Entscheidungsstichwort (Thema)

Handelsübliche Aufmachung von Schaumwein

 

Leitsatz (NV)

Das Besteuerungsmerkmal der handelsüblichen Aufmachung in § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG a.F. erfaßt in Anlehnung an die im Gemeinschaftsrecht für die Vermarktung von Schaumwein geltenden Regeln lediglich die typischen Aufmachungselemente hinsichtlich des Behältnisses und des Verschlusses (pilzförmiger Stopfen mit Haltevorrichtung, Ummantelung des Stopfens und teilweise des Flaschenhalses mit Folie), nicht jedoch die Bezeichnung des Erzeugnisses in der Etikettierung und deren Aufmachung.

 

Normenkette

SchaumwStG § 1 Abs. 3 Nr. 1; SchaumwZwStG § 1 Abs. 2; EWGV 3309/ 85 Art. 1, 3, 5, 10; EWGV 2333/92 Art. 10, 18-19; Richtlinie 92/83/EWG Art. 8 Nr. 2

 

Tatbestand

Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA -) setzte Schaumweinsteuer und Einfuhrumsatzsteuer wegen einer im April 1990 erfolgten Einfuhrabfertigung von ... Flaschen Prosecco di Valdobbiadene aus Italien gegen die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) als Vertreterin ohne Vertretungsmacht fest.

Der eingeführte Wein war in grünen Flaschen, die einen Wulst am Flaschenhals und einen gering nach innen gewölbten Flaschenboden aufwiesen, abgefüllt. Die Flaschen waren mit einem pilzförmigen Stopfen mit einer besonderen Haltevorrichtung verschlossen. Der Stopfen war ganz und der Flaschenhals bis zum Ende der Haltevorrichtung mit einer Folie ummantelt. Die Flaschenfüllung reichte - von außen deutlich erkennbar - bis ca. 2 cm an diese Folie heran. Das Etikett beschreibt den Inhalt u.a. als Italienischen Perlwein. Der Kohlensäureüberdruck in der Flasche betrug bei einer von der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt der dem HZA vorgesetzten Oberfinanzdirektion (OFD) durchgeführten Untersuchung 2,0 bar.

Der gegen den Steuerbescheid eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin eingelegten Klage mit folgender Begründung statt: Für den Wein dürfe keine Schaumweinsteuer erhoben werden, weil er nicht als Schaumwein i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Schaumweinsteuergesetzes (SchaumwStG) gelte; er weise nämlich eine Aufmachung auf, die bei Schaumweinen nicht handelsüblich sei. Obschon die Flaschen hinsichtlich ihres Verschlusses die EG-rechtlichen Gebote für die Aufmachung von Schaumwein erfüllten (pilzförmiger Stopfen mit Haltevorrichtung, vollständige Umkleidung des Stopfens und mindestens teilweise Umkleidung des Flaschenhalses mit Folie), konkurriere der Prosecco wegen seiner restlichen Aufmachung nicht mit anderen auf dem Markt befindlichen Schaumweinen. Hierfür sprächen die im Vergleich zu anderen Produkten ungewöhnlich sparsame Etikettierung (handelsübliche Schaumweine hätten nach Kenntnis des Senats am Ende der Folie eine breitere Banderole, die zum Teil auch auf der Mitte der Flasche angebracht sei), die ausdrückliche Bezeichnung auf dem Etikett als italienischer Perlwein, die für Schaumweine völlig unübliche geringe Füllhöhe, die geringe Bauchigkeit und die grüne Farbe der Flaschen.

Mit der Revision rügt das HZA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt sinngemäß vor, das FG habe den Begriff der handelsüblichen Aufmachung von Schaumwein i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG verkannt. Im Hinblick auf Art. 3 und Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 3309/85 (VO Nr. 3309/ 85) des Rates vom 18. November 1985 zur Festlegung der Grundregeln für die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 320/9) seien die vom FG für die rechtliche Beurteilung der Handelsüblichkeit der Aufmachung von Schaumwein herangezogenen Kriterien ohne Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den Begriff der handelsüblichen Aufmachung bei Schaumwein i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG verkannt. Im Gegensatz zur Ansicht des FG rechtfertigen die von ihm festgestellten Tatsachen den Schluß, daß es sich bei den eingeführten Waren um der Schaumweinbesteuerung unterworfenen Gilt-Schaumwein handelt.

Nach dem auf den Streitfall anwendbaren § 1 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SchaumwStG (i.d.F. des Gesetzes vom 4. Juni 1971, BGBl I, 745) gilt jedes (andere) aus frischen Weintrauben, Traubenmost oder Wein hergestellte alkohol- und kohlensäurehaltige Getränk mit geringerem Kohlensäureüberdruck als 3 bar als Schaumwein und unterliegt infolgedessen der Schaumweinsteuer, wenn es in Schaumweinflaschen enthalten ist und eine Aufmachung aufweist, die bei Schaumwein handelsüblich ist. Ein Unterdruckprodukt dieser Art ist (Ersatz-)Steuergegenstand. Der Regelung liegt die Erwägung zugrunde, daß eine mit der Nichtbesteuerung als Schaumwein verbundene ungerechtfertigte steuerliche Bevorzugung solcher (Substitutions-)Erzeugnisse, wie sie zunehmend eingeführt wurden, beseitigt werden sollte (amtliche Begründung zum Gesetz vom 4. Juni 1971, BTDrucks VI/ 1871, S.3f.).

