Entscheidungsstichwort (Thema)

Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Gewerbesteuerpflicht der Binnenfischer.

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 2 Abs. 1, § 2/3, § 13/1/3, § 13/1/2, § 15/1

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewerbesteuerpflicht des Beschwerdeführers (Bf.). Er betreibt als Fischpächter die Binnenfischerei in der Donau und den Handel mit selbstgefangenen und zugekauften Süßwasserfischen, mit Seefischen und mit zugekauften Fischmarinaden sowie eine Fischbraterei.

In den Jahre 1946 bis 1949 wurde der Bf. mit dem Gewinn aus dem Seefischhandel zur Gewerbesteuer herangezogen, während in den vorausgegangenen Jahren und dann wieder in den Jahren 1950 und 1951 sämtliche Einkünfte vom Finanzamt steuerlich als Gewinn aus Landwirtschaft angesehen wurden. Im Jahre 1952 kaufte der Bf. für 5.108 DM Süßwasserfische und für 14.942 DM Seefische zu; der Umsatz der selbstgefangenen Süßwasserfische betrug 27.848 DM. Der Gesamtumsatz wurde an Hand der Fanglisten, des Wareneingangsbuches und der Zukaufsrechnungen schätzungsweise wie folgt errechnet:

Erlös aus zugekauften Fischen ---------- 23.972 DM (45 %), aus selbstgefangenen Fischen ----------- 27.848 DM (53 %), aus der Ausgabe von Angelkarten --------- 1.050 DM zusammen ------------------------------- 52.970 DM.Einnahmeaufzeichnungen konnten für das Jahr 1952 nicht vorgelegt werden. Nach den Angaben der Ehefrau, die den gesamten handelsmäßigen Verkauf erledigt, wurden die Umsätze in der Weise geschätzt, daß zum Einkaufswert des Eigenfangs und zum Eingangswert der zugekauften Ware ein Aufschlag hinzugerechnet wurde. Zur mengenmäßigen Erfassung des Eigenfangs, der im Jahre 1952 etwa 26.000 kg betrug, dienten die Fanglisten; der Zukauf an See- und Flußfischen betrug laut Wareneingangsbuch 11.907 kg; außerdem wurden Marinaden im Werte von 2.651 DM zugekauft. über die Höhe der Beträge besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Der Bf. bringt den Fang selbst mit einem Helfer ein. Bei ungünstiger Witterung braucht er zugekaufte Fluß- und Seefische, um seine Abnehmer laufend beliefern zu können. Minderwertige Fische eigenen Fangs (Weißfischarten) verwertet er durch Backen in seiner Fischbraterei, in der auf Wunsch auch Seefische und zugekaufte Marinaden verabreicht werden. Der vom Finanzgericht bei einem Ortstermin zugezogene Fischerei-Sachverständige erklärte, das vom Bf. eingeschlagene Verfahren sei heute üblich, um die Existenzgrundlage der Flußfischer zu sichern.

Für das Kalenderjahr 1952 gab der Bf. aus der Flußfischerei (einschließlich 1.050 DM Erlös für Angelkarten) einen Gewinn von 6.852 DM und aus dem Handel mit zugekauften Fischen und Fischkonserven einen solchen von 2.397 DM an. Nach seiner Behauptung wurde im Jahre 1952 der Handel mit Fischen von seiner Ehefrau betrieben. Er beantragte daher, ihn von der Gewerbesteuer freizustellen und höchstens seine Ehefrau mit einem gewerblichen Gewinn von 2.397 DM zur Gewerbesteuer heranzuziehen.

Am 6. Oktober 1954 hat die Ehefrau beim Gewerbeamt Landshut rückwirkend ab 1952 einen eigenen Handel mit Fischen und Fischkonserven angemeldet.

