Entscheidungsstichwort (Thema)

Besteuerung von Lambrusco als Schaumwein

 

Leitsatz (NV)

1. Glasflaschen, die einen Wulst am Flaschenhals zur Befestigung einer besonderen Haltevorrichtung und einen, wenn auch nur geringfügig nach innen gewölbten Flaschenboden aufweisen und noch dazu in der Lage sind, einen gewissen Druck der abgefüllten Flüssigkeit auszuhalten, sind sowohl nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als auch nach ihrer Funktion als Schaumweinflaschen i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG anzusehen.

2. Zur handelsüblichen Aufmachung von Schaumwein (Bestätigung der Rechtsprechung im Anschluß an BFH/NV 1994, 58).

 

Normenkette

SchaumwStG § 1 Abs. 3 Nr. 1; SchaumwZwStG § 1 Abs. 2; EWGV 3309/85 Art. 3, 5, 10; EWGV 2333/92 Art. 10, 18-19; Richtlinie 92/83/EWG Art. 8 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) forderte mit Steueränderungsbescheid Schaumweinsteuer wegen einer im Juli 1989 erfolgten Einfuhr von ... Flaschen des italienischen Perlweins Lambrusco ... von der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) nach.

Der Wein war in Flaschen abgefüllt, die einen innengewölbten Flaschenboden und einen Wulst am Flaschenhals aufwiesen. Die Flaschen waren mit einem pilzförmigen Stopfen, der mit einer korbähnlichen Drahtvorrichtung gesichert und verschlossen war, versehen. Der Stopfen war ganz und der Flaschenhals teilweise mit einer Aluminiumfolie verkleidet. Das Etikett der Flaschen trug u.a. die Bezeichnung Vino frizzante.

Der gegen den Steueränderungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen gerichteten Klage im wesentlichen mit folgender Begründung statt: Für den Wein mit einem Kohlensäureüberdruck von weniger als 3 bar dürfe keine Schaumweinsteuer erhoben werden, weil er nicht als Schaumwein i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Schaumweinsteuergesetzes (SchaumwStG) gelte; er weise nämlich nicht die Aufmachung auf, die bei Schaumweinen handelsüblich sei. Obschon die Flaschen einen Stopfen mit Haltevorrichtung aufwiesen, wobei der Stopfen ganz und der Flaschenhals zu einem Teil mit einer Folie ummantelt gewesen seien, konkurriere der Lambrusco nach seiner Gesamtaufmachung nicht mit anderen auf dem Markt befindlichen Schaumweinen. Hierfür sprächen die Verwendung üblicher, nach Größe und Gewicht typischer Weinflaschen, die nur einen ganz schwach nach innen gewölbten Flaschenboden besäßen und durch keine in Erscheinung tretende Bauchigkeit gekennzeichnet seien, die mangelnde Länge der Folie, die nicht bis zur Halsetikettierung herabreiche, die Form und die Gestaltung dieser Banderole sowie die Sichtbarkeit der Füllhöhe, die nur ca. 2 cm unter die Stanniolfolie reiche.

Mit der Revision rügt das HZA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt sinngemäß vor, das FG habe den Begriff der handelsüblichen Aufmachung von Schaumwein i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG verkannt. Im Hinblick auf Art. 9 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 3309/85 (VO Nr. 3309/85) des Rates vom 18. November 1985 zur Festlegung der Grundregeln für die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 320/9) seien die vom FG für die rechtliche Beurteilung der Handelsüblichkeit der Aufmachung von Schaumwein herangezogenen Kriterien ohne Bedeutung. Weder die Beschaffenheit, Größe und Form der Folie noch das Fehlen der Banderole am Ende dieser Folie noch die Füllhöhe gäben hierfür taugliche Anhaltspunkte.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den Begriff der handelsüblichen Aufmachung bei Schaumwein i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG verkannt. Im Gegensatz zur Ansicht des FG rechtfertigen die von ihm festgestellten Tatsachen den Schluß, daß es sich bei den eingeführten Waren um der Schaumweinbesteuerung unterworfenen Gilt-Schaumwein handelt.

