Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Erwirbt ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen Trümmergrundstücke zur Schaffung von Kleinwohnungen, so ist die Befreiung des Erwerbs der ganzen Grundstücke von der Grunderwerbsteuer nicht ausgeschlossen, wenn zur Straßenverbreiterung abzugebende, aber noch nicht vermessene Teile miterworben werden müssen.

 

Normenkette

GrEStG § 4/1/1/a

 

Tatbestand

Die Beschwerdegegnerin (Bgin.), ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, erwarb seit September 1952 ungefähr 50 in einer Großstadt im Bereich einer Straßenkreuzung und deren Umgebung gelegene Trümmergrundstücke zur Errichtung von Hunderten von kleinen Wohnungen im Sinne der Vorschriften über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen. So kaufte sie durch Vertrag vom 5. Februar 1953 das Trümmergrundstück X-Straße 46.

Das Finanzamt stellte die Bfin. gemäß § 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstabe a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) von Grunderwerbsteuer frei. Als es jedoch feststellte, daß auf Grund des am 23. März 1953 rechtskräftig gewordenen neu festgelegten Fluchtlinienplanes ein Teil des Grundstücks zur Erweiterung der Straße an die Stadtgemeinde zu übertragen sei, zog es die Bfin. hinsichtlich dieses Grundstücksteils nach § 4 Abs. 2 GrEStG zur Grunderwerbsteuer heran.

Das Finanzgericht stellte die Bgin. in Anwendung der Grundsätze der Urteile des Reichsfinanzhofs II A 264/31 vom 22. September 1931 (Mrozek-Kartei, GrEStG 1919 § 8 Nr. 9 Abt. I Rechtsspruch 81) und II A 30/31 vom 27. Januar 1931 (Reichssteuerblatt - RStBl. - S. 311, Mrozek-Kartei, GrEStG 1919 § 8 Nr. 9 Abt. I Rechtsspruch 80) von der nachgeforderten Steuer frei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts hat keinen Erfolg.

Es trifft allerdings zu, daß nach der Rechtsprechung der höchsten Steuergerichte die Steuerbefreiungen des § 4 Abs. 1 GrEStG nur zum Teil anwendbar sind, wenn ein erworbenes Grundstück in der Hand des Erwerbers nur zu einem Teil dem steuerbegünstigten Zweck dienen soll, und zwar auch dann, wenn der andere Teil auf Grund der Umstände des Erwerbsfalles miterworben werden mußte. Die Versagung der Steuerbefreiung für den Erwerb des später für Straßenzwecke weitergegebenen Grundstücksteils durch die Bgin. würde aber im Streitfall dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG, den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern, nicht gerecht werden.

In dem Urteil vom 27. Januar 1931 hat der Reichsfinanzhof zu der Befreiungsvorschrift in § 8 Nr. 9 GrEStG 1919 ausgeführt, größere Siedlungen seien ohne Anlegung von Straßen überhaupt nicht denkbar. Erwerbe also eine steuerbegünstigte Körperschaft ein größeres Gelände zur Schaffung von gesunden Kleinwohnungen, so diene die notwendige Anlage von Straßen ebenfalls diesem Zwecke. Das Straßengelände falle deshalb ebenfalls unter die Befreiungsvorschrift des § 8 Nr. 9, gleichviel, ob die Straßen von dem Siedlungsunternehmen oder der Gemeinde angelegt würden, ob sie öffentliche oder Privatstraßen seien.

Was hier allgemein von der Anlegung von Straßen gesagt ist, muß nach den im zweiten Weltkrieg herbeigeführten Zerstörungen auch für Straßenerweiterungen gelten, die in den für den Wiederaufbau maßgebenden Fluchtlinienplänen vorgesehen sind, ohne deren Beachtung die Bgin. die in Rede stehenden Gebäudekomplexe nicht wieder aufbauen konnte. Daß die Straßenerweiterung auch durch den gesteigerten Allgemeinverkehr veranlaßt sein mag, ist dabei unerheblich. Die Bgin. hat dargetan, daß sie mit der eilbedürftigen Bebauung jedes Grundstücks nur nach seinem Erwerb beginnen konnte, wohingegen die Vermessung der Grundstücksteile im Streitfall erst am 11. Februar 1954 erfolgt ist. Dieser Umstand verhinderte auch, daß die Bgin. lediglich den ihr endgültig verbleibenden Grundstücksteil kaufte und daneben den Auflassungsanspruch hinsichtlich des Straßenerweiterungsgeländes im Sinne des Urteils des Reichsfinanzhofs II 168/41 vom 1. Oktober 1942 (Slg. Bd. 52 S. 172, RStBl. 1942 S. 1077) nach § 328 BGB mit unmittelbarer Wirkung zugunsten der Stadtgemeinde erwarb.

Hiernach war auf die Frage der Anwendbarkeit von Grundsätzen des den Erwerb eines Hausanwesens betreffenden Urteils des Reichsfinanzhofs vom 22. September 1931, auf das sich das Finanzgericht ebenfalls bezogen hat, nicht mehr einzugehen.

Umfaßt hiernach der Erwerb "zur Schaffung von Kleinwohnungen" auch das abzutretende Straßengelände, so ist die Befreiung zu gewähren, und es geht auch der Einwand des Vorstehers des Finanzamts fehl, nicht die Bgin., sondern die Stadt habe diesen Grundstücksteil dem steuerbegünstigten Zweck zugeführt. Die Bgin. hat das ganze Grundstück zur Schaffung von Kleinwohnungen (ß 4 Abs. 1 Ziff. 1 Buchstabe a GrEStG), die Stadt darauf einen Teil zur Verbreiterung der Straße (Ziff. 4 Buchstabe a daselbst) erworben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408267

BStBl III 1955, 326

BFHE 1956, 333

BFHE 61, 333

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