Leitsatz (amtlich)

Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsischen GrEAgrG ist auch dann anwendbar, wenn der Erwerber im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs von seinen Eltern bereits einen Hof durch notariell beurkundeten Übergabevertrag unter Auflassungsvormerkung erworben und dabei eine unmittelbar zum bürgerlich-rechtlichen Eigentum führende, diesem nach den besonderen Umständen nahekommende Stellung erhalten hat.

 

Normenkette

Nds. GrEAgrG vom 25. März 1959 (GVBl S. 57) § 1 Abs. 1 Nr. 1

 

Tatbestand

Der Kläger, ein Landwirt, erwarb durch notariell beurkundeten, am 13. September 1967 genehmigte "Hofübertragungsvertrag" vom 3. Juli 1967 den Grundbesitz (zwei Höfe) seiner Eltern. Beide Höfe wurden gemeinsam von einer Hofstelle aus bewirtschaftet. Nach dem Vertrag waren die Höfe am 1. Juli 1967 übergeben und Nutzungen, Lasten und Schulden einschließlich der "aus dem derzeitigen Neubau noch anfallenden Handwerker- und sonstigen Baurechnungen" vom Kläger übernommen worden. Der Kläger trat gleichzeitig in die Versicherungs-, Pacht- und Mietverträge der Eltern ein. Die Genehmigung der Übernahme des Lastenausgleichs wurde beantragt. Die Vertragschließenden erklärten die Auflassung. Am 22. August 1967 wurde der Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Durch gerichtlich beurkundeten "Tauschvertrag" vom 6. Juli 1967 erwarb der Kläger von der Gemeinde ein an den Hof seines Vaters angrenzendes land- und forstwirtschaftlich genutztes Grundstück. Die Gemeinde erhielt dafür ein zu diesem Zeitpunkt noch zum Hofe des Vaters des Klägers gehörendes Grundstück. An dem "Tauschvertrag" wirkten außer der Gemeinde und dem Vater des Klägers auch letzterer mit. Nach dem Vertrag waren am 1. Juli 1967 beide Grundstücke übergeben und Lasten, Abgaben und Nutzungen übernommen worden. Außerdem erklärten Vater und Sohn in dem Vertrag, daß der Vater durch notariell beurkundeten Hofübergabevertrag vom 3. Juli 1967 seinen Hof auf den Sohn übertragen habe. Anschließend erklärten die Erschienenen die Auflassung.

Mit dem Einspruch gegen die Steuerfestsetzung wegen des Grundstückserwerbs aus dem "Tauschvertrag" beantragte der Kläger erfolglos Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Niedersächsisches Gesetzes über Befreiungen von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 25. März 1959 - GrEAgrG - (GVBl S. 57).

Mit der Klage machte der Kläger geltend, er sei mit seinen Eltern bereits seit dem Jahre 1957 durch Vertrag in Gesellschaft bürgerlichen Rechts verbunden, jedenfalls im Zeitpunkt des Erwerbs wirtschaftlicher Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes gewesen.

Das FA (Beklagter) beantragte unter Berufung auf das Urteil des BFH vom 26. Juni 1963 II 176/62 U (BFHE 77, 243, BStBl III 1963, 407), die Klage abzuweisen, da der Kläger im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks noch nicht Eigentümer von Grundstücken eines landwirtschaftlichen Betriebes gewesen sei.

Nachdem das Kulturamt die Zweckdienlichkeit des Erwerbs bescheinigt hatte, gab das FG der Klage unter Aufhebung des Steuerbescheids und der Einspruchsentscheidung statt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist nicht begründet.