1. Nach dem auf den Streitfall anwendbaren § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SchaumwStG a.F. (i.d.F. des Gesetzes vom 4. Juni 1971, BGBl I, 745) gilt jedes (andere) aus frischen Weintrauben, Traubenmost oder Wein hergestellte alkohol- und kohlensäurehaltige Getränk mit geringerem Kohlensäureüberdruck als 3 bar als Schaumwein und unterliegt infolgedessen der Schaumweinsteuer, wenn es in Schaumweinflaschen enthalten ist und eine Aufmachung aufweist, die bei Schaumwein handelsüblich ist. Ein Unterdruckprodukt dieser Art ist (Ersatz-)Steuergegenstand. Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, daß eine mit der Nichtbesteuerung als Schaumwein verbundene ungerechtfertigte steuerliche Bevorzugung solcher (Substitutions-)Erzeugnisse, wie sie zunehmend eingeführt wurden, beseitigt werden sollte (amtliche Begründung zum Gesetz vom 4. Juni 1971, BTDrucks VI/1871, S. 3f.).

Der Steuertatbestand ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz erfüllt. Das gilt zunächst für das Besteuerungsmerkmal der Abfüllung in Schaumweinflaschen. Zwar hat das FG - von seinem Standpunkt zu Recht - es dahinstehen lassen, ob die Flaschen, in denen der eingeführte Lambrusco enthalten ist, als Schaumweinflaschen im Sinne dieser Vorschrift anzusehen sind. Seine tatsächlichen Feststellungen ermöglichen es dem Senat jedoch, eine rechtliche Schlußfolgerung dahin zu ziehen, ob die Flaschen als Schaumweinflaschen im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen sind. Glasflaschen, die einen Wulst am Flaschenhals zur Befestigung einer besonderen Haltevorrichtung und einen, wenn auch nur geringfügig nach innen gewölbten Flaschenboden aufweisen und dazu noch in der Lage sind, einen gewissen Druck der abgefüllten Flüssigkeit (hier des Perlweins) auszuhalten, sind sowohl nach ihrem äußeren Erscheinungsbild als auch nach ihrer Funktion als Schaumweinflaschen anzusehen (so im übrigen auch die Vorinstanz in einem Parallelfall, vgl. Senatsurteil vom 9. Februar 1993 VII R 90/92, BFH/NV 1994, 58).

Entgegen der Ansicht des FG ist jedoch auch das weitere Besteuerungsmerkmal einer bei Schaumwein handelsüblichen Aufmachung im Streitfall erfüllt. Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, daß die handelsübliche Aufmachung einer Ware grundsätzlich durch die an gesetzlichen Vorgaben ausgerichteten Gepflogenheiten des Marktes bestimmt wird (so bereits Senat, Urteil vom 28. Juli 1992 VII R 84, 85/91, BFHE 169, 266; FG München, Urteil vom 7. September 1988 3 K 1675/88, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 192). Hier zu beachten war zum Einfuhrzeitpunkt vor allem die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der VO Nr. 3309/85 enthaltene Regelung über die Aufmachung von Schaumwein. Hiernach muß die Schaumweinflasche mit einem pilzförmigen Stopfen aus Kork oder einem anderen für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassenen Stoff mit Haltevorrichtung verschlossen sein, wobei der Stopfen ganz und der Flaschenhals mindestens teilweise mit Folie umkleidet sein muß (vgl. auch den damals noch geltenden § 10 Abs. 2 der Schaumwein-Branntwein-Verordnung vom 15. Juli 1971, BGBl I, 939). Diese unmittelbar nur für die Vermarktung von Schaumwein geltenden Regeln legen zugleich die Aufmachung von Schaumweinflaschen fest, damit die Aufmachung, die ausschließlich, zumindest aber auch handelsüblich ist (hier i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG, vgl. BFHE 169, 266). Glasflaschen, die diesem Standard entsprechen, weisen somit bereits eine handelsübliche Aufmachung auf, ohne daß es darauf ankäme, ob im Einzelfall noch andere im Handel verbreitete Eigenschaften der Flasche, die ihrer Aufmachung zuzurechnen sind, vorhanden sind (BFH/NV 1994, 58).