Der Steuertatbestand ist entgegen der Ansicht der Vorinstanz erfüllt. Unstreitig ist zunächst, daß das streitbefangene Getränk, ein Unterdruckprodukt i.S. des § 1 Abs. 3 SchaumwStG, in Schaumweinflaschen enthalten ist. Das FG hat die Umschließungen des Getränks entsprechend ihrer Beschaffenheit nach dem Erscheinungsbild als Schaumweinflaschen angesehen. Diese Beurteilung ist, weil zumindest möglich, der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 118 Anm. 40).

Entgegen der Ansicht des FG ist jedoch auch das weitere Besteuerungsmerkmal einer bei Schaumwein handelsüblichen Aufmachung im Streitfall erfüllt. Der Senat teilt den Ansatz der Vorinstanz, daß die handelsübliche Aufmachung einer Ware grundsätzlich durch die an gesetzlichen Vorgaben ausgerichteten Gepflogenheiten des Marktes bestimmt wird (so bereits Senat, Urteil vom 28. Juli 1992 VII R 84, 85/91, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1992, 723, BFHE 169, 266; FG München, Urteil vom 7. September 1988 3 K 1675/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 192). Hier zu beachten war zum Einfuhrzeitpunkt vor allem, wie auch das FG erkannt hat, die in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der VO Nr. 3309/85 enthaltene Regelung über die Aufmachung von Schaumwein. Hiernach muß die Schaumweinflasche mit einem pilzförmigen Stopfen aus Kork oder einem anderen für den Kontakt mit Lebensmitteln zugelassenen Stoff mit Haltevorrichtung verschlossen sein, wobei der Stopfen ganz und der Flaschenhals mindestens teilweise mit Folie umkleidet sein muß (vgl. auch den damals noch geltenden § 10 Abs. 2 der Schaumwein-Branntwein-Verordnung vom 15. Juli 1971, BGBl I, 939). Diese unmittelbar nur für die Vermarktung von Schaumwein geltenden Regeln legen zugleich die Aufmachung von Schaumweinflaschen fest, damit die Aufmachung, die ausschließlich, zumindest aber auch handelsüblich ist (hier i.S. von § 1 Abs. 3 Nr. 1 SchaumwStG; vgl. Senat in HFR 1992, 723). Glasflaschen, die diesemMindeststandard entsprechen, weisen somit bereits eine handelsübliche Aufmachung auf, ohne daß es darauf ankäme, ob im Einzefall noch andere im Handel verbreitete Eigenschaften der Flasche, die ihrer Aufmachung zuzurechnen sind, vorhanden sind.

Die Aufmachung der von der Klägerin im Streitfall eingeführten Erzeugnisse entspricht nach den Tatsachenfeststellungen des FG den Anforderungen von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a erster Gedankenstrich der VO Nr. 3309/85. Sie muß daher als handelsüblich angesehen werden. Zu Unrecht hat das FG diese Anforderungen verschärft, indem es unter dem Blickwinkel, daß das eingeführte Erzeugnis nicht mit anderen auf dem Markt befindlichen Schaumweinen konkurriere, für die Handelsüblichkeit der Aufmachung zusätzlich eine größere Bauchigkeit der Flasche und eine andere Farbe als grün verlangt. Es kann dahinstehen, ob diese Kriterien überhaupt einem ungeschriebenen Handelsbrauch, wie die Klägerin meint, entsprechen, denn jedenfalls liegen sie außerhalb des den Mindeststandard der Aufmachung festlegenden Anwendungsbereichs der genannten Vorschrift. Hiernach müssen auch andere als grüne und geringerbauchige Flaschen als von handelsüblicher Aufmachung angesehen werden.

Die weiteren Kriterien, auf die sich das FG stützt, durften für die Auslegung des Begriffs der handelsüblichen Aufmachung nicht herangezogen werden. Sie sind schon deshalb untauglich, weil sie nicht die Aufmachung von Schaumwein betreffen.

Die Füllhöhe des Flascheninhalts hat mit der Aufmachung des Schaumweins nichts zu tun. Der Begriff Aufmachung bezieht sich nicht auf das Getränk als solches, insbesondere nicht auf den Inhalt der Flasche, sondern lediglich auf das äußere Erscheinungsbild der Flasche, so wie sie im Verkehr angeboten und zum Verkauf gebracht wird.

