Entscheidungsstichwort (Thema)

Erschließungsbeiträge für Neubau einer Straße als sofort abziehbare Betriebsausgaben

 

Leitsatz (NV)

Der Eigentümer eines bereits durch eine Zuwegung erschlossenen Grundstücks kann nachträgliche Erschließungskosten, die eine Gemeinde für den Ausbau einer neuen, die bisherige Zuwegung ersetzenden Straße erhebt, als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb absetzen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG München

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führt auf einem Grundstück -- dem Eckgrundstück H-Straße/P-Straße -- in L einen Gewerbebetrieb fort, der von ihrem zwischenzeitlich verstorbenen Ehemann 1959 begonnen worden war. Das Grundstück war seit 1956 durch die H-Straße erschlossen; die Zufahrt erfolgte von Anfang an über die ehemalige R-Straße zur H-Straße. Die P-Straße wurde in den Jahren 1976 bis 1987 erstmalig hergestellt. Ihre Trasse führt parallel zu der ehemaligen R-Straße auf einer an die Stadt abgetretenen Teilfläche des Grundstücks der Klägerin.

Mit Bescheid vom 11. Juni 1987 setzte die Stadt L gegen die Klägerin einen Erschließungsbeitrag von 58 840 DM fest.

Die Klägerin behandelte den Erschließungsbeitrag als sofort abziehbaren Aufwand und zog ihn als Betriebsausgabe bei der Ermittlung ihres Gewinns ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) folgte dem nicht und setzte die Einkommensteuer 1987 entsprechend fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Es entschied, daß der funktionsgleiche Ersatz eines zum Grund und Boden gehörenden Erschließungsvorteils oder seine Modernisierung noch als Erhaltungsaufwand anzusehen sei. Ob die bloße Verbesserung einer bestehenden Erschließung oder Entsorgung zu einer Wertsteigerung führe, sei bedeutungslos. Demzufolge könne die Klägerin den Erschließungsbeitrag im Streitfall in voller Höhe als sofortigen Aufwand abziehen. Da das Betriebsgrundstück bereits zuvor durch die R-Straße und die H-Straße an das Verkehrsnetz angebunden gewesen sei, habe sich die tatsächliche Situation des Grundstücks durch den Ausbau der P-Straße nicht verändert. Die Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks habe sich auch nicht verbessert. Daß die P-Straße anders als die bisherige R-Straße durch eine feste Asphaltdecke ausgebaut worden sei, sei mangels funktionaler Veränderungen unerheblich.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung von § 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und macht geltend: Das FG habe bei seiner Einschätzung übersehen, daß die Trasse der P-Straße als völliger Neubau durchgeführt und im Gegensatz zu der bisherigen mit einem ordnungsgemäßen Straßenkörper versehen sei. Außerdem sei die Straße wegerechtlich umgewidmet worden. Die bisherige R-Straße sei als öffentlicher Feld- und Waldweg ausgewiesen gewesen; bei der gewerblichen Nutzung dieser Straße durch die Klägerin habe es sich deshalb um eine Sondernutzung gehandelt. Demgegenüber sei die P-Straße eine öffentliche Straße, deren gewerbliche Nutzung Gemeingebrauch sei. Das FG habe diese rechtlichen Gegebenheiten nicht berücksichtigt, sondern nur auf die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit abgestellt. Das Grundstück der Klägerin habe jedenfalls eine Werterhöhung erfahren, nicht bloß eine bauliche und technische Verbesserung. Die Erschließung sei neu und in dieser Form erstmalig hergestellt worden; die Anschaffungskosten seien folglich zu aktivieren. Diese Rechtsfolge ergebe sich aber auch, wenn man lediglich auf den erhöhten Nutzungswert des Grundstücks abstelle.

Es beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Erschließungskosten sind als Betriebsausgaben sofort abziehbar (§ 4 Abs. 4 EStG), weil sie nicht als (nachträgliche) Anschaffungskosten zu aktivieren sind.

Beiträge zur Finanzierung erstmals durchgeführter Erschließungsmaßnahmen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der erkennende Senat anschließt, den Anschaffungskosten von Grund und Boden zuzurechnen (z. B. BFH-Urteil vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, BStBl II 1991, 448 m. w. N.). Werden hingegen vorhandene Erschließungseinrichtungen ersetzt oder modernisiert, so führen Erschließungsbeiträge nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten, es sei denn, das Grundstück wird durch die Maßnahme "in seiner Substanz oder in seinem Wesen" verändert (BFH-Urteil in BStBl II 1991, 448). Der Charakter eines Grundstücks wird durch grundstücksbezogene Kriterien bestimmt, insbesondere durch Größe, Lage, Zuschnitt, Erschließung und Grad der Bebaubarkeit. Solange diese unverändert bleiben, werden Substanz oder Wesen des Grundstücks nicht berührt (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 65/92, BFH/NV 1994, 471; vom 22. März 1994 IX R 109/90, BFHE 175, 31, und IX R 52/90, BFHE 175, 29, BStBl II 1994, 842). Demgegenüber ist nicht entscheidend, ob die Maßnahme zu einer Werterhöhung des Grundstücks führt (BFH-Urteile vom 13. September 1984 IV R 101/82, BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49, sowie in BFH/NV 1994, 471).

Die Vorinstanz ist von diesen Grundsätzen ausgegangen und aufgrund der tatrichterlichen Würdigung der festgestellten Umstände des Streitfalls zu der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Schlußfolgerung gelangt, daß das Grundstück der Klägerin durch die Erschließungsmaßnahme in seiner Substanz oder in seinem Wesen nicht verändert worden ist. Vielmehr sei lediglich eine technische Verbesserung des seit 1956 bestehenden Erschließungsvorteils eingetreten. Der BFH kann als Revisionsinstanz nicht seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzen, wenn diese -- wie im Streitfall -- möglich ist (BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9). Die Beurteilung des FG ist damit gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) für den Senat bindend. Das FG hat festgestellt, daß sich die tatsächliche und funktionale Situation für das Grundstück und den Gewerbebetrieb der Klägerin durch den Ausbau der P-Straße gegenüber der bisherigen Zufahrt über die R-Straße nicht verändert hat.

Die vom FA erst im Revisionsverfahren angeführten Änderungen, die sich in wegerechtlicher Hinsicht ergeben haben sollen -- Widmung der R-Straße als öffentlicher Feld- und Waldweg, der P-Straße aber als allgemeine Ortsstraße --, sind vom FG nicht festgestellt worden. Sie können aber auch ungeachtet dessen außer Betracht bleiben, da sie die Straßen und nicht das gewerblich genutzte Grundstück betreffen. Verbesserungen hätten sich hierdurch für die Klägerin auch nicht dadurch ergeben, daß sie -- wie die Revision annimmt -- die R-Straße bislang nur im Wege einer Sondernutzung nutzte, während ihr an der P-Straße nunmehr Gemeingebrauch zustand. Da sich keine tatsächlichen Nutzungsänderungen ergeben haben und die Klägerin die R- Straße nach Lage der Dinge ebensowenig wie die P-Straße aufgrund einer Genehmigung der Straßenbaubehörde nutzte, hätte sich eine unter Umständen geänderte Rechtslage nach dem Straßen- und Wegerecht für sie jedenfalls nicht ausgewirkt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65484

BFH/NV 1995, 770

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