Leitsatz (amtlich)

Vergütungen, die eine Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes für die Überlassung von Arbeitskräften an ihre Beteiligungsunternehmen zahlt, unterliegen nicht der Lohnsummensteuer, wenn die Arbeitskräfte weiterhin als Arbeitnehmer ihrer jeweiligen Stammunternehmen anzusehen sind.

 

Normenkette

GewStG §§ 2, 4, 27

 

Tatbestand

Im Streitjahr 1972 hatten sich die Bauunternehmung M und die Straßenbaugesellschaft K zur Arbeitsgemeinschaft B (Arge) zusammengeschlossen. Zweck dieser Gesellschaftsgründung war die Durchführung von Straßenbauarbeiten an der Bundesstraße 8. Das dafür erforderliche Personal hatten die Gesellschafter zur Verfügung zu stellen; diese waren auch zur Weiterzahlung der Löhne und Gehälter sowie der öffentlichen Abgaben verpflichtet. Zum Ausgleich stellten die Gesellschafter der Arge die verausgabten Nettolöhne und -gehälter zuzüglich eines Lohnnebenkostenzuschlags sowie eines sog. Verrechnungszuschlags für Personalkosten in Rechnung. Für den Fall, daß abgestelltes Personal infolge Krankheit arbeitsunfähig werden sollte, hatte die Arge weder Lohn noch Gehalt zu bezahlen. Mit keinem der abgestellten Arbeitnehmer hatte die Arge einen Arbeitsvertrag geschlossen. Die Arbeitskräfte wurden je nach Arbeitsanfall von der sog. Aufsichtsstelle der Arge, der Gesellschafterversammlung, angefordert; sie waren von dem Gesellschafter zu stellen, der sie am ehesten entbehren konnte. Manche Arbeitskräfte waren nur kurze Zeit für die Arge tätig, weil entweder der Bauablauf kein längeres Verweilen erforderte oder weil sie wieder von ihrem Stammunternehmen benötigt wurden. Im letzteren Fall hatte dieses Unternehmen Ersatz zu stellen, ggf. auch durch Leiharbeiter. Die Arbeitnehmer wurden jeweils von ihrem Stammunternehmen zur Arbeitsstelle (der Arge) gebracht und auch wieder abgeholt.

Da die Arbeiten der Arge auf dem Gemeindegebiet der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - einer Stadtgemeinde - ausgeführt wurden, beantragte diese, für die Arge einen Steuermeßbetrag nach der Lohnsumme festzusetzen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte diesen Antrag ab, da die Arge selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt habe.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat über die Art des Beschäftigungsverhältnisses der von der Arge beschäftigten Arbeitnehmer Beweis erhoben und kam zu der Ansicht, daß von der Arge keine Löhne und Gehälter bezahlt worden seien. Die Arge sei weder rechtlich noch bei wirtschaftlicher Betrachtung Arbeitgeberin gewesen. Die von den Gesellschaftern abgestellten Arbeitnehmer seien nach wie vor Arbeitnehmer ihres jeweiligen Stammunternehmens geblieben. Damit fehle aber die Grundvoraussetzung für die Festsetzung eines Meßbetrages nach der Lohnsumme gemäß § 27 GewStG.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der vom FG zugelassenen Revision. Sie rügt, daß das FG nicht sämtliche Rechnungen über die Zurverfügungstellung der Arbeitnehmer an die Arge angefordert habe.

Materiell-rechtlich ergebe sich die Verpflichtung der Arge zur Entrichtung der Lohnsummensteuer bereits aus § 16 Abs. 2 Nr. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG). Abschn. 104 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1969 könne im Streitfall keine Anwendung finden, da andernfalls der Klägerin der Ausgleich für die durch die Bautätigkeit der Arge entstandenen Lasten zumindest teilweise vorenthalten werden würde. Abgesehen davon habe das FG das Vorbringen des Zeugen B nicht richtig gewürdigt; die für die Arge tätig gewesenen Arbeitnehmer seien auf jeden Fall bei wirtschaftlicher Betrachtung Arbeitnehmer der Arge gewesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

I. Insbesondere führen die erhobenen Verfahrensrügen nicht zum Erfolg. Soweit die Klägerin in der Revisionsbegründung beanstandet, daß das FG nicht sämtliche Rechnungen der Gesellschafter an die Arge (über die Zurverfügungstellung ihrer Arbeitnehmer) angefordert habe, kann darin zwar die Rüge der Verletzung der Aufklärungspflicht gesehen werden. Doch greift diese Rüge nicht durch; sie ist nicht in gehöriger Form erhoben worden. Von einer weiteren Begründung wird gemäß Art. 1 Nr. 8 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 - BFH-EntlastG - (BGBl I, 1861, BStBl I, 932) abgesehen.

Der weitere Vorwurf, das FG habe das Vorbringen des Zeugen B nicht richtig gewürdigt, kann nur als Rüge eines Fehlers bei der Beweiswürdigung verstanden werden. Angaben, woraus auch insoweit auf das Vorliegen eines Verfahrensfehlers geschlossen werden könnte, hat die Klägerin nicht gemacht.

II. Aber auch in der Sache ist die Entscheidung der Vorinstanz nicht zu beanstanden.

1. Zu Recht hat das FG darauf abgestellt, wer als Arbeitgeber der an die Arge abgestellten Arbeitskräfte anzusehen ist.

Die Tatsache allein, daß ein Gewerbebetrieb i. S. des § 2 GewStG in einer Gemeinde eine Betriebstätte nach § 16 Abs. 2 Nr. 3 StAnpG (§ 12 Nr. 8 der Abgabenordnung - AO 1977 -) unterhält, berechtigt die Gemeinde noch nicht, von diesem Betrieb Gewerbesteuer nach der Lohnsumme zu erheben. Es muß als weitere Voraussetzung hinzukommen, daß dieser Betrieb eine entsprechende Lohnsumme verausgabt hat.

