Entscheidungsstichwort (Thema)

VGA; Einschaltung des Gesellschafter-Geschäftsführers als Subunternehmer

 

Leitsatz (NV)

1. Ob ein Gesellschafter ein beherrschender ist, richtet sich nach dem Zeitpunkt, in dem die Kapitalgesellschaft ihm gegenüber die Zahlungsverpflichtung eingegangen ist.

2. Zahlt eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Entgelt in einer Höhe, das sie praktisch gewinnlos stellt, so kann in der Regel nicht das gesamte Entgelt als vGA behandelt werden.

3. Aus der Sicht des Fremdvergleichs ist auch die Frage zu beantworten, ob eine Kapitalgesellschaft einen Auftrag mit eigenen persönlichen und sachlichen Mitteln oder mit Hilfe eines Subunternehmers durchführt.

 

Normenkette

KStG § 8 Abs. 3 S. 2

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1985 gegründete GmbH, die die Steuerberatung betreibt. Alleiniger Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer war im Streitjahr 1987 der Steuerberater X, der seit 1975 eine Steuerberatungspraxis innehatte.

Die Klägerin sollte die Steuerberatungspraxis des X nach einer am 23. Februar 1985 getroffenen Vereinbarung von X per 1. April 1988 käuflich erwerben. Zu diesem Zwecke sollten die Mandanten ab dem 1. Januar 1986 nach und nach auf die Klägerin ein- und umgestellt werden. Soweit die Mandanten damit einverstanden waren, sollte die Klägerin die erbrachten Leistungen in Rechnung stellen. Von dem Honorar der Klägerin sollten dem X 70 v. H. zzgl. Umsatzsteuer zustehen. Im Innenverhältnis sollten alle Mandanten dem X verbleiben. Die Mandantenbetreuung sollte bis zum 1. April 1988 weiterhin von dem Personal des X durchgeführt werden. Die Kosten des Personalaufwandes sollten von X getragen werden. Zum 1. April 1988 sollte die Klägerin das Personal übernehmen. Dem X wurde gestattet, neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Klägerin in dem bisherigen Umfang als Inhaber einer Steuerberatungspraxis tätig zu werden. Ab dem 1. April 1988 sollte X nur noch für die Klägerin tätig sein. Zu diesem Verbot waren näher umschriebene Ausnahmen vereinbart. Der Kaufpreis für die Praxis sollte ... DM betragen. Die Gesellschafterversammlung genehmigte die Vereinbarung vom 23. Februar 1985.

In einer Gesellschafterversammlung vom 7. August 1985 wurde beschlossen, daß X seine Geschäftsführertätigkeit vorerst unentgeltlich erbringe. Am 13. Dezember 1985 schlossen X und die Klägerin einen Vertrag ab, wonach X für die Klägerin die Bearbeitung von Steuerfällen übernahm. Die Klägerin versprach dem X als Vergütung 70 v. H. des eigenen Honorars zzgl. Umsatzsteuer. Unter dem 19. Dezember 1985 schloß die Klägerin mit X einen Mietvertrag ab, wonach sie von X Büroräume im Umfang von 250 qm ab dem 1. Januar 1986 für ... DM zzgl. Umsatzsteuer mietete.

Am 7. Mai 1987 schloß X mit der Kauffrau Y einen notariellen Vertrag über die Abtretung von GmbH-Anteilen "zur Sicherung von Darlehensansprüchen" der Y ab. In dem Vertrag heißt es, X sei Inhaber sämtlicher Geschäftsanteile an der Klägerin. Er habe diese Anteile schon am 21. Februar 1985 an Y abgetreten. Damals habe Y dem X ein Darlehen gewährt. X genehmigte die Abtretung auch als Geschäftsführer der Klägerin. Die Gewinnbezugsrechte sollten der Y zustehen.

Am 14. Januar 1988 vereinbarte die Klägerin mit Y, daß Y ihr ein Darlehen über ... DM zu 10 v. H. Zinsen zur Verfügung stelle. Zur Sicherung trat die Klägerin der Y alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus ihrer Steuerberatungstätigkeit ab.

Am 29. November 1988 erklärten Y und X, daß Y anstelle der Rückzahlung der Darlehensschuld von X definitiv die Geschäftsanteile an der Klägerin behalten solle. Damit sei die Darlehensschuld des X getilgt.

Bei der Veranlagung zu Steuern für das Jahr 1987 behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) alle von X der Klägerin in Rechnung gestellten freiberuflichen Leistungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984 und als andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984. Außerdem wurde die von X in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht zum Vorsteuerabzug zugelassen. Gegen die entsprechenden Bescheide legte die Klägerin zunächst Einsprüche und später Klagen ein, die das Finanzgericht (FG) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden und abgewiesen hat.

Mit ihrer vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA erließ am 16. April und am 26. April 1996 geänderte Steuerbescheide, die die Klägerin am 23. Mai 1996 in das Revisionsverfahren überleitete.

Sie beantragt sinngemäß, den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1987 und den geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1987 zu ändern und die Honorarzahlungen in Höhe von insgesamt ... DM als Betriebsausgabe zum Abzug zuzulassen. Außerdem beantragt sie, den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1987 zu ändern und die geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von ... DM zum Abzug zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Das FA hat während des Revisionsverfahrens geänderte Steuerbescheide erlassen, die die Klägerin in das Revisionsverfahren übergeleitet hat (§§ 68, 123 Satz 2 FGO). Das FA hat es allerdings unterlassen, dem Senat eine Abschrift der geänderten Bescheide zu übersenden (§§ 77 Abs. 3, 121 FGO). Außerdem fehlt jede Äußerung der Beteiligten über den Grund der Änderung und über die ihr zugrundeliegenden Tatsachen (vgl. Geist, Finanz-Rundschau 1989, 229). Bei dieser Sachlage fehlt es an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bezüglich der nunmehr angefochtenen Steuerbescheide. Der Senat kann nur nach § 127 FGO verfahren, die Vorentscheidung aufheben und die Sache an das FG zurückverweisen.