Der Senat hat allerdings mehrfach - und zwar nicht nur zu § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEAgrG - worauf das FA im Grundsatz zutreffend hinweist, sondern ausdrücklich oder dies stillschweigend voraussetzend auch zu Nr. 1 dieses Gesetzes die Auffassung vertreten, diese Befreiungsvorschriften setzten voraus, daß der Erwerber im maßgebenden Zeitpunkt (des Erwerbs bzw. der Entstehung der Steuerschuld) bereits (im bürgerlich-rechtlichen Sinne) Eigentümer von Grundstücken seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes sein muß (vgl. außer dem Urteil vom 26. Juni 1963 II 176/62 U, die Urteile vom 26. Juni 1963 II 22/63 U, BFHE 77, 245, 248, BStBl III 1963, 408; vom 3. Juli 1963 II 100/62 U, BFHE 77, 384, 386, BStBl III 1963, 461; auch vom 28. April 1970 II 56/65, BFHE 99, 255, 257, BStBl II 1970, 597; vgl. auch zu § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen GrEAgrG vom 29. März 1966 - GVBl S. 140 - das Urteil des FG Düsseldorf vom 30. März 1971 VI 86/67, Verk. DStZ B 1971, 191 f).

An dieser Auffassung hält der Senat für den Regelfall fest.

Zwar enthält - wie das FG richtig bemerkt - der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG nicht den Begriff "Eigentümer" oder einen entsprechenden Ausdruck. Andererseits setzt nicht nur die "Aufstockung" eines landund forstwirtschaftlichen Betriebs (Nr. 3 a. a. O.) voraus, daß dem "aufstockenden" Erwerber bereits Grundstücke gehören, damit er seinen Betrieb überhaupt aufstocken kann. Auch eine "Verbesserung" der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse "beim" Erwerber (Nr. 1 Buchst. a, a. a. O.) durch den Erwerb eines Grundstücks (naturgemäß zu dessen Eigentum) ist begrifflich nur möglich, wenn der Erwerber bereits Grundstücke zu Eigentum hat. Das wird verdeutlicht durch die weitere Voraussetzung des Buchst. b dieser Vorschrift, wonach der Erwerber zugleich ein betriebswirtschaftlich ungünstiges Grundstück veräußern, zuvor also - jedenfalls im Regelfall - (den ungewöhnlichen Fall des Verkaufs einer fremden Sache außer Betracht gelassen) ein solches Grundstück zu Eigentum haben muß. Die Richtigkeit der Auffassung, daß die "Agrarstruktur" und "die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes" durch den Wechsel im Grundstücksbestand objektiv (sachbezogen) und nachhaltig (wie sinnvoll zu ergänzen ist) nur "verbessert" werden können in bezug auf einen dem Erwerber bereits gehörenden Betrieb mit eigenen Grundstücken, wird bestätigt durch den Zweck dieses Gesetzes, dessen Name, Entstehungsgeschichte und alle seine Tatbestände erkennbar die Tendenz zeigen, den "Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe" von der Grunderwerbsteuer zu entlasten. Hierdurch sollte die Eigeninitiative der Landwirte zur "privaten Flurbereinigung" angereget werden (Begründung zur Gesetzesvorlage, Niedersächsischer Landtag, Dritte Wahlperiode, Landtagsdrucksache Nr. 1070 S. 4369, 4370; Sitzungsprotokoll der 81. Sitzung vom 5. März 1959 S. 4552, 4554). Eine solche - auch private, aber objektive Flurbereinigung (vgl. § 1 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG vom 14. Juli 1953, BGBl I, 591) kann aber grundsätzlich nur durch Teilnehmer durchgeführt werden, die bereits Eigentümer von Grundstücken sind (vgl. § 2 Abs. 1, § 10 Nr. 1, § 16 FlurbG).

Gleichwohl erscheint eine ergänzende Erweiterung dieser Grundsätze wenigstens dann gerechtfertigt und geboten, wenn die Beteiligten eine mit der tatsächlichen Durchführung übereinstimmende Vertragsgestaltung getroffen haben, die unmittelbar zum bürgerlich-rechtlichen Eigentum führt und dabei dem Erwerber bereits eine Stellung einräumt, die, jedenfalls unter Berücksichtigung des besonderen Zwecks des Niedersächsischen Gesetzes über Befreiung von der Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der Struktur land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, der des Eigentümers im bürgerlich-rechtlichen Sinne nahekommt. Das ist unter Würdigung aller zusammentreffenden besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles zu bejahen.

