Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerruf der Bestellung als Steuerberater

 

Leitsatz (NV)

Zur Darlegungs- und Feststellungslast hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals -- Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen -- in § 46 Abs. 2 Nr. 6 (a. F.) StBerG.

 

Normenkette

StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 6 a. F

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde ... als Steuerberater bestellt. Mit Beschluß des Amtsgerichts vom ... 1993 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens gegen ihn abgelehnt und er in das Verzeichnis nach § 107 Abs. 2 Satz 1 der Konkursordnung (KO) eingetragen. Bereits 1988 war der Kläger nach Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gem. § 915 der Zivilprozeßordnung (ZPO) in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts eingetragen worden. In einem berufsgerichtlichen Verfahren wurde gegen den Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts vom ... 1991 ein Verweis ausgesprochen und eine Geldstrafe verhängt. Nach dem Urteil hatte der Kläger seinerzeit Schulden in Höhe von 350 000 DM.

Mit Verfügung vom ... 1993 widerrief der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzministerium -- FinMin --) die Bestellung des Klägers als Steuerberater nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Die dagegen gerichtete Klage hatte aus den in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 682 ff. wiedergegebenen Gründen, auf die Bezug genomen wird, keinen Erfolg.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Auslegung des Finanzgerichts (FG) sei falsch, daß nur dann ein Vermögensverfall nicht zum Widerruf der Zulassung des Steuerberaters führe, wenn nachprüfbare und greifbare Umstände dafür sprächen, daß die objektiv schlechte Vermögenslage in absehbarer Zeit beseitigt werden könne oder daß die schlechten Vermögensverhältnisse durch Stundung der Verbindlichkeiten oder ähnliches geordnet würden. Schon der Vermögensverfall sei dadurch gekennzeichnet, daß er sich nicht in absehbarer Zeit ordnen lasse. Trotz des Vermögensverfalls lasse aber § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG den Beweis zu, daß Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien. Fordere man wie das angegriffene Urteil für den Beweis, daß die Auftraggeber interessen nicht gefährdet seien, daß sich die Vermögenslage geordnet habe, so führe dies zu dem Ergebnis, daß der gesetzlich vorgesehene Entlastungsbeweis ins Leere gehe. Habe der Steuerberater mit seinen Gläubigern Stundungsvereinbarungen getroffen oder seine finanziellen Verhältnisse geordnet, so fehle es für den Widerruf der Bestellung schon an der Tatsachenvoraussetzung des Vermögensverfalls. Die Anforderungen, welche das FG an den Entlastungsbeweis gestellt habe, seien deshalb mit der gesetzlichen Regelung unvereinbar.

Im übrigen bestünden grundsätzliche Bedenken gegen die Beweislastverteilung des § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG. Die Forderung, daß der Steuerberater zu seiner Entlastung beweisen müsse, daß durch den Vermögensverfall keine Gefahr für die Auftraggeberinteressen bestehe, sei unerfüllbar. Das Nichtvorhandensein von Tatsachen entziehe sich jedem Beweis. Mit welchen Beweismitteln ein Verfahrensbeteiligter das Nichtvorliegen einer Tatsache mit einem so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Gerichts nachweisen könne, daß er den Zweifeln Schweigen gebiete, bleibe in den Ausführungen des Urteils ungeklärt. Der betroffene Steuerberater trage nur die Darlegungs- und Feststellungslast dafür, daß keine konkrete Gefährdung eingetreten sei (Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 22. September 1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203). Das Hessische FG habe es hierfür ausreichen lassen, daß der Kläger dargelegt habe, daß er in keinem Fall Zugriff auf Mandantengelder habe (Hessisches FG, Urteil vom 11. Dezember 1991 13 K 899/91, EFG 1992, 298), es sei nach der genannten Rechtsprechung des BFH nicht erforderlich, daß der Kläger nachweise, daß eine abstrakte Gefährdung nicht eingetreten sei. Der Kläger habe im Streitfall dargetan, daß er keinen Zugriff auf Mandantengelder habe, weil er keine Gelder treuhänderisch verwalte, keine Mandantengelder über seine Konten liefen und er auch keine Gebührenvorschüsse einnehme. Der Kläger habe sich ausschließlich mit der Erstellung von Buchführung, Gewinn ermittlung, Steuererklärungen und Rechts behelfen befaßt. Aus den vorgelegten Unter lagen ergebe sich, daß er nur in geringem Umfang Umsätze erzielt habe, er also nicht schon duch den Umfang seiner Tätigkeit mit Mandantengeldern in Kontakt gekommen sei.

Außerdem ergebe sich aus den Unterlagen, daß der Kläger keine Geschäftskonten unterhalten und deshalb keine Möglichkeit bestanden habe, Zugriff auf Mandantengelder zu nehmen. Eine konkrete Gefahr für die Auftraggeber habe daher zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil und den Widerrufsbescheid aufzuheben.

Das FinMin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend erkannt, daß der Widerruf der Bestellung des Klägers als Steuerberater rechtmäßig ist.

1. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater grundsätzlich zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn der Steuerberater in das vom Konkurs- und Vollstrekungsgericht zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen worden ist. Die durch seine Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis bestehende Vermutung seines Vermögensverfalls hat der Kläger nach den Feststellungen des FG ausdrücklich nicht in Abrede gestellt. Danach ist die Bestellung als Steuerberater nur dann nicht zu widerrufen, wenn die Interessen der Auftraggeber des betroffenen Steuerberaters nicht gefährdet sind. Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, daß aufgrund des vom Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG insoweit vorgegebenen Regel-Ausnahmeverhältnisses dem betreffenden Berufsangehörigen die Darlegungs- und Feststellungslast für den gesetzlichen Ausnahmetatbestand obliegt (BFH-Urteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; vom 3. November 1992 VII R 95/91, BFH/NV 1993, 624).

2. Es ist zwar einzuräumen, daß dieser Ausnahmetatbestand, der vom Vorliegen einer negativen Tatsache -- nämlich der Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen durch den Vermögensverfall -- abhängt, nur schwer substantiiert darzulegen und zu beweisen ist (vgl. dazu Stöcker, Deutsche Steuer-Zeitung 1994, 234, 237; allgemein: Zöller, Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., Vor § 284 Rz. 24; Bundesgerichtshof -- BGH --, Urteile vom 16. Oktober 1984 VI ZR 304/82, Neue Juristische Wochenschrift 1985, 264, 265 und vom 13. Mai 1987 VIII ZR 137/86, BGHZ 101, 49, 55). Das ändert aber nichts daran, daß der Gesetzgeber im Falle von § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG von dem betroffenen Berufsangehörigen diesen Nachweis verlangt, wenn er bei einem Vermögensverfall den Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater vermeiden will. Der Betroffene hat danach im einzelnen genau und überprüfbar darzulegen, aus welchen Gründen in seinem konkreten Fall Interessen seiner Auftraggeber durch seinen Vermögensverfall nicht gefährdet werden. Die bloße Behauptung bestimmter Tatsachen reicht insoweit nicht aus.

3. Der Senat ist im Streitfall an die Feststellung des FG gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, daß der Kläger die Nichtgefährdung der Interessen seiner Mandanten nicht zur Überzeugung des Gerichts dargetan hat. Denn hierbei handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, die möglich und nicht Gegenstand einer erfolgreichen Verfahrensrüge ist.

Allerdings könnte der Senat prüfen, ob das FG bei seiner Tatsachenfeststellung den Ausnahmetatbestand "Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen" zutreffend ausgelegt hat. Denn insoweit handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um Rechtsanwendung, weil insoweit der für die Tatsachenfeststellung maßgebende Rechtsbegriff auszulegen ist (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 19).

Der Streitfall gibt dem Senat jedoch keinen Anlaß, sich abschließend damit auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen von einer Nichtgefährdung von Auftraggeberinteressen durch den Vermögensverfall i. S. des § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG ausgegangen werden kann. Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Kläger das Vorhandensein keiner der insoweit in Betracht zu ziehenden Voraussetzungen substantiiert dargelegt.

Nach den den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger vielmehr seine finanziellen Verhältnisse nach dem Vermögensverfall nicht "im Griff". Deshalb kann schon dahinstehen, ob der Umstand der Konsolidierung und damit die Beherrschung einer desolaten Vermögenslage -- wie der Kläger meint -- die Vermutung des Vermögensverfalls wider legen würde oder ob -- entsprechend der Auffassung des FG -- nur unter dieser Voraussetzung Auftraggeberinteressen nicht gefährdet wären.

Der Kläger hat ferner -- wie vom FG bindend festgestellt -- das Vorbringen, seine Tätigkeit beschränke sich auf die Buchführung, Gewinnermittlung, die Erstellung von Steuererklärungen und die Einlegung von Rechtsbehelfen für seine Auftraggeber und ermögliche ihm keinen Zugriff auf Mandantengelder, trotz entsprechender Aufforderung des FG nicht glaubhaft gemacht oder nachgewiesen, so daß schon aus diesem Grunde eine derartige Voraussetzung für die Annahme der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen nicht als gegeben angesehen werden kann. Somit kann auch offenbleiben, ob eine Gefährdung von Auftraggeberinteressen i. S. § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG möglicherweise schon dann nicht vorliegt, wenn nach der konkreten Geschäftsgestaltung des betroffenen Steuerberaters keine Möglichkeit eines unmittelbaren Zugriffs auf Mandantengelder/-vermögen besteht (vgl. BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203) oder ob Auftraggeberinteressen i. S. von § 46 Abs. 2 Nr. 6 StBerG -- wie die Vorinstanz meint -- erst dann nicht gefährdet sind, wenn der Betreffende seinen Vermögensverfall im Griff hat, weil er seine desolate Vermögenslage z. B. durch Vereinbarungen mit den Gläubigern greifbar konsolidiert hat und dadurch "beherrscht".

 

Fundstellen

Haufe-Index 420392

BFH/NV 1995, 736

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