Leitsatz (amtlich)

Wird die satzungsmäßige Vermögensbindung einer rechtsfähigen Unterstützungskasse aufgehoben, so entfällt die Körperschaftsteuerfreiheit der Kasse auch mit Wirkung für die Vergangenheit.

 

Normenkette

KStG § 4 Abs. 1 Nr. 7; KStDV §§ 9, 11; StAnpG § 4 Abs. 3 Nr. 2

 

Tatbestand

Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, der sich in Liquidation befindet. Vereinszweck war die freiwillige Unterstützung von Betriebsangehörigen und ehemaligen Betriebszugehörigen einer KG (Trägerunternehmen) bei Hilsbedürftigkeit, Berufsunfähigkeit und im Alter. In § 17 Abs. 1 der Satzung vom 4. November 1963 war bestimmt, daß das Vereinsvermögen im Falle der Auflösung des Klägers auf die nach der Satzung Begünstigten zu verteilen oder ausschließlich gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken i. S. der §§ 17, 18 StAnpG zuzuführen sei. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) stellte den Kläger von der Körperschaftsteuer frei (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG, § 9 Nr. 3 KStDV).

Durch Beschluß der Mitgliederversammlung vom 12. Oktober 1973, in das Vereinsregister eingetragen am 14. August 1974, wurde § 17 der Satzung dahin geändert, daß bei Auflösung des Klägers das gesamte Vermögen an das Trägerunternehmen falle. Der Kläger wurde sodann aufgelöst. Das aufgrund der regelmäßigen Zuführung des Trägerunternehmens angesammelte Vermögen wurde auf die KG übertragen.

Das FA verneinte nunmehr das Vorliegen der Voraussetzungen für die persönliche Steuerbefreiung und zog den Kläger mit seinen Einkünften - den vom Trägerunternehmen gezahlten Darlehenszinsen - rückwirkend, soweit die Steueransprüche noch nicht verjährt waren, zur Körperschaftsteuer heran. Das FA stützte sich dabei auf die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG.

Das FG wies die Sprungklage, mit der der Kläger geltend machte, daß die Satzungsänderung nicht den rückwirkenden Wegfall der Steuerbefreiung zur Folge haben könne, ab. Das FG führte aus, mit der Neufassung des § 17 der Satzung sei die als dauernd vorausgesetzte Zweckbindung des Vermögens endgültig aufgehoben und dem Trägerunternehmen der Zugriff auf das Kassenvermögen erlaubt worden. Damit sei der bisherige Wert des Steuervorteils auch für die Vergangenheit weggefallen (§ 4 Abs. 2 StAnpG). Die Rechtslage sei vergleichbar derjenigen, die sich bei wegen Gemeinnützigkeit steuerbefreiten Körperschaften ergebe (Hinweis auf § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG, § 17 der Gemeinnützigkeitsverordnung - GemV -).