Das Finanzamt setzte in dem an den Bf. gerichteten Gewerbesteuer-Meßbescheid 1952 den Gewerbesteuermeßbetrag nach einem gewerblichen Gewinn von 9.249 DM fest, da ein einheitlicher Gewerbebetrieb des Bf. vorliege. Es führte im Berufungsverfahren weiterhin aus, daß die vom Bf. behauptete Trennung der von ihm ausgeübten Binnenfischerei von dem Fischhandel seiner Ehefrau nicht den Tatsachen entspreche. Eigenfang und zugekaufte Ware würden vielmehr von der Ehefrau in einem Geschäftsraum verkauft, während der Bf. selbst von Montag bis Mittwoch jeder Woche auswärts auf Fischfang sei. Eine Trennung der vereinnahmten Entgelte sei nicht vorgenommen worden; sie sei mangels Unterlagen auch nicht möglich. Der Gewinn aus dem Handel mit zugekauften Fischen werde nur durch Schätzung unter Zugrundelegung eines Satzes von 10 % des Umsatzes ermittelt.

Der Bf. hob demgegenüber hervor, daß der Zukauf fremder Erzeugnisse auf die Unregelmäßigkeit des Flußfischfanges und auf die Natur des Pachtbetriebes zurückzuführen sei. Eine Binnenfischerei könne ohne Zukauf von Seefischen nicht mehr wirtschaftlich geführt werden. Wegen der Eigenart der Binnenfischerei sei das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 250/50 U vom 2. Februar 1951 (Slg. Bd. 55 S. 171, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 65) über die Gewerbesteuerpflicht von Forstbaumschulen hier nicht anwendbar. Die Fischbraterei diene der Kundenwerbung. Den Fischhandel betreibe seine Ehefrau als Einzelunternehmerin.

Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte aus, nach seinen Ermittlungen komme eine Scheidung zwischen Fischereibetrieb und Handelsbetrieb weder im Innenverhältnis noch nach außen in Betracht, es liege vielmehr ein einheitlicher Betrieb vor. Bei einem landwirtschaftlichen Betrieb führe nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 250/50 U ein dauernder und nachhaltiger Zukauf fremder Erzeugnisse zur Gewerbesteuerpflicht, wenn ohne Rücksicht auf das Leistungsvermögen des eigenen Betriebes eine Beteiligung am Geschäftsverkehr erstrebt werde. Ein Zukauf von mehr als 30 % des Gesamtumsatzes löse in der Regel die Gewerbesteuerpflicht aus. Im vorliegenden Falle liege die Höhe des steuerschädlichen Zukaufs bei mehr als 30 v. H. des Gesamtumsatzes. Eine Trennung der Erlöse aus Eigenfang und Zukauf sei nicht möglich; auch weise der steigende Zukauf auf eine gewerbliche Betätigung hin. Eine nicht mehr existenzfähige Urproduktion, die sich zum Handelsgeschäft entwickelt habe, könne steuerlich nicht mehr als Landwirtschaft anerkannt werden.

Mit der Rechtsbeschwerde macht der Bf. unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens geltend, er habe nur im betriebsnotwendigen Umfang fremde Erzeugnisse zugekauft.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.

Es ist zunächst zu prüfen, ob die Fischerei und der Handel mit Fischen einheitlich dem Bf. zuzurechnen sind. Bei Bejahung dieser Frage ist zu untersuchen, ob die Ausübung der Fischerei durch den daneben betriebenen Handel mit zugekauften Fischen und Marinaden sowie durch die Fischbackküche ihren Charakter als landwirtschaftliche Tätigkeit verliert, so daß die gesamten Einkünfte als gewerblicher Gewinn anzusehen sind.