Die Aufmachung der von der Klägerin eingeführten Erzeugnisse entspricht nach den Tatsachenfeststellungen des FG den Anforderungen des Art. 10 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der VO Nr. 3309/85. Sie muß daher als handelsüblich angesehen werden. Zu Unrecht hat das FG diese Anforderungen verschärft, indem es unter dem Blickwinkel, daß das eingeführte Erzeugnis nicht mit anderen auf dem Markt befindlichen Schaumweinen konkurriere, für die Handelsüblichkeit der Aufmachung zusätzlich eine größere Bauchigkeit der Flasche, eine längere, bis zur Halsetikettierung der Flasche reichende Folie und ein anderes Aussehen dieser Banderole in Form und Gestaltung verlangt. Es kann dahinstehen, ob diese Kriterien überhaupt einem - ungeschriebenen - Handelsbrauch entsprechen, denn jedenfalls liegen sie außerhalb des den Mindeststandard der Aufmachung festlegenden Anwendungsbereichs der genannten Vorschrift. Hiernach müssen auch geringerbauchige Flaschen, bei denen die Folie nicht bis zur Halsetikettierung herabreicht, die selbst nur eine ovale Form aufweist und nicht den gesamten Flaschenhals umgibt, als von handelsüblicher Aufmachung angesehen werden.

Das weitere Kriterium, auf das sich das FG stützt, die geringe, von außen sichtbare Füllhöhe, durfte für die Auslegung des Begriffs der handelsüblichen Aufmachung nicht herangezogen werden, weil es nicht die Aufmachung von Schaumwein betrifft. Die Füllhöhe des Flascheninhalts hat mit der Aufmachung des Schaumweins nichts zu tun. Der Begriff Aufmachung bezieht sich nicht auf das Getränk als solches, insbesondere nicht auf den Inhalt der Flasche, sondern lediglich auf das äußere Erscheinungsbild der Flasche, so wie sie im Verkehr angeboten und zum Verkauf gebracht wird (vgl. BFH/NV 1994, 58).

Auch die Angabe auf dem Etikett Vino frizzante gehört nicht zur Aufmachung, sondern zur Bezeichnung des Schaumweins. Diese Begriffe werden sowohl in § 1 Abs. 3 Nr. 1 (Aufmachung) und Nr. 2 (Bezeichnung) SchaumwStG als auch in der VO Nr. 3309/85 (Titel I, Art. 3 ff.: Bezeichnung; Titel II, Art. 9 ff.: Aufmachung) ausdrücklich unterschieden. Hiernach gehören jedenfalls die inhaltlichen Angaben auf dem Etikett, darunter u.a. die Verkehrsbezeichnung des Erzeugnisses, nicht zur Aufmachung des Schaumweins (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. c i.V.m. Art. 5 Abs. 2 bzw.3 der VO Nr. 3309/85). Die Bezeichnung Vino frizzante ist hier also ohne Bedeutung, selbst wenn diese Etikettierung auf einen anderen Wein als Schaumwein hinweist (vgl. BFHE 169, 266).

In seiner Auffassung sieht sich der Senat durch die weitere Rechtsentwicklung bestärkt. Während die Verordnung (EWG) Nr. 2333/92 des Rates vom 13. Juli 1992 zur Festlegung der Grundregeln für die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure (ABlEG L 231/9), die nach ihren Art. 18 und 19 am 1. September 1992 an die Stelle der VO Nr. 3309/85 getreten ist, die alten Bestimmungen im wesentlichen wiederaufgenommen hat (allerdings ist ab 1. Januar 1993 die Verwendung bleihaltiger Folien verboten: Art. 10 Abs. 1 Unterabs.2 i.V.m. Art. 19 Unterabs.2 dieser Verordnung), ist seit 1. Januar 1993 die handelsübliche Aufmachung als solche kein Besteuerungsmerkmal mehr. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen i.d.F. von Art. 4 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2150, 2176) unterliegen, im Einklang mit Art. 8 Nr. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABlEG L 316/21), entsprechende alkoholische Getränke bereits dann der Schaumweinbesteuerung, wenn sie in Flaschen mit Schaumweinstopfen, der durch eine besondere Haltevorrichtung befestigt ist, enthalten sind. Damit werden aus dem bisherigen Besteuerungsmerkmal der handelsüblichen Aufmachung gerade die Kernelemente als Anknüpfungspunkte der Besteuerung herausgegriffen, die nach Auffassung des Senats für die Auslegung dieses Begriffes auch bisher dafür maßgeblich waren (so schon BFH/NV 1994, 58).

2. Gemeinschaftsrecht steht der Besteuerung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG nicht entgegen. Dieser nationale Steuertatbestand tangiert weder Art. 30 EG-Vertrag noch verstößt er gegen das Verbot der Diskriminierung von Waren aus anderen Mitgliedstaaten (Art. 95 EG-Vertrag), wie der Senat in BFHE 169, 266 ausführlich begründet hat. Die Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH war daher nicht angebracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419763

BFH/NV 1994, 905

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