Mit der Revision beantragt der Kläger die Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Körperschaftsteuerbescheide. Er rügt unrichtige Anwendung des § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG, des § 4 Abs. 2 StAnpG und der §§ 9 und 11 KStDV. Bis Ende des Streitjahres 1972 hätten objektiv die Voraussetzungen für die Körperschaftsteuerbefreiung vorgelegen. Es komme für ihre Gewährung auf die Verhältnisse am Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums an (Hinweis auf Heissmann, Betriebliche Unterstützungskassen, 3. Aufl. 1966, S. 43, 196; Dickhaut, StuW 1952, Sp. 23; ohne Verfasser: DB 1961, 1631). Bei der Auflösung der Unterstützungskasse und der Überführung des bis dahin gebildeten Vermögens entstehe ein außerordentlicher Gewinn, der bereits beim Trägerunternehmen der Besteuerung unterliege. Die Rechtsauffassung des FA und des FG führe zu einer ungerechtfertigten Doppelbesteuerung der Einkünfte des Klägers. Der Entschluß zur Satzungsänderung sei erst im Jahre 1973 gefaßt worden, weil sich die Ertragslage des Trägerunternehmens inzwischen erheblich verschlechtert habe, so daß es nicht mehr möglich gewesen sei, satzungsgemäß zu handeln. Das Trägerunternehmen sei nicht mehr in der Lage gewesen, dem Kläger Mittel zuzuwenden. Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 StAnpG sei nicht anwendbar. Sie betreffe mißbräuchliche Gestaltungen. Um einen solchen Fall handele es sich hier nicht. Nach alledem sei das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbindung nur mit Wirkung für die Zukunft weggefallen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 KStG in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung sind von der Körperschaftsteuer befreit u. a. rechtsfähige Unterstützungskassen und sonstige rechtsfähige Hilfskassen für Fälle der Not oder Arbeitslosigkeit, wenn sich die Kasse beschränkt auf Zugehörige oder frühere Zugehörige einzelner oder mehrerer wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe und wenn sichergestellt ist, daß der Betrieb der Kasse nach dem Geschäftsplan und nach Art und Höhe der Leistungen eine soziale Einrichtung darstellt. Nach § 9 Nr. 3 KStDV tritt die Steuerbefreiung unter der Voraussetzung ein, daß bei Auflösung der Kasse satzungsmäßig ihr Vermögen nur den Leistungsempfängern oder deren Angehörigen zugute kommen oder für ausschließlich gemeinnützige oder mildtätige Zwecke verwendet werden darf. Nach § 11 Nr. 1 KStDV muß die ausschließliche und unmittelbare Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse satzungsmäßig und tatsächlich für die Zwecke der Kasse dauernd gesichert sein. Dabei stellt die Vermögensbindung, wie der erkennende Senat in dem Urteil vom 20. September 1967 I 62/63 (BFHE 90, 177, BStBl II 1968, 24) ausgeführt hat, eine der wichtigsten Voraussetzungen der Körperschaftsteuerfreiheit von Unterstützungskassen dar, die daher auch satzungsmäßig festzuhalten ist. Diese Vermögensbindung betrifft nicht die Sicherung des Kassenvermögens während der Bestehenszeit der Kasse, sondern die Verwendung des Vermögens bei Auflösung der Kasse. Es ist nicht zulässig, daß nach Auflösung der Kasse das Vermögen an das Trägerunternehmen oder an den Unternehmer zurückfließt. Eine solche Verwendung läuft der Vorschrift des § 9 Nr. 2 und 3 KStDV zuwider und schließt die Steuerbefreiung aus (vgl. Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 102 zu § 4 KStG). Es handelt sich um eine der Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Kasse als "soziale Einrichtung" (§ 4 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. b KStG) angesehen werden kann.

2. Die Steuerbefreiung entfällt bei dem Wegfall der Vermögensbindung nicht nur mit Wirkung für den Veranlagungszeitraum, in welchem die satzungsmäßige Vermögensbindung aufgehoben worden ist, sondern auch mit Wirkung für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume, soweit die Verjährung des Steueranspruchs noch nicht eingetreten ist. Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 11 Nr. 1 KStDV, nach welcher die Verwendung des Vermögens und der Einkünfte der Kasse tatsächlich für die Zwecke der Kasse "dauernd" gesichert sein muß. Soweit den vom Kläger angeführten Äußerungen im Schrifttum Gegenteiliges zu entnehmen sein sollte, vermag der Senat dieser Auffassung nicht zu folgen. Ob die Sicherung dauernder Vermögensbindung eine Bedingung i. S. der Vorschrift des § 4 Abs. 2 StAnpG darstellt, kann offenbleiben. Denn da der Wegfall der Vermögensbindung auch in die Vergangenheit zurückwirkt, sind jedenfalls die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Nr. 2 StAnpG erfüllt. Nach dieser Vorschrift sind die Steuerfestsetzungen für die zurückliegenden Veranlagungszeiträume nachzuholen, wenn ein Merkmal, dessen Vorliegen das Gesetz für die Steuerbefreiung fordert, nachträglich mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist. Das FG hat deshalb im Ergebnis zu Recht die Befugnis des FA zur Nachholung der Körperschaftsteuerveranlagungen bejaht.

 

Fundstellen

BStBl II 1977, 490

BFHE 1977, 322

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