Leitsatz (amtlich)

Die für die Gewährung der Tarifermäßigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO vorausgesetzte gesonderte Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (§ 3 Nr. 2 ErfVO) kann grundsätzlich nur in der Weise vorgenommen werden, daß gesonderte Aufzeichnungen für jeden Versuch und für jede Erfindung gemacht werden. Erhält der Erfinder jedoch in einer Summe Lizenzeinnahmen als Entgelt für die Überlassung mehrerer Erfindungen und ist deshalb die gesonderte Aufzeichnung der auf die einzelnen Erfindungen entfallenden Einnahmen nicht möglich, so können die auf die begünstigte Erfindertätigkeit entfallenden Einnahmen nachträglich geschätzt werden.

 

Normenkette

ErfVO § 3 Nr. 2

 

Tatbestand

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Streitig ist nunmehr noch, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der die Steuerermäßigung nach § 4 Nr. 3 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 - Erf-VO - (BGBl I 1951, 387, BStBl I 1951, 181) beansprucht, die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 2 ErfVO (gesonderte Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben) erfüllt hat.

Der Kläger befaßt sich seit 1936 mit der Erfindung von Landmaschinen. Für seine Erfindungen erwarb er mehrere Patente sowie ein Zusatzpatent zu einem dieser Patente. Sämtliche Erfindungen sind als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannt worden. Zur Verwertung seiner Erfindungen gründete der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau im Jahre 1948 die X-GmbH (im folgenden: GmbH), an der er selbst mit 75 v. H. und seine Ehefrau mit 25 v. H. beteiligt waren. Im Unternehmen der GmbH begann die Herstellung von Landmaschinen unter Verwendung der Erfindungen des Klägers im Jahre 1949.

Am 30. Dezember 1950 schloß der Kläger mit der GmbH einen Vertrag ab, mit dem er der GmbH für seine Patente die ausschließliche Lizenz gewährte. Die Lizenz berechtigte zur Herstellung und zum Vertrieb der durch die Patente geschützten Gegenstände. Als Gegenleistung zahlte die GmbH an den Kläger einen Lizenzbetrag in Höhe von 8 v. H. des "Nettofakturenwertes der verkauften Gegenstände" für die Jahre 1951 und 1952 (bzw. in Höhe von 4 v. H. für die Jahre ab 1953). Die Lizenzbeträge sollten am Ende eines jeden Jahres fällig werden.

Auf Antrag des Klägers wendete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 1951 bis 1957 auf die Einkünfte aus den Erfindungen den begünstigten Steuersatz nach § 4 Nr. 3 ErfVO an. Für die Jahre 1958 und 1959 lehnte das FA dagegen die Gewährung der Vergünstigung ab. Zur Begründung berief es sich darauf, daß der - mit dem Jahre 1949 beginnende - Begünstigungszeitraum von neun Jahren im Jahre 1957 abgelaufen sei. Die Einsprüche gegen die für die Jahre 1958 und 1959 ergangenen Bescheide blieben ohne Erfolg.

Der Klage gab das Finanzgericht (FG) im ersten Rechtsgang statt. Auf die Revision des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 26. Mai 1971 IV R 61/66 (BFHE 102, 482, BStBl II 1971, 735) das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG zurück, Zur Begründung führte der BFH aus, für den Beginn des Begünstigungszeitraums sei in der Regel der Zeitpunkt maßgebend, in dem mit der Herstellung und dem Vertrieb der Produkte begonnen worden sei. Hierzu könne im Streitfall noch keine abschließende Entscheidung getroffen werden. Es fehle noch an Feststellungen darüber, ob es sich bei den im Jahre 1949 produzierten Maschinen nur um Probestücke gehandelt habe. Ferner müsse noch festgestellt werden, wann mit der Verwertung des Zusatzpatents begonnen worden sei; für die Zusatzerfindung laufe ein eigener Begünstigungszeitraum.

