Leitsatz (amtlich)

Die nach § 7b Abs. 3 EStG 1961 zur Inanspruchnahme der Abschreibungsvergünstigung erforderliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung des Gebäudes an natürliche Personen liegt auch vor, wenn das Gebäude klar und eindeutig mit der Bestimmung zur Veräußerung errichtet wurde.

 

Normenkette

EStG 1961 § 7b; EStDV 1961 § 16; I. WoBauG 1953 (BGBl I, 1047) § 20 Abs. 3; II. WoBauG 1956 (BGBl I, 523) § 9 Abs. 2, §§ 100, 126

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) als Ersterwerber ihres Einfamilienhauses die erhöhte AfA nach § 7b EStG für den Veranlagungszeitraum 1962 beanspruchen können.

Die Kläger sind Eheleute. Die Ehefrau erwarb mit Lastenwechsel zum 1. Juni 1962 ein Einfamilienhaus von der Baufirma A H OHG (OHG), das diese im Jahre 1961 als sog. Vorratsbau errichtet hatte. Die OHG hatte hierfür keine erhöhten AfA in Anspruch genommen. Den in der Einkommensteuererklärung 1962 gestellten Antrag der Kläger auf Gewährung dieser Absetzungen lehnte der Beklagte und Revisionskläger (FA) mit der Begründung ab, das Gebäude sei vom Veräußerer nicht mit der Verpflichtung errichtet worden, es an natürliche Personen zu Eigentum zu übertragen. Während der Einspruch erfolglos blieb, gab das FG der Klage statt. Es stellte sich auf den Standpunkt, die erforderliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung nach § 7b Abs. 3 EStG 1962 sei nicht im streng bürgerlich-rechtlichen Sinn zu verstehen, weil sonst der sog. Vorratsbau in vielen Fällen von der Begünstigung ausgeschlossen wäre. Im vorliegenden Fall habe die OHG die Veräußerungsabsicht so eindeutig nach außen hin zum Ausdruck gebracht, daß hierin eine Verpflichtung nach § 7b Abs. 3 EStG a. F. erblickt werden müsse, wie im einzelnen ausgeführt wird.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 7b Abs. 3 EStG 1961).

Das FA beantragt, unter Aufhebung der FG-Entscheidung die Klage abzuweisen. Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Der Senat tritt der Vorentscheidung bei.

Nach § 7b Abs. 3 EStG 1961 können erhöhte Absetzungen vom Ersterwerber eines Kaufeigenheims vorgenommen werden, wenn das Kaufeigenheim mit der Verpflichtung errichtet wurde, es an natürliche Personen zu übertragen. Die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung muß sich gemäß § 16 Abs. 2 EStDV auf die Übertragung des bürgerlich-rechtlichen Eigentums beziehen und kann auch gegenüber einem anderen als dem Ersterwerber übernommen werden. Für die Annahme einer solchen Verpflichtung reicht die bloße Absicht zum späteren Verkauf des Gebäudes nicht aus (Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 7b 1961/1963, Anm. 1c S. 1069; Hartmann-Böttcher-Grass, Großkommentar zur Einkommensteuer, § 7b 1949/1962, Anm. 17c [2]). Ist die Absicht zur Veräußerung dagegen nach außen erkennbar geworden im Sinne einer eindeutig und ernstgemeinten Zweckbestimmung, so lassen dies, wie die Vorinstanz, Söffing (Die Information 1964 A S. 290, 291 f.) und Herrmann-Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7b EStG a. F., Anm. 15) zur Annahme einer Verpflichtung im Sinne des § 7b Abs. 3 EStG genügen. Derselben Ansicht sind offenbar auch Blümich-Falk (a. a. O.) mit dem Verlangen, es müsse sich aus den tatsächlichen Verhältnissen des Einzelfalles ergeben, daß das Eigenheim ein Kaufeigenheim sein solle, das nach seiner tatsächlichen Bestimmung an eine natürliche Person übertragen werden solle. Diese Auffassung trifft zu.