Das FG hat bereits hervorgehoben, daß im vorliegenden Fall zum Erwerb des Eigentums an dem elterlichen Grundbesitz außer der (hier offenbar ohne weiteres zu erwartenden) am 13. September 1967 auch erteilten landwirtschaftsgerichtlichen Genehmigung nur die Grundbuchumschreibung fehlte, auf deren zeitliche Vornahme die Vertragschließenden keinen entscheidenden Einfluß hatten. Die Vertragschließenden hatten bereits im Hofübertragungsvertrag selbst auch die Auflassung erklärt und damit in rechtlicher Beziehung alles ihrerseits Erforderliche zum Vollzug des Eigentumsübergangs auf den Kläger getan. Außerdem waren bereits mit Wirkung vom 1. Juli 1967 Besitz, Nutzungen und Lasten auf den Kläger übergangenen, der zum selben Zeitpunkt mit Wirkung zwischen den Vertragschließenden die Verbindlichkeiten einschließlich der aus dem Neubau noch zu erwartenden Handwerkerforderungen und der Verpflichtungen aus dem Lastenausgleich übernommen hatte. Schließlich war der Kläger in die von den Eltern abgeschlossenen Versicherungs-, Pacht- und Mietverträge eingetreten. Es kommt hinzu, daß der Kläger nach den Feststellungen des FG bereits seit dem Jahre 1957 in Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit den Eltern und somit mit dem Hof unter Mitarbeit, Gewinnbeteiligung und (zumindest teilweiser) Übertragung von lebendem und totem Inventar tatsächlich und rechtlich verbunden war.

Angesichts dieser engen persönlichen und auch sachbezogenen Bindungen war der landwirtschaftliche Betrieb jedenfalls für Zwecke des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG bereits am 3. Juli 1967 als ein solcher des Klägers anzusehen. Es entspricht dem Zweck des Gesetzes, wenn auch noch derjenige Erwerber begünstigt wird, der in einer dem bürgerlich-rechtlichen Eigentümer nahekommenden Stellung weitere Maßnahmen zur Verbesserung der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse "seines" ihm bereits aufgelassenen und von ihm in Besitz genommenen und bewirtschafteten Betriebes trifft.

Bei dieser Betrachtung kann es folgerichtig auch nicht schädlich sein, daß im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GrEAgrG durch den Vertrag vom 6. Juli 1967 nicht der Kläger als "Erwerber" das betriebswirtschaftlich ungünstige Grundstück veräußert hat, sondern notwendigerweise dessen Vater als der noch im Grundbuch eingetragene Eigentümer. Wenn der Hof-Grundbesitz der Eltern des Klägers ab 3. Juli 1967 für Zwecke des Buchst. a, a. a. O., dem Kläger zuzurechnen war, so muß dies im Rahmen der Anwendbarkeit des ganzen § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEAgrG auch hinsichtlich der Voraussetzung nach Buchst. b dieser Vorschrift gelten, da das veräußerte Grundstück zu dem in seiner Struktur zu verbessernden Hof des Vaters gehörte. Die besondere enge Verbindung und Bindung des veräußerten Grundstücks mit dem Übergang des Hofes auf den Kläger und zwischen Vater und Sohn hinsichtlich dieses Grundstücks kommen auch darin zum Ausdruck, daß der Kläger ebenfalls bei dem "Tauschvertrag" vom 6. Juli 1967 mitgewirkt (dieses Grundstück - wie das FG es ausdrückt - mit "veräußert") hat, wohl auch, um von vornherein Schwierigkeiten zu vermeiden, die daraus hätten erwachsen können, daß der Vater auch dieses Grundstück kurz zuvor bereits durch den notariellen Hofübertragungsvertrag mit schuldrechtlicher Verbindlichkeit auf den Kläger übertragen hatte.

 

Fundstellen

BStBl II 1973, 710

BFHE 1973, 480

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