Im zweiten Rechtsgang entschied das FG, daß die Einkünfte des Klägers aus seiner Erfindertätigkeit im Jahre 1958 in vollem Umfang begünstigt seien, weil der Begünstigungszeitraum für seine Erfindungen im Jahre 1958 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die im Jahre 1949 hergestellten und vertriebenen Produkte seien lediglich Probestücke gewesen. Dagegen sei die Produktion des Jahres 1950 zum größten Teil dazu bestimmt gewesen, Einkünfte zu erzielen. Der Begünstigungszeitraum für die aus der "Grunderfindung" erzielten Einkünfte habe daher im Jahre 1950 begonnen und bis zum Ende des Jahres 1958 gedauert. Im Jahre 1959 seien dagegen nur noch die Einkünfte aus der Zusatzerfindung begünstigt gewesen. Der für die Zusatzerfindung laufende eigene Begünstigungszeitraum habe frühestens im Jahre 1954 begonnen und sei jedenfalls im Jahre 1959 noch nicht abgelaufen gewesen. - Die für das Jahr 1959 erforderliche Aufteilung der Lizenzeinkünfte in Beträge, die einerseits auf nicht mehr begünstigte Erfindungen und andererseits auf die Zusatzerfindung entfielen, sei aufgrund einer Schätzung vorzunehmen; hiernach betrügen die Einnahmen aus dem Zusatzpatent 38 v. H. der gesamten Lizenzeinnahmen. Mit dieser Schätzung sei der Vorschrift über die gesonderte Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben (§ 3 Nr. 2 ErfVO) Genüge getan. Die - in einer einmaligen Zahlung im Jahr bestehenden - Betriebseinnahmen des Klägers, die sich auf die Erfindungen bezögen, seien gesondert von den übrigen Einnahmen aufgezeichnet worden. Der vom FA vertretenen Auffassung, nach der auch die Betriebseinnahmen aus der Grunderfindung und aus der Zusatzerfindung jeweils gesondert hätten aufgezeichnet werden müssen, könne das FG nicht folgen. Da eine Grunderfindung und eine Zusatzerfindung immer nur zusammen angewendet und verwertet werden könnten, flössen dem Lizenzgeber in der Regel die Einnahmen aus der Verwertung des Grundpatents und des Zusatzpatents in einem einheitlichen Betrag zu. Eine Aufteilung könne hier nur im Wege der Schätzung erfolgen. Würde man i. S. des FA entscheiden, so würde die vom BFH vertretene Auffassung, nach der für das Zusatzpatent ein eigener Begünstigungszeitraum laufe, praktisch ohne Bedeutung sein.

Gegen das Urteil des FG legte das FA Revision ein. Es rügt unrichtige Anwendung materiellen Rechts. Gegen die das Jahr 1958 betreffende Entscheidung seien zwar keine Einwände zu erheben. Für 1959 sei jedoch zu beanstanden, daß das FG die Voraussetzungen der Vergünstigung nach § 3 Nr. 2 ErfVO als gegeben angesehen habe, obwohl die Betriebseinnahmen aus dem Zusatzpatent nicht getrennt aufgezeichnet worden seien. Auch der schätzungsweisen Aufteilung der Linzenzzahlungen könne nicht gefolgt werden.

Das FA beantragt, für 1959 die Vergünstigung nach § 4 Nr. 3 ErfVO nicht anzuerkennen, hilfsweise, sie in geringerer Höhe als bisher zu gewähren.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß den Vorschriften über die gesonderte Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben (§ 3 Nr. 2 ErfVO) entsprochen worden ist. Die Entscheidung des FG ist im Ergebnis auch insoweit zutreffend, als die Lizenzeinnahmen im Schätzungswege in begünstigte und nichtbegünstigte Einnahmen aufgeteilt wurden.

1. Einkünfte der freien Erfinder aus der Erfindertätigkeit werden nur dann nach den §§ 4 und 5 ErfVO steuerbegünstigt behandelt, wenn die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben, die sich auf die Versuche und Erfindungen beziehen, gesondert aufgezeichnet werden (§ 3 Nr. 2 ErfVO). Diese Regelung soll sicherstellen, daß Einkünfte anderer Art und ohne Beziehung zu der begünstigten Erfindung nicht begünstigt werden (Bundesrats-Drucksache 136/51).

