Entscheidungsstichwort (Thema)

Lizenzgebühren und Zollwert

 

Leitsatz (NV)

Läßt ein in der Gemeinschaft (EG) ansässiges Unternehmen Mutterpflanzen, die es gegen die Verpflichtung zur Zahlung von Lizenzgebühren von Züchtern erworben hat, außerhalb des Gebiets der EG vermehren, so ist für die Ermittlung des Zollwerts des wiedereingeführten Vermehrungsguts (Stecklinge, Ableger) der Wert der züchterischen Leistung, der mit den Lizenzgebührenzahlungen für die in der EG weiterverkauften Stecklinge abgegolten wird, nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i ZWVO 1980 dem Transaktionswert hinzuzurechnen.

 

Normenkette

ZWVO 1980 Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Gartenbauunternehmen, bezieht von verschiedenen ausländischen Züchtern geschützte Sorten von Chrysanthemen und Poinsettien. Aufgrund von Lizenzverträgen ist sie zur Vermehrung, Verwendung und zum Verkauf von Pflanzenmaterial des Lizenzprodukts berechtigt. Sie hat für jede Vermehrung des Lizenzprodukts eine Lizenzgebühr zu zahlen, wenn das aus der Vermehrung resultierende Pflanzenmaterial durch sie verkauft oder übertragen wird. Unterlizenzen darf die Klägerin nach schriftlicher Zustimmung des Lizenzgebers u. a. an Tochtergesellschaften mit Sitz im Ausland vergeben. Die Tochtergesellschaft hat in diesem Fall dem Lizenzgeber gegenüber die gleichen Lizenzgebührenverpflichtungen wie die Klägerin, die insoweit für die Tochtergesellschaft haftet.

Die Klägerin nimmt die Vermehrung der Mutterpflanzen nicht selber vor, sondern überläßt dieses ihrer Tochtergesellschaft im Ausland (Drittland). Hierzu verkauft sie ihrer Tochtergesellschaft das Vermehrungsgut (Mutterpflanzen). Die Tochtergesellschaft gewinnt aus den Stecklingen der von der Klägerin gelieferten Mutterpflanzen weitere Generationen und daraus wieder weitere Stecklinge. Sie verkauft die aus den Mutterpflanzen gezogenen Stecklinge zum Teil an die Klägerin zurück und im übrigen zu gleichen Preisen u. a. an Abnehmer in einem anderen Land, wo ein Sortenschutz wie in Deutschland nicht besteht. Der von der Tochtergesellschaft an die Klägerin gezahlte Kaufpreis für die gelieferten Mutterpflanzen wird nicht danach differenziert, ob die aus den Pflanzen gewonnenen Stecklinge von der Tochtergesellschaft an deren eigene Kunden oder an die Klägerin verkauft werden.

Soweit die Klägerin aus den sortenrechtlich geschützten Mutterpflanzen Stecklinge von der Tochtergesellschaft bezieht und weiterverkauft, wird neben dem Verkaufspreis eine Lizenzgebühr von . . . DM pro Tausend Stück Chrysanthemen und . . . DM pro Tausend Stück Poinsettien erhoben und ganz oder teilweise an den Schutzrechtsinhaber abgeführt. Die Tochtergesellschaft zahlt keine Lizenzgebühren, gleichgültig, ob sie die Stecklinge an die Klägerin oder an eigene Kunden veräußert. Für Lieferungen der Tochtergesellschaft an deren eigene Kunden und auf von der Tochtergesellschaft bezogene Stecklinge, die z. B. wegen Verderbs oder Schwunds nicht weiterverkauft werden, zahlt auch die Klägerin keine Lizenzgebühren.

In dem Zeitraum vom . . . führte die Klägerin von ihrer Tochtergesellschaft erworbene Chrysanthemen- und Poinsettienstecklinge ein. Das dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt - HZA -) nachgeordnete Zollamt erhöhte die in den Zollanmeldungen angegebenen Zollwerte für alle Chrysanthemenstecklinge um . . . % und für alle Poinsettienstecklinge um . . . % des Rechnungspreises und erhob auf dieser Grundlage Eingangsabgaben (Zoll und Einfuhrumsatzsteuer). Das Zollamt vertrat die Auffassung, die in den eingeführten Stecklingen verkörperte züchterische Leistung, deren Wert durch die Lizenzgebühren abgegolten werde, müsse gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i der Verordnung (EWG) Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren - ZWVO 1980 - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 134/1) beim Zollwert miterfaßt werden. Der Zuschlag beruht auf den Feststellungen und Berechnungen anläßlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin für die Einfuhren in den Jahren . . ., wobei die Einfuhrwerte zu den gezahlten Lizenzgebühren ins Verhältnis gesetzt worden sind.