Zwar besagt der Begriff der Verpflichtung nach seinem Wortsinn eher, daß eine Bindung des Wohnungsbauunternehmens gegenüber einem anderen geschaffen werden muß, sei dies gegenüber einem Kaufinteressenten, was der Hauptfall sein wird, gegenüber einem Kreditgeber oder z. B. durch Auflage seitens einer Behörde. Für die Geltungsdauer des I. WoBauG vom 25. August 1953 (BGBl I 1953, 1047) dürfte diese nach dem Wortlaut näherliegende Auslegung auch richtig gewesen sein; sie ist jedoch, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, durch die Entwicklung der Verhältnisse überholt. Daß Rechtsnormen auch bei gleichbleibendem Wortlaut einen Bedeutungswandel erfahren können, ist in Rechtsprechung (vgl. z. B. BVerfGE 7, 342 [351]) und Theorie (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl., 330 ff.) anerkannt.

Nach § 20 Abs. 3 des I. WoBauG war die Verpflichtung zur Veräußerung Merkmal des Begriffs Kaufeigenheim, den das Einkommensteuergesetz in § 7b Abs. 3 EStG 1953 und § 10a EStDV 1953 übernahm. Die Wiederholung der Veräußerungspflicht in § 7b Abs. 3 EStG a. F. verdeutlichte nur mehr, was ohnehin Rechtens war. Durch § 9 Abs. 2 des II. WoBauG wurde die Begriffsbestimmung des Kaufeigenheims mit Wirkung ab 1. Juli 1956 (§ 126 des II. WoBauG) derart geändert, daß an die Stelle der "Verpflichtung" die "Bestimmung zur Eigentumsverschaffung" trat, weil Zweifel über das Erfordernis der Verpflichtung aufgetreten waren, vor allem im steuerbegünstigten Wohnungsbau, in dem entsprechende Auflagen der öffentlichen Hand wie im öffentlich geförderten Wohnungsbau nicht möglich sind (Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender, Zweites Wohnungsbaugesetz, § 9, Anm. 2). Die Änderung des Begriffs Kaufeigenheim, der nach § 100 des II. WoBauG allgemeine Geltung zukam, wurde in § 16 Abs. 1 EStDV übernommen. Wenn dessenungeachtet das Erfordernis der "Verpflichtung" zur Eigentumsübertragung in § 7b Abs. 3 EStG 1956 und § 16 Abs. 2 EStDV beibehalten wurde, kann hieraus nicht gefolgert werden, daß die steuerliche Begünstigung nach § 7b EStG nunmehr an strengere Voraussetzungen geknüpft sein sollte als nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz. Für eine solche Unterscheidung ursprünglich an einheitliche Voraussetzungen gebundener Vergünstigungen sind keine einleuchtenden Gründe ersichtlich. Eine strenge Auslegung des Verpflichtungserfordernisses hätte auch keinen Sinn, da die Verpflichtungserklärung anerkanntermaßen nicht formbedürftig ist. Infolgedessen lassen Finanzverwaltung (Verfügungen der OFD Münster vom 6. Juni 1962, DB 1962, 920, und der OFD Düsseldorf vom 24. Juli 1962, DB 1962, 1454, DStZ B, Eildienst, 1962 S. 363) und FG (Düsseldorf Urteil vom 23. September 1960, EFG 1961, 153, rechtskräftig, und München vom 14. März 1968, EFG 1968, 403) seit jeher schriftliche und sogar nachgewiesene mündliche Vereinbarungen mit Kaufinteressenten und Behörden genügen. Daß die steuerliche Förderung freifinanzierten Wohnungsbaus vom mehr oder minder zufälligen Wortlaut einer möglicherweise formlosen Erklärung des Bauherrn abhängen sollte, wäre unverständlich. Dem Sinn und Zweck des § 7b Abs. 3 EStG, die Begünstigung erhöhter AfA auf den Ersterwerber auszudehnen, weil er vielfach wirtschaftlich die Herstellungskosten trägt, ist auch beim Vorratsbau mit eindeutiger Bestimmung zur Veräußerung Rechnung getragen.

Geht man von diesen Rechtsgrundsätzen aus, ist die Vorentscheidung nicht zu beanstanden. Daß die OHG die Absicht zum Verkauf des Gebäudes durch ihren Antrag auf Befreiung von der Grunderwerbsteuer und Erklärungen im Baugenehmigungsverfahren sowie gegenüber privaten Kreditgebern in eindeutiger Weise zum Ausdruck gebracht hat, wird von der Revision nicht angegriffen. Es handelt sich insoweit um Tatsachenfeststellungen, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70505

BStBl II 1973, 654

BFHE 1973, 436

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