Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausreichende Sachverhaltsfeststellungen für die Annahme einer vGA

 

Leitsatz (NV)

Unterstellt das FA, daß der Gesellschafter- Geschäftsführer einer GmbH im Jahre 1985 in dem gleichen Umfang für das Unternehmen seiner Ehefrau wie in den Jahren 1986 und 1987 tätig geworden ist, ohne ein Entgelt zu verlangen, und bestreitet die GmbH dies, so ist das FG gehalten, den Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht weiter aufzuklären. Kommt das FG dieser Verpflichtung nicht nach, so tragen seine tatsächlichen Feststellungen die Annahme einer vGA nicht.

 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1; KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, an der im Streitjahr 1985 X zu mindestens 95 v. H. und P zu höchstens 5 v. H. beteiligt waren. X war auch zum Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Nach dem Geschäftsführervertrag war er verpflichtet, seine gesamte Arbeitskraft der Klägerin zu widmen. Seine wöchentliche Arbeitszeit betrug 40 Stunden. Sein Gehalt betrug 5000 DM monatlich. Gesellschaftszweck der Klägerin war die Überlassung von Arbeitnehmern nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einerseits und die Herstellung von Innen- und Außentonaufnahmen andererseits.

Daneben besaß Y, die Ehefrau des X, ein Tonstudio. Für dasselbe war im Streitjahr auch X tätig, ohne daß die Klägerin der Y irgendwelche Leistungen in Rechnung stellte. Die Klägerin rechtfertigt diese Tätigkeit des X für Y mit der Erkrankung von Y. Nach einem Beschluß der Gesellschafter der Klägerin vom 12. Januar 1983, der allerdings nicht notariell beurkundet wurde, war dem X die unentgeltliche Tätigkeit für den Betrieb der Y gestattet. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) nahm dennoch eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und eine andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG in Höhe von ... DM (= ... DM + 14 v. H. Umsatzsteuer) für 1985 an. Er erhöhte die Umsatzsteuer 1985 um 14 v. H. von ... DM = ... DM. Bei dem Betrag von ... DM orientierte sich das FA an dem Betrag, den die Klägerin der Y für Tätigkeiten des X in 1986 in Rechnung stellte.

Die Klägerin legte gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1985 vom 2. August 1990, gegen den Umsatzsteuerbescheid 1985 vom 22. August 1990 und gegen den Gewerbesteuermeßbescheid vom 21. August 1990 Einsprüche ein, die das FA durch Einspruchsentscheidungen vom 8. März 1991 als unbegründet zurückwies.

Die Klägerin erhob Klage. Das Finanzgericht (FG) anberaumte mündliche Verhandlung auf den 17. Mai 1994, 10.15 Uhr. Zu dieser Zeit war die Klägerin nicht vertreten. Das FG führte die mündliche Verhandlung ohne einen Vertreter der Klägerin ab 10.25 Uhr durch. Sie wurde um 10.30 Uhr geschlossen. Wenige Minuten später erschien X und ein Unterbevollmächtigter des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und machten geltend, in einem Verkehrsstau steckengeblieben zu sein. Sie beantragten schriftlich die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und gaben im einzelnen an, was sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hätten.

Das FG wies den Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung zurück. Es sei nicht glaubhaft, daß die Vertreter der Klägerin in einen Verkehrsstau geraten seien. Im übrigen hätten sie nichts vorgetragen, was neu und deshalb entscheidungserheblich sei. Das FG wies die Klage ab.

Mit ihrer vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, mangelnde Sachaufklärung durch das FG und die Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des FG vom 17. Mai 1994 aufzuheben, den Körperschaftsteuerbescheid 1985 vom 2. August 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 1991 zu ändern und die Körperschaftsteuer 1985 nach Berücksichtigung des Verlustrücktrages aus 1986 auf 0 DM herabzusetzen, den Umsatzsteuerbescheid 1985 vom 22. August 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 1991 zu ändern und die Umsatzsteuer 1985 auf ... DM herabzusetzen sowie den Gewerbesteuermeßbescheid 1985 vom 21. August 1990 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 1991 zu ändern und den Gewerbesteuermeßbetrag 1985 auf ... DM herabzusetzen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

Der Senat läßt offen, ob die Klägerin die geltend gemachten Verfahrensrügen ausreichend dargelegt hat und ob die Vorentscheidung tatsächlich auf einem Verfahrensfehler beruht. Diese ist jedenfalls schon deshalb aufzuheben, weil die tatsächlichen Feststellungen des FG sie nicht tragen. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt, in welchem Umfang X im Streitjahr 1985 für Y tätig wurde und ob das von der Klägerin nicht verlangte Entgelt mit mindestens ... DM zuzüglich Umsatzsteuer anzusetzen ist. Zwar hat das FG ausgeführt, es folge "insofern" den zutreffenden Ausführungen in den Einspruchsentscheidungen, weshalb sich weitere Ausführungen erübrigten. Der Ausdruck "insofern" bezieht sich jedoch nach den Entscheidungsgründen nicht auf die Höhe der vGA, sondern auf die behauptete Befreiung des X vom Wettbewerbsverbot. Die Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidungen wäre im übrigen nur eine Leerformel, weil auch diese keine Ausführungen zur Angemessenheit der Höhe der vGA enthalten. Im Betriebsprüfungsbericht vom 20. April 1990 heißt es lediglich, es werde der Ansatz für das Jahr 1986 übernommen. Demgegenüber hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 2. Mai 1991 vorgetragen, X sei im Streitjahr 1985 nur geringfügig für Y tätig geworden. Der Umfang seiner Tätigkeiten sei in den Jahren 1986 und 1987 erweitert worden. Diese Erweiterung sei erst der Anlaß gewesen, um für 1986 ein Entgelt zu vereinbaren. Unterstellt man diese Darstellung als richtig, so verbietet sich die Übernahme des für 1986 vereinbarten Entgelts in das Streitjahr 1985. Das FG hätte deshalb mit den Beteiligten erörtern müssen, wie der Sachverhalt zu diesem Punkt zweckmäßigerweise aufgeklärt werden konnte. Es hätte eventuell erforderliche Beweise erheben oder nach Beweislastgesichtspunkten entscheiden müssen. Die Tatsache, daß das FG seiner Verpflichtung aus § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht nachgekommen ist, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung wegen unzureichender tatsächlicher Sachverhaltsfeststellungen. Damit erhält das FG Gelegenheit, im zweiten Rechtszug seine Annahme der Verletzung eines Wettbewerbsverbotes durch X im Lichte der neueren Rechtsprechung des Senats zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 1995 I R 155/94, BFHE 178, 372, Der Betrieb 1995, 2451).

 

Fundstellen

BFH/NV 1996, 708

BFH/NV 1996, 709

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