Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuervergünstigung für freie Erfinder; Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Tarifvergünstigung der Einkünfte eines freien Erfinders wird vorausgesetzt, daß die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Versuche und Erfindungen beziehen, gesondert aufgezeichnet werden.

2. Ist die Erledigung der Hauptsache bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten, geben aber die Verfahrensbeteiligten erst in der Revisionsinstanz übereinstimmende Erledigungserklärungen ab, so wird damit das in der ersten Instanz ergangene Urteil unwirksam; in der Revisionsinstanz ist dann nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden.

 

Normenkette

ErfVO § 3 Nr. 1; FGO § 138

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als freier Erfinder tätig. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1978 und 1979 wies der Kläger neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Arbeitnehmer der X-GmbH Einkünfte aus selbständiger Arbeit auf der Grundlage von Einnahmen aus der Lizenzvergabe für die Erfindung eines . . . aus.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach Maßgabe seiner Einkommensteuererklärungen, ohne jedoch für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit die beantragte Steuerermäßigung für freie Erfinder zu gewähren. Gleichzeitig setzte das FA mit Bescheiden vom 27. Februar und 18. März 1981 Einkommensteuervorauszahlungen für 1981 und 1982 fest.

Die Einsprüche des Klägers gegen die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979 und gegen die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen für 1981 und 1982 wies das FA mit der Begründung zurück, die Tarifvergünstigung für freie Erfinder könne nicht gewährt werden, weil keine Bescheinigung der obersten Finanzbehörde des Landes vorliege, daß die den Einkünften des Klägers zugrundeliegende Erfindung volkswirtschaftlich wertvoll sei (§ 3 Nr. 1 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder - ErfVO -).

Der Kläger erhob Klage mit dem Antrag, unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1978 und 1979 seine Einkünfte als freier Erfinder mit dem begünstigten Steuersatz zu versteuern und die Einkommensteuervorauszahlungen entsprechend anzupassen. Zur Begründung seiner Klage legte der Kläger eine zwischenzeitlich erteilte Bescheinigung des Finanzministers des Saarlandes vor, mit der der volkswirtschaftliche Wert der Erfindung des Klägers anerkannt wurde.

Das FA hielt gleichwohl an seiner Auffassung fest, daß die Steuerermäßigung für freie Erfinder nicht gewährt werden könne, weil, wie eine Nachschau ergeben habe, der Kläger seine Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Erfindung beziehen, nicht gesondert aufgezeichnet habe (§ 3 Nr. 2 ErfVO).

Der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) bat den Kläger unter Fristsetzung gemäß Art. 3 § 3 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG), hierzu Stellung zu nehmen. In einem erst nach Fristablauf eingegangenen Schriftsatz trug der Kläger im wesentlichen vor, er brauche seine Ausgaben für die Erfindung nicht gesondert aufzuzeichnen, weil diese Ausgaben von der X-GmbH getragen worden seien; die Erlöse aus den Erfindungen seien getrennt aufgezeichnet worden.

Der Berichterstatter des FG bat den Kläger nunmehr - wiederum unter Fristsetzung gemäß Art. 3 § 3 VGFGEntlG -, seine gesamten Aufzeichnungen der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Versuche und Erfindungen beziehen, vorzulegen und verschiedene Fragen zu beantworten, z. B. die Frage, an welchen weiteren Erfindungen der Kläger in den Jahren 1978 und 1979 noch gearbeitet habe. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach.

Während des Klageverfahrens entsprach das FA hinsichtlich der Einkommensteuervorauszahlungen einem erneuten Antrag des Klägers und setzte die Einkommensteuervorauszahlungen ab 1981 und 1982 auf null DM herab.

Das FG wies die Klage insgesamt mit der Begründung ab, die Vergünstigungen der §§ 4, 5 ErfVO könnten nicht gewährt werden, weil nach den unwiderlegten Feststellungen des FA eine gesonderte Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben i. S. des § 3 Nr. 2 ErfVO nicht vorliege.

Mit der Revision beantragt der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979 dahin zu ändern, daß die Einkünfte des Klägers aus freier Erfindertätigkeit mit dem begünstigten Steuersatz versteuert und die Vorauszahlungen entsprechend angepaßt werden. Der Kläger macht geltend, die Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 ErfVO seien erfüllt.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Während des Klageverfahrens hat das FA gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf der Grundlage einer abgekürzten Außenprüfung geänderte Einkommensteuerbescheide für 1978 und 1979 erlassen. Die Änderung betrifft nicht den Gegenstand des Rechtsstreits; eine Steuerermäßigung für freie Erfinder ist, wie bisher, nicht gewährt. Im Zusammenhang hiermit hat das FA den Rechtsstreit als in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt, dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Der Kläger hat beantragt, die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen; er hat gegen diese Bescheide keine zusätzlichen Einwände erhoben; bezüglich der Einkommensteuervorauszahlungen hat der Kläger den Rechtsstreit ,,ebenfalls für erledigt erklärt und Kostenantrag gestellt".

 

Entscheidungsgründe

Soweit das angefochtene Urteil die Einkommensteuerbescheide 1978 und 1979 zum Gegenstand hat, ist die Revision unbegründet. Soweit das angefochtene Urteil die Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen für 1981 und 1982 betrifft, ist es dadurch wirkungslos geworden, daß die Prozeßbeteiligten in der Revisionsinstanz die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben.

1. Einkommensteuerbescheide für 1978 und 1979

Zutreffend hat das FG entschieden, daß die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit nicht tarifbegünstigt sind.

Voraussetzung für die Tarifbegünstigung der Einkünfte eines freien Erfinders aus der Erfindertätigkeit ist u. a., daß die ,,Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Versuche und Erfindungen beziehen, . . . gesondert aufgezeichnet werden" (§ 3 Nr. 2 ErfVO).

Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils muß der Senat davon ausgehen, daß dieser Voraussetzung im Streitfall nicht genügt ist.

Das FG hat ausgeführt, es habe nicht feststellen können, daß die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Versuche und Erfindungen beziehen, gesondert aufgezeichnet worden seien. Das FA habe im Gegenteil durch eine Nachschau beim Kläger festgestellt, daß eine solche gesonderte Aufzeichnung nicht vorliege. Der Berichterstatter habe den Kläger unter Fristsetzung aufgefordert, zu diesen detaillierten Feststellungen Stellung zu nehmen und evtl. Beweismittel anzugeben. Dies habe der Kläger nicht getan. Erst nach Fristablauf sei eine Stellungnahme bei Gericht eingegangen. In dieser sei jedoch nicht eindeutig dargelegt, welche Einnahmen und Ausgaben der Kläger und welche die X-GmbH aufgezeichnet hätten. Da der Kläger auch einer weiteren Aufklärungsverfügung nicht entsprochen habe, sehe sich das FG gemäß Art. 3 § 3 VGFEntlG berechtigt, weitere Erklärungen zurückzuweisen und ohne zusätzliche Ermittlungen zu entscheiden.

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

a) Die Revision macht geltend, eine gesonderte Aufzeichnung der Betriebsausgaben erübrige sich (und ebenso die vom FG erbetene Vorlage solcher Aufzeichnungen), weil, wie vor dem FG mit Schriftsatz vom 31. März 1983 vorgetragen worden sei, dem Kläger ,,keine eigenen Aufwendungen und Betriebsausgaben entstanden sind", denn die Entwicklungskosten sowie Anmeldekosten seien von der X-GmbH getragen worden.

Dieses Vorbringen ist nicht schlüssig, wie sich schon daraus ergibt, daß der Kläger z. B. für 1978 bei erklärten Betriebseinnahmen von 158 000 DM nur einen Gewinn von 36 905 DM ausgewiesen hat; dies ist mit der Behauptung, dem Kläger seien in bezug auf seine Erfindung keine eigenen Aufwendungen und Betriebsausgaben entstanden, nicht vereinbar.

Aus diesem Grunde kann auch auf sich beruhen, ob das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 31. März 1983 als verspätet außer Betracht bleiben müßte.

b) Nicht überzeugen kann auch der Einwand der Revision, bereits aus den Steuererklärungen des Klägers gehe hervor, daß der Kläger keine weiteren Lizenzeinnahmen erzielt habe und weitere Aufwendungen für Erfindungen durch ihn persönlich nicht gemacht worden seien. Dabei kann offenbleiben, ob die Steuererklärungen dahin zu verstehen sind, daß die erklärten Einnahmen aus selbständiger Arbeit ausschließlich solche sind, die der Kläger aus der Lizenzvergabe für die inzwischen als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannte Erfindung eines . . . erzielt hat. Unzutreffend ist jedenfalls die Behauptung, daß der Kläger keine besonderen Aufwendungen für Erfindungen geltend gemacht hat. Wie bereits zu a) dargelegt, ist gerade das Gegenteil der Fall.

2. Einkommensteuervorauszahlungen für 1981 und 1982

Das FA hat während des Klageverfahrens die Einkommensteuervorauszahlungen auf 0 DM herabgesetzt. Damit hat sich die Hauptsache insoweit erledigt, als der Kläger mit seiner Klage beantragt hat, die Einkommensteuervorauszahlungen einer tarifbegünstigten Besteuerung seiner Einkünfte als freier Erfinder anzupassen, denn mehr als eine Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen auf 0 DM konnte das FA dem Kläger nicht gewähren.

Die Erledigung der Hauptsache ist allerdings bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eingetreten, ohne daß der Kläger und das FA vor dem FG die Hauptsache für erledigt erklärten. Gleichwohl führt dies entgegen der offenbar vom FA in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung nicht dazu, daß die Revision mit der Maßgabe als unbegründet zurückzuweisen ist, daß bereits die Klage durch den Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden ist (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 138 Rz. 2 C III). Denn die in der ersten Instanz unterbliebenen Erledigungserklärungen können noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden, ebenso wie die Tatsachen, aus denen sich die Erledigung ergibt, noch in der Revisionsinstanz vorgetragen werden können (Tipke / Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 138 FGO Rz. 50; vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 5. März 1979 GrS 3/78, BFHE 127, 155, 158, BStBl II 1979, 378).

Wenn, wie im Streitfall, von beiden Prozeßbeteiligten in der Revisionsinstanz übereinstimmende (Teil-) Erledigungserklärungen abgegeben werden, so wird damit das erstinstanzliche Urteil insoweit unwirksam; in der Revisionsinstanz ist nur noch unter Berücksichtigung des § 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden; bei einer Teilerledigung hat dies notwendig nicht durch gesonderten Beschluß, sondern im Revisionsurteil zu geschehen (Tipke / Kruse, a. a. O., § 138 FGO Rz. 68).

3. Im Streitfall sind die Kosten des Verfahrens insoweit dem FA aufzuerlegen, als das Verfahren die Einkommensteuervorauszahlungen für 1981 und 1982 zum Gegenstand hatte, denn das FA hat die Vorauszahlungen auf 0 DM herabgesetzt und damit dem Begehren des Klägers entsprochen (vgl. § 138 Abs. 2 FGO). Im übrigen hat die Kosten des Verfahrens der Revisionskläger zu tragen (§ 135 Abs. 2, § 136 Abs. 1 FGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes.

 

Fundstellen

BFH/NV 1987, 505

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