Da der Bf. und seine Ehefrau im Jahre 1952 die selbstgefangenen und zugekauften Fische sowie die Marinaden unterschiedslos im gleichen Geschäftsraum verkauften und die Erlöse ohne Trennung vereinnahmten, liegt ein einheitlicher Betrieb vor. Dasselbe gilt von der Fischbackküche. Ein selbständiger, von der Fischerei des Bf. losgelöster Handel der Ehefrau liegt daher nicht vor. Die dahin gehenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts lassen weder einen Rechtsirrtum noch einen Verstoß gegen den Akteninhalt erkennen, so daß der Senat bei der beschränkten Natur der Rechtsbeschwerde an sie gebunden ist (ß 288 der Reichsabgabenordnung - AO -). Die nachträgliche Anmeldung des Fischhandels der Ehefrau im Jahre 1954 kann an der steuerlichen Beurteilung des Betriebes der Eheleute im Jahre 1952 nichts ändern; die begehrte Rückwirkung der Anmeldung kann steuerlich nicht anerkannt werden.

Zu den Einkünften aus Landwirtschaft gehören nach § 13 Abs. 1 Ziff. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch die Einkünfte aus der Binnenfischerei. Ob die Fischerei in eigenen oder gepachteten Binnengewässern betrieben wird, ist für die Entscheidung, ob ein gewerblicher oder ein landwirtschaftlicher Betrieb gegeben ist, ohne Bedeutung (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 173/35 vom 10. Oktober 1935, Reichssteuerblatt 1936 S. 186). Zur Abgrenzung des Gewerbebetriebes gegenüber der Land- und Forstwirtschaft hat der Bundesfinanzhof in den Urteilen IV 250/50 U vom 2. Februar 1951 und I 113/53 U vom 12. Juli 1955 (Slg. Bd. 61 S. 179, BStBl 1955 III S. 267) Stellung genommen. Danach wird einem Betrieb die Eigenschaft eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes nicht schon dadurch genommen, daß auch fremde Erzeugnisse zugekauft werden, wobei als schädlicher Zukauf nur die für die Weiterveräußerung zugekauften fremden Erzeugnisse gelten.

Unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats IV 250/50 U vom 2. Februar 1951 haben die Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1951, Abschn. 140 a, und die Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1951 Abschn. 13, ausgeführt, daß grundsätzlich bei einem steuerschädlichen Zukauf bis zu 20 % des Umsatzes ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, bei einem Zukauf von mehr als über 30 % aber ein Gewerbebetrieb anzunehmen sei; bei einem Zukauf zwischen 20 % und 30 % müsse die Gesamtwürdigung der Umstände den Ausschlag geben. Für die Gerichte können aber auch die Richtlinien nicht Ausgangspunkt der Betrachtung sein, vielmehr muß der Tatbestand nach den im einzelnen Falle gegebenen Verhältnissen unter Beachtung der im Urteil IV 250/50 U aufgestellten Grundsätze geprüft werden. Diese bieten auch eine brauchbare Grundlage für die Abgrenzung von Binnenfischerei und Gewerbebetrieb. Ein landwirtschaftlicher Betrieb hat danach seine Wesensart bereits dann verändert, wenn er dauernd und nachhaltig Zu- und Verkäufe von fremden Erzeugnissen über das betriebsnotwendige Maß hinaus tätigt.