Bei der Entscheidung der Frage, welche Anforderungen im einzelnen an die "gesonderten" Aufzeichnungen zu stellen sind, ist vor allem das System der in der ErfVO geregelten Vergünstigungen von Bedeutung. Hiernach ist grundsätzlich jeder Versuch und jede Erfindung für sich zu betrachten. Das ergibt sich schon daraus, daß für jede Erfindung (und auch für jede Zusatzerfindung; vgl. das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil IV R 61/66) ein eigener Begünstigungszeitraum läuft (§ 4 Nr. 3 ErfVO). Hat jemand Einkünfte sowohl aus einer Erfindertätigkeit, für die der Begünstigungszeitraum noch nicht abgelaufen ist, als auch Einkünfte, die auf andere - nicht mehr begünstigte - Erfindungen entfallen, so müssen diese Einkünfte grundsätzlich getrennt voneinander gebucht werden (so auch Ranft, Anmerkungen zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK-Anm. -, ESt, ErfVO § 4, Rechtsspruch 10 und 11, Anm. 4 b; Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1971 S. 562 - HFR 1971, 562 -).

Eine solche Trennung ist allerdings dann schwierig, wenn die Lizenzeinnahmen in einem Gesamtbetrag gezahlt werden. Dieser Fall tritt vor allem auf, wenn die Lizenzeinnahmen - wie im Streitfall - nach dem Veräußerungserlös aus einem - aufgrund mehrerer Erfindungen hergestellten - Erzeugnis bemessen werden. Eine gesonderte Aufzeichnung der auf die einzelnen Erfindungen entfallenden Einnahmen ist in diesen Fällen - streng genommen - nicht möglich. Die auf die begünstigte Erfindertätigkeit entfallenden Einnahmen lassen sich deshalb in derartigen Fällen nur durch Schätzung ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1973 I R 143/71, BFHE 109, 510, BStBl II 1973, 827). Dem Erfordernis der gesonderten Aufzeichnung muß damit Genüge getan sein. Würde man in einem solchen Fall strengere Maßstäbe anlegen, so müßte das zur Versagung der Vergünstigung und damit zur Vereitelung der mit der ErfVO beabsichtigten Ziele führen (Dornemann, Deutsches Steuerrecht 1963 S. 597 ff. - DStR 1963, 597 ff. -; gegen eine kleinliche Handhabung der Aufzeichnungsvorschriften auch Ranft, a. a. O.; Tullius, Der Betrieb 1960 - DB 1960 -, Beilage 10, Abschn. II 4; Kröger, Forschungskosten, Erfindungen, Lizenzen und Know-how im Steuerrecht, 2. Aufl., S. 67 ff.). - In einem ähnlichen Sinne hat der Senat auch die Frage entschieden, wie Betriebs ausgaben, die sich auf eine bestimmte Erfindung beziehen, gesondert aufzuzeichnen sind. In seinem Urteil vom 20. Juli 1962 IV 12/60 U (BFHE 76, 4, BStBl III 1963, 3) hat der Senat ausgeführt, daß zwar solche Betriebsausgaben, die unmittelbar durch die Erfindertätigkeit veranlaßt sind, laufend gesondert aufzuzeichnen sind; bei den durch die Erfindertätigkeit nur mittelbar veranlaßten Aufwendungen (z. B. anteilige Miete, Strom, Heizung usw.) sei jedoch in der Regel eine Trennung kaum möglich; diese Aufwendungen könnten nachträglich im Wege der Schätzung ermittelt werden.

Geht man von diesen Erwägungen im Streitfall aus, so hat das FG im Ergebnis zu Recht erkannt, daß die dem Kläger jeweils nach Ablauf eines Kalenderjahres in einer Summe überwiesenen Lizenzeinnahmen nur durch Schätzung auf begünstigte und nichtbegünstigte Erfindereinkünfte aufgeteilt werden können. Es läßt sich auch nicht beanstanden, daß diese Aufteilung erst nachträglich vorgenommen wurde.

2. Die Schätzung, welcher Teil der für mehrere Erfindungen gezahlten Lizengebühren nach der ErfVO begünstigt ist, setzt zunächst die Feststellung voraus, für welches der bei der Herstellung des Erzeugnisses verwendeten Patente der Begünstigungszeitraum (§ 4 Nr. 3 ErfVO) noch nicht abgelaufen ist und eine Vergünstigung deshalb noch in Betracht kommt. Darauf folgt die Schätzung des Betrages, der auf den noch begünstigungsfähigen Teil der Lizenzeinnahmen entfällt. Hierbei sind alle für die Schätzung (§ 217 der Reichsabgabenordnung - AO -) maßgebenden Umstände zu berücksichtigen (zum Schätzungsverfahren in derartigen Fällen vgl. DB 1969, 1375) ...

 

Fundstellen

Haufe-Index 73011

BStBl II 1979, 174

BFHE 1979, 392

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