Die nach erfolglosen Einsprüchen gegen die Steuerbescheide zu den Zollanmeldungen der Klägerin erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob die Steuerbescheide insoweit auf, als die Eingangsabgaben unter Berücksichtigung einer Zollwerterhöhung der Rechnungspreise auf die Einfuhren von Chrysanthemen bzw. Poinsettien festgesetzt worden sind (Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit). Zur Begründung führte es aus:

Die vom HZA vorgenommene Erhöhung der Zollwerte sei nicht gerechtfertigt. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 sei unter den dort genannten Voraussetzungen dem nach Art. 3 ZWVO 1980 ermittelten Zollwert der Wert der von der Klägerin gelieferten Materialien, Bestandteile, Teile oder dergleichen hinzuzurechnen, die in den eingeführten Waren enthalten seien. Unter den Begriff ,,Materialien, Bestandteile, Teile oder dergleichen" fielen aus Gründen der Praktikabilität nur körperliche Gegenstände. Im Streitfalle seien in den eingeführten Stecklingen keine körperlichen Materialien, Bestandteile, Teile oder dergleichen der Mutterpflanze enthalten. Die Stecklinge würden nicht unmittelbar aus den gelieferten Mutterpflanzen gewonnen, sondern erst aus Mutterpflanzen weiterer Generationen.

Eine Zollwerterhöhung nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b ZWVO 1980 scheide auch schon deshalb aus, weil die Klägerin die Mutterpflanzen ihrer Tochtergesellschaft nicht zu ermäßigten Preisen geliefert habe. Unter Preisermäßigungen in diesem Sinne seien ausschließlich solche Preisherabsetzungen zu verstehen, die dem Empfänger nur im Hinblick darauf gewährt worden seien, daß die gelieferten Gegenstände für die Herstellung der Einfuhrwaren verwendet würden. Die Klägerin habe aber den Bezugspreis für die Mutterpflanzen nicht danach differenziert, ob die Tochtergesellschaft die Mutterpflanzen für die Herstellung von zum Verkauf an Dritte bestimmten Stecklingen oder für die Herstellung der Einfuhrware verwendete.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das HZA eine Verletzung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980. Es macht geltend, in dem angefochtenen Urteil werde zu Unrecht verneint, daß die eingeführte Ware ,,Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen" enthalte, die der Käufer (Klägerin) zu ermäßigten Preisen zur Verfügung gestellt habe. Das FG gehe davon aus, daß unmittelbar von der ursprünglichen Mutterpflanze stammende körperliche Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen in den eingeführten Stecklingen enthalten sein müßten. Das Erfordernis der Unmittelbarkeit sei aber dem Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWO 1980 nicht zu entnehmen. Erforderlich sei lediglich das Vorhandensein körperlicher Bestandteile der Beistellung in der eingeführten Ware. Das sei hier der Fall, weil als wesentlicher Bestandteil der ursprünglichen Mutterpflanze in den Stecklingen das genetische Material enthalten sei. Dieses erwünschte Erbgut werde von der ersten Mutterpflanze nicht nur auf die nächste Generation übertragen, sondern es bleibe nach einer vegetativen Vermehrung - im Gegensatz zur generativen Vermehrung (durch Samen) - über viele Generationen unverändert erhalten und verleihe auch noch späteren Abkömmlingen diese - sortenrechtlich geschützten - Eigenschaften. Die Erbsubstanz als ,,Bestandteil" i. S. des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b. Ziffer i ZWVO 1980 sei das Ergebnis züchterischer Leistungen, deren Wert durch die Lizenzgebühr beglichen werde.

Dieser Wert sei nicht im Preis des an die Tochtergesellschaft als Vermehrer gelieferten Ausgangsmaterials und folglich auch nicht im Preis der eingeführten Stecklinge enthalten und deshalb letzterem nach der genannten Vorschrift hinzuzurechnen.

Für die Mutterpflanzen, in denen der Wert der züchterischen Leistung verkörpert sei, liege entgegen der Auffassung des FG eine Preisermäßigung gemäß der Hinzurechnungsvorschrift vor, weil die Klägerin Lizenzgebühren auf dem Umweg über ihre Abnehmer an ihre Lieferanten zahle, die sie selbst ihrer Tochtergesellschaft nicht berechne. Es sei unerheblich, daß eine Differenzierung des Verkaufspreises für die Mutterpflanzen je nach dem, ob der Vermehrer sie für die Herstellung von zum Verkauf in andere Länder bestimmten Stecklingen oder aber für die Herstellung der lizenzpflichtigen Einfuhrwaren verwende, nicht vorgenommen werde. An der Tatsache der Preisermäßigung ändere dies nichts. Es könne jedenfalls kein Zweifel daran bestehen, daß die tatsächlich existierende Preisermäßigung im Hinblick darauf eingeräumt werde, daß die gelieferten Mutterpflanzen zur Herstellung der eingeführten Stecklinge verwendet würden.