Ein Gewerbebetrieb kann nur mit den von ihm gezahlten Löhnen zur Lohnsummensteuer herangezogen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Februar 1961 IV 313/59 U, BFHE 72, 533, BStBl III 1961, 194). Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes und dem Sinnzusammenhang mehrerer Vorschriften. Nach § 2 Abs. 1 GewStG ist Gegenstand der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Schuldner der Gewerbesteuer ist der jeweilige Unternehmer (§ 5 Abs. 1 GewStG). Hebeberechtigt ist gemäß §§ 1, 4 GewStG grundsätzlich die Gemeinde, in der der betreffende Unternehmer auch eine Betriebstätte unterhält. Dies gilt auch für die Erhebung der Gewerbesteuer nach der Lohnsumme. § 2 a GewStG ändert hieran nichts, weil er nicht für die Besteuerung nach der Lohnsumme gilt. Wenn in § 23 Abs. 1 und § 24 Abs. 1 GewStG von der "Lohnsumme" bzw. der "Summe der Vergütungen", die ... "an die Arbeitnehmer der in der Gemeinde belegenen Betriebstätte gezahlt" worden sind, die Rede ist, so können damit nur die vom jeweiligen Betriebstätteninhaber als Arbeitgeber verauslagten Beträge gemeint sein.

2. Ohne Rechtsverstoß hat das FG erkannt, daß im vorliegenden Fall keine Arbeitsverhältnisse zwischen den von den Stammunternehmen abgestellten Arbeitskräften und der Arge begründet worden sind.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Urteile vom 10. April 1970 VI R 303/66, BFHE 99, 462, BStBl II 1970, 716, und vom 31. Mai 1972 I R 94/69, BFHE 106, 75, BStBl II 1972, 697) wird bei Überlassung von Arbeitnehmern aufgrund von Arbeitnehmergestellungsvereinbarungen kein Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zum "Entleiher der Arbeitskräfte" - und damit auch keine Zuordnung zu diesem im Sinne der §§ 23 f. GewStG - begründet, wenn vertragliche Beziehungen nur zwischen "Verleiher" und "Entleiher" hergestellt werden und die tatsächlichen Beziehungen zwischen dem "Verleiher" und den Arbeitnehmern sich nicht wesentlich ändern. Es ist ohne Bedeutung, daß der "Leiharbeitnehmer" in gewissem Umfang in den Betrieb des "Entleihers" eingegliedert ist, solange er nur dem weiterreichenden geschäftlichen Willen des "Verleihers" untergeordnet bleibt.

b) Aufgrund seiner Feststellungen konnte das FG ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis kommen, daß die betroffenen Arbeitskräfte Arbeitnehmer der einzelnen Gesellschafter geblieben und nicht solche der Arge geworden waren.

Entgegen dem Wortlaut des Vertrags über die Gründung der Arge war nach den unwidersprochenen Bekundungen des Zeugen B kein einziger Arbeitnehmer formell durch Abschluß eines Arbeitsvertrages in die Dienste der Arge getreten. Die Arbeitnehmer wurden von ihren jeweiligen Stammunternehmen wie zuvor entlohnt; diese führten die Steuern und Sozialabgaben ab. Auch im Bereich der Fürsorgemaßnahmen des Arbeitgebers war keine Änderung gegenüber früher eingetreten. Die Arbeitnehmer wurden von ihrem jeweiligen Stammunternehmen zur Arbeitsstätte (der Arge) gebracht und auch wieder abgeholt. Im Krankheitsfall war die Arge nicht belastet; ihr wurde für arbeitsunfähige Arbeitskräfte weder Lohn noch Gehalt verrechnet.

Besonders deutlich zeigt sich die fortwirkende Arbeitgeberstellung der einzelnen Gesellschafter der Arge in der Gestellungspraxis. Die Arge wurde in der Regel dann mit Arbeitskräften versorgt, wenn diese von den einzelnen Stammunternehmen entbehrt werden konnten. Bei Bedarf konnte ein Arbeitnehmer - wenn auch gegen Ersatz - jederzeit wieder von seinem Stammunternehmen angefordert werden. Der einzelne Arbeitnehmer war also nach wie vor dem weiterreichenden geschäftlichen Willen seines bisherigen Arbeitgebers untergeordnet.

c) Die von der Klägerin für ihre gegenteilige Ansicht angeführte arbeitsrechtliche Rechtsprechung ist schon deshalb nicht einschlägig, weil sie einen anders gelagerten Sachverhalt betrifft. Ohne Einfluß auf die Entscheidung im Streitfall sind auch die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des Reichsfinanzhofs (RFH) vom 7. Oktober 1942 VI 217/42 (RStBl 1942, 1044) und des BFH vom 11. Februar 1958 I B 23/57 U (BFHE 66, 469, BStBl III 1958, 182).

Wirtschaftliche Gesichtspunkte rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die einzelnen Gesellschafter haben der Arge Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt, ohne sie aus ihrem Organisations- und Geschäftsbereich zu entlassen; die Arge hat dafür an die Gesellschafter Vergütungen bezahlt. Entsprechend wurden die rechtlichen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Arge gestaltet. Danach bestanden weder rechtlich noch wirtschaftlich Arbeitsverhältnisse zwischen der Arge und den Arbeitnehmern der Gesellschafter.

 

Fundstellen

BStBl II 1978, 410

BFHE 1979, 66

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