Die Angabe auf dem Etikett Italienischer Perlwein gehört nicht zur Aufmachung, sondern zur Bezeichnung des Schaumweins. Diese Begriffe werden sowohl in § 1 Abs. 3 Nr. 1 (Aufmachung) und Nr. 2 (Bezeichnung) SchaumwStG als auch in der VO Nr. 3309/85 (Titel I, Art. 3ff.: Bezeichnung; Titel II, Art. 9ff.: Aufmachung) ausdrücklich unterschieden. Hiernach gehören jedenfalls die inhaltlichen Angaben auf dem Etikett, darunter u.a. die Verkehrsbezeichnung des Erzeugnisses und die Angabe des Restzuckergehalts, nicht zur Aufmachung des Schaumweins (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a bzw. c i.V.m. Art. 5 Abs. 2 bzw. 3 der VO Nr. 3309/85). Die Bezeichnung Italienischer Perlwein bzw. Vino frizzante ist hier also ohne Bedeutung, selbst wenn diese Etikettierung auf einen anderen Wein als Schaumwein hinweist (vgl. Senat in HFR 1992, 723).

Von der Bezeichnung in der Etikettierung (vgl. Art. 1 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 3309/85) - nicht zur Aufmachung gehörig - ist die Aufmachung hinsichtlich der Etikettierung (vgl. Art. 1 Abs. 3 Bucsht.b VO Nr. 3309/85) zu unterscheiden. Diese darf zwar, wie sich aus der systematischen Stellung des Art. 10 Abs. 2 VO Nr. 3309/85 und den dort angeführten Regelungsbereichen (Platz des Etiketts auf dem Behältnis, Mindestabmessungen, Größe der Schriftzeichen usw.) ergibt, im weiteren Sinne zur Aufmachung des Schaumweins gerechnet werden, hat aber gegenüber der Aufmachung im engeren Sinne, nämlich des Behältnisses, einschließlich des Verschlusses (vgl. Art. 1 Abs. 3 Buchst. a VO Nr. 3309/85), nur untergeordnete Bedeutung. Dies wird bestätigt durch den zwölften Erwägungsgrund der VO Nr. 3309/85, der allein den Verschluß als typisches Aufmachungselement zur Unterscheidung von Schaumwein von anderen Erzeugnissen anspricht.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 10 Abs. 1 Buchst. b VO Nr. 3309/85. Dort wird nicht etwa die Etikettierung als solche (also einschließlich der Bezeichnung in der Etikettierung) als Element der Aufmachung eingestuft, vielmehr wird dort mit der ordnungsgemäßen Etikettierung lediglich eine weitere Voraussetzung (neben dem Verschluß in Buchst. a) für die Vermarktung von Schaumwein aufgestellt.

Bei diesem Befund könnte allenfalls die vom FG festgestellte sparsame Etikettierung der Flasche bezüglich ihrer Aufmachung im weiteren Sinne als Beurteilungskriterium eine Rolle spielen. Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß der nationale Gesetzgeber diese Aufmachung im weiteren Sinne überhaupt unter dem Begriff Aufmachung in § 1 Abs. 3 SchaumwStG erfassen wollte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß er diesen Begriff auf die typischen Aufmachungselemente hinsichtlich des Behältnisses und Verschlusses beschränken wollte, so wie es auch der Gemeinschaftsgesetzgeber im zwölften Erwägungsgrund und in Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 3309/85 sieht. Es wäre im übrigen auch sinnwidrig, wenn die Aufmachung hinsichtlich der Etikettierung als Beurteilungs- und Besteuerungskriterium herangezogen werden dürfte, wenn demgegenüber die Berücksichtigung der im Verkehr viel wesentlicheren Bezeichnung des Erzeugnisses in der Etikettierung, wie ausgeführt, hierfür unmaßgeblich ist.

In dieser Auffassung sieht sich der Senat durch die weitere Rechtsentwicklung bestärkt. Während die Verordnung (EWG) Nr. 2333/92 des Rates vom 13. Juli 1992 zur Festlegung der Grundregeln für die Bezeichnung und Aufmachung von Schaumwein und Schaumwein mit zugesetzter Kohlensäure (ABlEG L 231/9), die nach ihren Art. 18 und 19 am 1. September 1992 an die Stelle der VO Nr. 3309/85 getreten ist, die alten Bestimmungen im wesentlichen wieder aufgenommen hat (allerdings ist ab 1. Januar 1993 die Verwendung bleihaltiger Folien als Ummantelung verboten: Art. 10 Abs. 1 Unterabs.2 i.V.m. Art. 19 Unterabs.2 dieser Verordnung), ist seit 1. Januar 1993 die handelsübliche Aufmachung als solche kein Besteuerungsmerkmal mehr. Nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen i.d.F. von Art. 4 des Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2150, 2176) unterliegen, im Einklang mit Art. 8 Nr. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/83/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (AblEG L 316/21), entsprechende alkoholische Getränke bereits dann der Schaumweinbesteuerung, wenn sie in Flaschen mit Schaumweinstopfen, der durch eine besondere Haltevorrichtung befestigt ist, enthalten sind. Damit werden aus dem bisherigen Besteuerungsmerkmal der handelsüblichen Aufmachung gerade die Kernelemente als Anknüpfungspunkte der Besteuerung herausgegriffen, die nach Auffassung des Senats für die Auslegung dieses Begriffes auch bisher am wesentlichsten waren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419017

BFH/NV 1994, 58

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