2. Mit Rücksicht auf den besonderen Verfahrensstand bemerkt der Senat ohne Bindung für die Beteiligten zu dem Rechtsstreit folgendes:

a) Das FG hat die Rechtsauffassung vertreten, X sei für das Streitjahr als Alleingesellschafter der Klägerin zu behandeln, weil er die Geschäftsanteile am 7. Mai 1987 nur zur Sicherheit an Y abgetreten habe. Damit habe sich im Außenverhältnis nichts an seiner Gesellschafterstellung geändert. Diese Rechtsauffassung ist zumindest im Ergebnis zutreffend. Für die Anwendung von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 ist nicht auf die Gesellschafterstellung des X im Zeitpunkt der Zahlung der Beträge abzustellen, die das FA als vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 behandelt hat. Vielmehr kommt es auf die Gesellschafterstellung im Zeitpunkt der zivilrechtlichen Entstehung der Verbindlichkeit an, die als vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 beurteilt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Die Veranlassung von Leistungen im Gesellschaftsverhältnis muß sich nämlich stets auf den Zeitpunkt beziehen, in dem sich die Kapitalgesellschaft zu der Leistung verpflichtet. Die vom FG als vGA beur teilten Zahlungen entstanden aber als Verbindlichkeit aufgrund der Verträge vom 23. Februar 1985 sowie vom 13. und 19. Dezember 1985. Damals war X der Alleingesellschafter der Klägerin. Deshalb war er beherrschender Gesellschafter.

b) Das FG hat eine vGA mit der Begründung angenommen, X habe gegen seine Treuepflichten verstoßen, weil er die Klägerin mit der gewählten Fremdleistungsgestaltung völlig von eigenen Gewinnchancen ausgeschlossen habe. Diese Begründung betrifft jedoch nur den Verhaltensmaßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters und damit die Angemessenheit des vereinbarten bzw. gezahlten Entgelts. Verstöße gegen den Verhaltensmaßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters rechtfertigen es regelmäßig nicht, das gesamte Entgelt als vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 25. Oktober 1995 I R 9/95, BFHE 179, 270). Der Fremdvergleichsmaßstab zielt nur auf die Ermittlung des unangemessenen Teils des Entgelts. Da jedoch das FA sämtliche Entgeltszahlungen der Klägerin an X als vGA beurteilte, mußte das FG angesichts der beherrschenden Gesellschafterstellung von X vorrangig prüfen, ob die geleisteten Zahlungen auf klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich auch durchgeführten Vereinbarungen beruhten. Dazu hätte das FG insbesondere prüfen müssen, ob der Vertrag vom 23. Februar 1985 tatsächlich vor Beginn des Streitjahres abgeschlossen oder aber -- wie es das FA behauptet -- rückdatiert wurde. Ggf. könnte es auch auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der Vereinbarung vom 13. Dezember 1985 ankommen. Das FG hätte ferner die zivilrechtliche Wirksamkeit der genannten Verträge im Hinblick auf § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs prüfen können. Schließlich ist schon mit Rücksicht auf die verschiedenen Verträge unklar, welcher Vertrag wann tatsächlich durchgeführt wurde und ob die Klägerin dem X in einem angemessenen zeitlichen Zusammenhang die versprochenen 70 v. H. der von ihr laufend vereinnahmten Honorare abführte. Diese Prüfungen wird das FG im zweiten Rechtszug nachholen müssen.

c) Der erkennende Senat folgt der Auffassung des FG auch insoweit nicht, als dieses meint, ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte den X nur im Angestelltenverhältnis tätig werden lassen. Demgegenüber hat der Senat in seinem Urteil vom 12. Oktober 1995 I R 127/94 (BFHE 179, 258) ausgeführt, daß nur an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalles entschieden werden könne, ob der ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft einen dieser erteilten Auftrag durch eigene personelle und sach liche Mittel oder aber durch einen Sub unternehmer durchführen lassen werde. Die Entscheidung hängt wesentlich von der personellen und sachlichen Ausstattung der Kapitalgesellschaft sowie von den Risiken ab, die mit der Durchführung des Auftrages verbunden sind. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Ausstattung in der Regel von den Gesellschaftern vorgegeben wird. Wenn deshalb die Klägerin im Streitfall über kein eigenes Personal verfügt haben sollte, das erforderlich war, um die ihr erteilten Aufträge durchzuführen, dann hätte auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter der Klägerin den X als Subunternehmer beauftragt, wenn er über das erforderliche Pesonal verfügt hätte. Dies hätte nicht ausgeschlossen, daß die Klägerin und X den zu erwartenden Gewinn angemessen untereinander aufteilten. Die Klägerin hätte es deshalb nicht zulassen dürfen, von vornherein gewinnlos gestellt zu werden. Auch mußte die Klägerin verhindern, daß sie an X ein doppeltes Entgelt einmal in der Form eines Geschäftsführergehalts und zum anderen in der Form eines Beratungshonorars leistete.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421517

BFH/NV 1997, 65

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