Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausgleichsbetrag: Betriebsausgabe oder Anschaffungskosten?

 

Leitsatz (NV)

Die Zuordnung des gemäß § 41 Abs. 8 des Städtebauförderungsgesetzes (heute: § 154 des Baugesetzbuches) gezahlten Ausgleichsbetrags zu den Betriebsausgaben oder Anschaffungskosten bestimmt sich nach den allgemeinen, zu den Erschließungsbeiträgen entwickelten Rechtsgrundsätzen.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4, § 6 Abs. 1 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Städtische Sparkasse. Mit Bescheid vom 4. Juli 1985 setzte die Stadt A gemäß § 41 Abs. 8 des Städtebauförderungsgesetzes (StBauFG) für Grundstücke der Klägerin wegen der städtebaulichen Sanierungsmaßnahme B einen Ausgleichsbetrag in Höhe von ... DM fest. Nachdem die Klägerin diesen Betrag ursprünglich als Anschaffungskosten auf Grund und Boden aktiviert hatte, beantragte sie im Rahmen einer Betriebsprüfung, von der Aktivierung abzusehen und den Ausgleichsbetrag als Betriebsausgaben zu behandeln. Dieser Antrag wurde vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) abgelehnt.

Während das Einspruchsverfahren erfolglos blieb, gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung bilanzsteuerrechtlicher Vorschriften.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Der Ausgleichsbetrag ist im Streitfall nicht zu aktivieren, so daß die bisherige Bilanzierung unrichtig war.

1. In nunmehr ständiger Rechtsprechung beurteilt der Bundesfinanzhof (BFH) den Charakter von Erschließungsbeiträgen, die nach geltendem Recht von dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten eines Grundstücks eingefordert werden, danach, ob sie die Errichtung einer erstmaligen Anlage oder die Ersetzung bzw. Modernisierung bereits vorhandener Anlagen finanzieren. Beiträge zur Finanzierung erstmaliger Erschließungsanlagen werden beim Grund und Boden aktiviert (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1989 IX R 138/88, BFH/NV 1989, 633; vom 27. September 1991 III R 76/89, BFH/NV 1992, 488; vom 15. Februar 1989 X R 6/86, BFH/NV 1989, 494; vom 16. November 1982 VIII R 167/78, BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111; vom 26. Januar 1984 IV R 30/80, BFHE 140, 572, BStBl II 1984, 480; vgl. aber auch BFH-Urteil vom 12. April 1984 IV R 137/80, BFHE 140, 573, BStBl II 1984, 489). Diese Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß der erstmalige Anschluß an öffentliche Einrichtungen dem Grundstück ein besonderes, über den bisherigen Zustand hinausgehendes Gepräge gibt. Finanzierungsbeiträge für die Ersetzung oder Modernisierung vorhandener Erschließungsanlagen werden als Betriebsausgaben zum sofortigen Abzug zugelassen (vgl. BFH-Urteile vom 2. Mai 1990 VIII R 198/85, BStBl II 1991, 448; vom 13. September 1984 IV R 101/82, BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49; vom 4. November 1986 VIII R 322/83, BFHE 148, 513, BStBl II 1987, 333). Wird ein Grundstück durch die ersetzenden oder modernisierenden Maßnahmen allerdings in seiner Substanz oder seinem Wesen verändert, so sind die hierauf entfallenden Aufwendungen zu aktivieren (vgl. BFH in BStBl II 1991, 448; BFH/NV 1991, 29).

Steigerungen des Grundstückswerts allein führen nicht zur Aktivierung. Zwar setzt das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip (vgl. heute § 252 Abs. 1 Nr. 4 des Handelsgesetzbuches - HGB -) für die Aktivierung eine Wertsteigerung voraus. Nicht jede Wertsteigerung zwingt aber zur Aktivierung. Dementsprechend werden Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten bei Gebäuden nach der Veränderung der Substanz und der Wesensart, nicht anhand tatsächlich eingetretener Werterhöhungen abgegrenzt (vgl. hierzu BFH in BStBl II 1991, 448; BFH/NV 1991, 29; BFH-Urteil vom 27. Juni 1990 I R 18/88, BFH/NV 1991, 34; Glanegger, Der Betrieb - DB - 1987, 2115/8; Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672).

