 mit 35 DM pro qm festzustellen sei, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das FG hat diese Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß es sich bei den Grundstücken nur um Bauerwartungsland gehandelt habe, für das in der Marktgemeinde in den Jahren 1970 und 1971 Durchschnittspreise von 19 bis 24 DM pro qm bezahlt worden seien, und daß es wegen des zu erwartenden Bebauungsplans gerechtfertigt gewesen sei, auf die Durchschnittspreise einen Zuschlag von etwa 50 v. H. zu machen; dies ergebe einen Preis von 33 DM pro qm, so daß der vom FG im Feststellungsbescheid vom 11. November 1976 ausgewiesene Teilwert von 35 DM pro qm als zutreffend anerkannt werden könne. Die vom FG vorgenommene Schätzung des Teilwerts in dieser Höhe läßt keine Rechtsfehler erkennen. Sie ist aufgrund der festgestellten Tatsachen möglich und enthält damit keinen Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Der in der Revision erstmals vorgetragenen Meinung des Klägervertreters, dem FG hätte sich aufdrängen müssen, daß die Grundstücke Fl. Nrn. Z und Z/1 durch den Verkauf einer Teilfläche beider Flurstücke von 8 000 qm in den Jahren 1972 und 1973 in zwei verschieden zu bewertende Wirtschaftsgüter aufzuteilen seien, vermag der Senat nicht zu folgen. Der festgestellte Sachverhalt zwingt nicht zu einer solchen Aufteilung der Grundstücksflächen schon bei der Bewertung zum 1. Juli 1970.

Was die Bewertung im einzelnen betrifft, so bestehen keine rechtlichen Bedenken, daß das FG als Grundlage der Wertermittlung ein Gutachten des für derartige Wertermittlungen vom Gesetzgeber geschaffenen Gutachterausschusses eingeholt und zusätzlich den Vorsitzenden des Gutachterausschusses in der mündlichen Verhandlung als Sachverständigen gehört hat. Die Meinung des Klägervertreters, diese Art der Amtsermittlung durch das FG verstoße gegen § 55 Abs. 5 EStG, ist offensichtlich unrichtig. Der im Steuerprozeß allgemein geltende und in § 76, Abs. 1 FGO verankerte Grundsatz, daß das Gericht die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln hat und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden ist, gilt auch für die Teilwertermittlung im Rahmen des § 55 Abs. 5 EStG. Die Formulierung in § 55 Abs. 5 EStG ,,weist der Steuerpflichtige nach, daß der Teilwert . . . höher ist", besagt lediglich, daß es zunächst nicht Sache des FA ist, sondern ausschließlich dem Steuerpflichtigen obliegt, auf Tatsachen und Umstände hinzuweisen, aus denen sich der gegenüber dem doppelten Ausgangsbetrag nach § 55 Abs. 1 EStG höhere Teilwert eines Grundstücks ergibt; sie bedeutet keine Einschränkung des Grundsatzes der Amtsermittlung bei der dann vorzunehmenden Ermittlung des tatsächlichen Teilwerts im Rahmen des Feststellungsverfahrens.

In der Heranziehung und Auswahl der Sachverständigen ist daher das Gericht auch im Rahmen der Teilwertermittlung nach § 55 Abs. 5 EStG frei (vgl. auch § 144 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO -).

Aus den angeführten Gründen ist revisionsrechtlich auch nicht zu beanstanden, daß das FG bei seiner Entscheidung der schriftlichen Erklärung des Bürgermeisters der Marktgemeinde vom 25. Mai 1976, nach der der Wert der Grundstücke zum 1. Juli 1970 mit 100 DM pro qm zu schätzen sei, keine tragende Bedeutung beigemessen sei, weil der Bürgermeister als sachverständiger Zeuge lediglich einen geschätzten Quadratmeterpreis und keine nähere Begründung gegeben habe. Die diesbezüglichen Feststellungen des FG sind das Ergebnis der von ihm vorgenommenen Beweiswürdigung, an die der BFH grundsätzlich nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist.

Ebensowenig kann der Kläger mit der Revision erfolgreich einwenden, daß das FG seine Entscheidung nicht auf die Aussage des Vorsitzenden des Gutachterausschusses hätte stützen dürfen, weil dieser keine genaue Kenntnis von den wertbestimmenden Faktoren der Grundstücke gehabt habe. Ob und in welchem Umfang das FG von der erforderlichen Sachkenntnis eines Sachverständigen ausgeht und welche Schlußfolgerungen es aus dessen Aussage zieht, ist Sache der Beweiswürdigung und revisionsrechtlich nicht nachprüfbar.

Auch der Einwand des Klägers, daß die Käuferin der 8 000 qm Grundstücksfläche schon bei Beginn der Vertragsverhandlungen Anfang 1970 einen Preis von 100 DM pro qm in Aussicht gestellt habe, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Aus dieser Tatsache kann nicht zwingend gefolgert werden, daß der Teilwert zum 1. Juli 1970 höher als 35 DM war; dies gilt insbesondere deshalb, weil - wie das FG ausgeführt hat - die Käuferin zur Zeit der ersten Vertragsgespräche offenbar von der Möglichkeit der Bebauung der Grundstücke mit 250 Wohnungen ausgegangen ist, die Durchführung dieses Vorhabens aber tatsächlich nicht realisiert werden konnte, weil die Grundstücke damals noch nicht baureif waren.

Daß das FG den Erklärungen der Käuferin der Grundstücke und des Bürgermeisters der Marktgemeinde zur Höhe des Werts der Grundstücke nicht gefolgt ist, stellt keinen Verfahrensverstoß, sondern eine von der Auffassung des Klägers abweichende Beweiswürdigung dar; denn das FG hat - wie aus den Gründen des angefochtenen Urteils hervorgeht - beide Erklärungen in die Urteilsfindung miteinbezogen. Soweit der Kläger auch mangelnde Sachaufaufklärung rügt, weil das FG die Käuferin und den Bürgermeister nicht vernommen habe, ist diese Rüge unzulässig, weil der Klägervertreter die Vernehmung dieser Personen am Schluß der Beweisaufnahme und der mündlichen Verhandlung vor dem FG nicht mehr beantragt bzw. ihre Nichtvernehmung nicht gerügt hat (vgl. BFH-Urteil vom 4. Oktober 1974 III R 127/73, BFHE 113, 470, BStBl II 1975, 302).

 

Fundstellen

Haufe-Index 60770

BFH/NV 1986, 273

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