Unzutreffend folgert der Bf. aus dem Urteil IV 250/50 U, daß der Zukunft fremder Erzeugnisse überhaupt nicht zur Gewerbesteuerpflicht führe, wenn er "betriebsnotwendig" sei, d. h. wenn der Zukauf überhaupt erst die Grundlage für das wirtschaftliche Dasein bietet. Das Finanzgericht hat zutreffend ausgeführt, daß auch bei betriebsnotwendigen Zukäufen fremder Erzeugnisse (steuerschädlicher Zukauf im Sinne des Abschn. 13 GewStR) ein entsprechendes Verhältnis zwischen eigenen und fremden Erzeugnissen gewahrt sein muß, und daß die Gewerbesteuerpflicht entsteht, wenn ein bisheriger Urerzeuger Handel treibt, weil er andernfalls nicht mehr existenzfähig wäre. In einem solchen Falle tritt der Betriebsinhaber aus dem Kreis der Urerzeuger heraus. Bereits in dem Urteil IV 250/50 U ist die Auffassung, ein im Rahmen des "Komplettierens" vorgenommener Zukauf sei unschädlich, abgelehnt worden. Da im vorliegenden Fall der Verkauf des Eigenfangs mit 27.948 DM etwa 54 % des Gesamtwarenumsatzes von 51.940 DM (52.790 - 1.050 DM für Angelkarten) beträgt, macht der Umsatz der zugekauften, zum Verkauf bestimmten Waren etwa 46 % aus. Ein ähnliches, für den Bf. ungünstiges Verhältnis von Eigenfang und zugekaufter Ware ergibt sich aus dem Einsatz von 20.050 DM für fremde Erzeugnisse. Der Zukauf beträgt 37,8 % des Gesamtumsatzes. In dem Betrieb werden, wie das Finanzgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellt und der Bf. selbst in übereinstimmung mit dem Fischerei-Sachverständigen angegeben hat, in steigendem Masse Seefische und Marinaden verkauft und auch in der Fischbraterei neben den selbstgefangenen Fischen den Gästen verabreicht. Die Entwicklung der Binnenfischerei und des Fischhandels führte dazu, daß der Betrieb des Bf. ohne erheblichen Verkauf zugekaufter Waren nicht mehr lebensfähig war. Deshalb wurde der Bf. auch bereits in der Vergangenheit in einzelnen Jahren zur Gewerbesteuer herangezogen.

Daß es sich um einen dauernden und nachhaltigen Zukauf handelt, zeigt die nachstehende übersicht über die Verteilung der Umsätze und Gewinne auf Eigenfang und zugekaufte Waren; aus ihr ergibt sich nicht nur der erhebliche Anteil des Handels mit fremden Erzeugnissen, sie beweist auch den stets weiter zunehmenden Einkauf fremder Fische mit der Folge, daß der gewerbliche Charakter des Betriebes immer mehr in den Vordergrund tritt.

---------- Umsatz ----- Gewinn ----- Umsatz ----- Gewinn ---------- II/1948 ---- II/1948 ------ 1949 ------ 1949 Eigenfang 9.508 DM --- 2.495 DM --- 15.426 DM -- 4.182 DM Zukauf -- 37.806 DM --- 3.024 DM --- 23.455 DM -- 1.876 DM ---------- Umsatz ----- Gewinn ----- Umsatz ----- Gewinn ----------- 1950 ------- 1950 ------- 1951 ------- 1951 Eigenfang 22.278 DM --- 5.544 DM --- 25.153 DM -- 6.313 DM Zukauf -- 14.085 DM --- 1.408 DM --- 16.721 DM -- 1.672 DM ---------- Umsatz ----- Gewinn ----- Umsatz ---- Gewinn ----------- 1952 ------- 1952 ------- 1953 ------ 1953 Eigenfang 27.848 DM -- 5.802 DM --- 17.987 DM -- 3.807 DM Zukauf --- 23.972 DM -- 2.397 DM --- 31.363 DM -- 3.136 DM.Die Fischbraterei, die nicht etwa nur der Kundenwerbung dient, ist ebenfalls ein Gewerbebetrieb. Dies ergibt sich schon aus den vom Bf. bei seiner Einkommensteuererklärung angegebenen Unkosten der Fischbraterei von 1.854,70 DM für Backfett, von 572 DM für Semmelbrösel und Zutaten und von 460 DM für Holz. Sowohl nach dem Umsatz und dem Wareneinsatz als auch nach dem Gesamtbild hat somit der einheitliche Betrieb des Bf. den Charakter eines landwirtschaftlichen Betriebes verloren und ist in vollem Umfange als Gewerbebetrieb anzusehen. Die Vorinstanzen haben daher den Bf. für 1952 zutreffend mit dem Gesamtgewinn von 9.249 DM zur Gewerbesteuer herangezogen.

Der Bf. hat mündliche Verhandlung beantragt. Es erscheint dem Senat jedoch angebracht, vorerst ohne eine solche nach § 294 AO zu entscheiden.

 

Fundstellen

BStBl III 1957, 37

BFHE 64, 95

StRK, GewStG:2/1 R 63

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