Dem vom FA in diesem Zusammenhang zitierten Urteil des BFH vom 6. Juli 1989 IV R 27/87 (BFHE 157, 554, BStBl II 1990, 126) kann Abweichendes nicht entnommen werden. Es betrifft die Aktivierung der im Rahmen eines Umlegungsverfahrens erworbenen Grundstücke. Auch die zwangsweise Erhebung von Beiträgen hindert nicht die Annahme von Betriebsausgaben oder Werbungskosten (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 142, 247, BStBl II 1985, 49; vom 25. August 1982 I R 130/78, BFHE 136, 409, BStBl II 1983, 38; in BFHE 148, 513, BStBl II 1987, 333). Ob in Fällen freiwilliger Zuschüsse nach besonderen Kriterien zu entscheiden ist, kann im Streitfall offenbleiben (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. April 1984 IV R 137/80, BFHE 140, 573, BStBl II 1984, 489).

2. Diese Grundsätze gelten auch für den anläßlich einer städtebaulichen Sanierung zu zahlenden Ausgleichsbetrag gemäß § 41 Abs. 8 StBauFG (heute § 154 des Baugesetzbuches - BauGB -; ebenso Schindhelm/Wilde, DB 1991, 727/9).

Die Besonderheit besteht allerdings darin, daß der Ausweis eines Sanierungsgebiets die Notwendigkeit einer Gesamtmaßnahme, d.h. eines Bündels von Einzelmaßnahmen, voraussetzt (vgl. § 1 Abs. 1 StBauFG; heute § 136 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes - BBauG -; Schlichter/Stich/ Krantzberger, Städtebauförderungsgesetz, 2. Aufl., § 1 Rdnr. 3; Schlichter in Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, 1988, § 136 Rdnr. 3). Die einzelnen Maßnahmen sind steuerlich anhand der zu den Erschließungsanlagen entwickelten Kriterien den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten oder den sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben zuzuordnen (ebenso Schindhelm/Wilde, Die Abschöpfung des Sanierungserwerbs, Osnabrücker rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Bd.30, 78).

Bilanzsteuerlich unerheblich ist, daß der Ausgleichsbetrag gemäß § 41 Abs. 8 StBauFG (§ 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB) der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts des jeweiligen Grundstücks entspricht, während die Beiträge anläßlich einzelner Erschließungsmaßnahmen den anderweitig nicht gedeckten Aufwand der öffentlichen Hand auf die erschlossenen Grundstücke verteilen (vgl. § 127 Abs. 1 i.V.m. §§ 130, 131 BBauG). Die Anknüpfung an die Wertsteigerung der Grundstücke dient der sachgerechten Beteiligung der Grundstückseigentümer an den Gesamtkosten der Sanierungsmaßnahme (vgl. Regierungsbegründung zum StBauFG, BTDrucks VI/510 zu § 37 S. 45). Der Erhebung des Ausgleichsbetrags liegt daher stets eine Erhöhung des Grundstückswerts zugrunde. Diese allein führt aber, wie dargestellt, noch nicht zur Aktivierung des Ausgleichsbetrags. Eine möglicherweise andere Interpretation der Ausführungen im Urteil des VIII.Senats in BFHE 137, 55, BStBl II 1983, 111 ist nach der Klarstellung durch den VIII.Senat in BFH/NV 1991, 29, BStBl II 1991, 448 ausgeschlossen.

Der Senat verkennt nicht, daß die unterschiedliche bilanzsteuerliche Behandlung der Einzelmaßnahmen im Rahmen einer städtebaulichen Gesamtsanierungsmaßnahme zu Bewertungsschwierigkeiten führt, da sich der Ausgleichsbetrag nach der durch die Gesamtmaßnahme eingetretenen Werterhöhung des Grundstücks berechnet. Bewertungsprobleme haben aber auf die Frage, ob Aufwand dem Grunde nach zu aktivieren ist, keinen Einfluß.

3. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist der sofortige Abzug des streitigen Ausgleichsbetrags nicht zu beanstanden.

Zwar hat das FG die städtebauliche Sanierungsmaßnahme als einheitliche Maßnahme beurteilt. Seine tatsächlichen Feststellungen reichen jedoch aus, eine Aktivierung auszuschließen.

Nach den Feststellungen des FG in der Urteilsbegründung hat sich im Streitfall unstreitig weder die Erschließung der Grundstücke noch der Anschluß an die Versorgungseinrichtungen o.ä. geändert. Nach den Feststellungen des FG sind die Grundstücke der Klägerin in ihrem Wesen unverändert geblieben. Diese Feststellungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Charakter eines Grundstücks bestimmt sich nach grundstücksbezogenen Kriterien, wie insbesondere der Größe, der Lage, dem Zuschnitt, der Erschließung, dem Grad der Bebaubarkeit. Solange diese unverändert bleiben, ist das Wesen des Grundstücks unverändert. Bloße Verbesserungen des Umfeldes lassen den Grundstückscharakter unberührt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64541

BFH/NV 1994, 471

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