Die Klägerin meint, wenn das HZA das genetische Material der Mutterpflanze als einen körperlichen Bestandteil ansehe, der auch in den eingeführten Stecklingen enthalten sei, so verkenne es damit den für den Streitfall entscheidungserheblichen Unterschied zwischen dem Vorhandensein körperlicher Bestandteile der Mutterpflanze in einem Steckling der vielleicht 10. Generation und bestimmten von der Mutterpflanze ererbten Eigenschaften. Es treffe nicht zu, daß sich auch nur ein Bruchteil der Substanz der Mutterpflanze in dem späteren Steckling wiederfinde. Die Mutterpflanze gebe vielmehr über den von ihr gewonnenen Steckling ihre Eigenschaften an die Tochterpflanze weiter. Dies geschehe dadurch, daß die Gene der Mutterpflanze die Tochterpflanze bestimmten, sich in einer bestimmten gewünschten Weise zu entwickeln. Die Tochterpflanze gebe dann ihre eigenen und nicht etwa die Gene der Mutterpflanze an die Enkelpflanzen weiter.

Auch der für die Anwendung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 erforderliche Preisnachlaß sei nicht gegeben. Da in . . . der Sortenschutz nicht bestehe und deshalb keinen wirtschaftlichen Wert habe, habe ihre Tochtergesellschaft die Mutterpflanzen jederzeit auch von anderen Lieferanten beziehen können, ohne für die Übertragung des in ihrem Produktionsgebiet wertlosen Rechts irgendeine Vergütung zahlen zu müssen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das HZA ist in den angefochtenen Steuerbescheiden bei der Ermittlung des Zollwerts zu Recht von der Transaktionswertmethode des Art. 3 Abs. 1 ZWVO 1980 ausgegangen (vgl. auch Art. 2 Abs. 1 ZWVO 1980). Nach dieser Vorschrift ist der Zollwert der Transaktionswert, d. h. der für die Ware bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis - ggf. nach Berichtigung gemäß Art. 8 ZWVO 1980 -, falls bestimmte weitere hier nicht streitige Voraussetzungen erfüllt sind. Zur Anwendung des Art. 3 ZWVO 1980 können den reinen Kaufgeschäften auch Werklieferungsverträge, Werkverträge und Verträge sui generis, die eine Mischung solcher Vertragsbestandteile enthalten, gleichzustellen sein. Das gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - Pflanzen (oder Saatgut) eingeführt werden, die aus zur Verfügung gestelltem Basispflanzgut (Basissaatgut) im Ausland im Wege der Vermehrung gewonnen worden sind. Für die Anwendung des Transaktionswerts ist es somit ohne Belang, ob in den eingeführten Waren Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen enthalten sind, die vom Einführer (Käufer) zur Verfügung gestellt worden sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Beistellung auf wesentliche, unwesentliche oder gar alle Teile erstreckt (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Zepf, Wertverzollung, 4. Aufl., Teil IV, Art. 3 A 2.4.3, A 2.4.4, A 2.4.5 und Art. 8 A 3.2.2; Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 2. Aufl., ZWVO 1980, Art. 8 Anm. 14). Für die Fälle der Beistellungen sieht aber Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 vor, daß deren Wert dem Transaktionswert hinzuzurechnen ist. Das HZA hat diese Vorschrift zu Recht auf den Streitfall angewandt.

2. Nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 ist bei der Ermittlung des Zollwerts nach Art. 3 dem für die eingeführten Waren tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis der Wert der in den eingeführten Waren enthaltenen Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen hinzuzurechnen, die unmittelbar oder mittelbar vom Käufer unentgeltlich oder zu ermäßigten Preisen für die Verwendung im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Verkauf zur Ausfuhr der zu bewertenden Waren geliefert wurden, soweit dieser Wert nicht im tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis der Waren enthalten ist. Im Streitfall hat die Klägerin ihrer Tochtergesellschaft die Mutterpflanzen (Basispflanzen) zur Verfügung gestellt (geliefert), aus denen diese im Wege der Vermehrung die Pflanzenstecklinge gezogen hat, die von der Klägerin eingeführt worden sind und deren Zollwert Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Eine Hinzurechnung des reinen Warenwerts der zur Verfügung gestellten Mutterpflanzen zum Transaktionswert der eingeführten Stecklinge nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 kommt nicht in Betracht, weil nach den Feststellungen des FG die Mutterpflanzen von der Klägerin an die Tochtergesellschaft verkauft, sie also als solche nicht unentgeltlich oder zu ermäßigten Preisen geliefert worden sind. Zum Wert der der Tochtergesellschaft gelieferten Mutterpflanzen gehört aber auch der Wert der in diesem Basispflanzgut verkörperten und sortenrechtlich geschützten züchterischen Leistung. Er umfaßt den Wert des Rechts zur Vermehrung des geschützten Basispflanzguts und zum Verkauf der daraus gewonnenen Pflanzenstecklinge (vgl. Urteil des Senats vom 29. Juli 1975 VII R 93/73, BFHE 116, 420; ferner: Merkblatt über zollwertrechtliche Behandlung von Saatgut, das aufgrund eines Vermehrungsvertrages eingeführt wird, abgedruckt bei Zepf, a.a.O., Teil V M 1, hier: Ziffer 2.3; ebenso Zepf, a.a.O., Teil IV B Fall 15a Lösungshinweis 1).

Da der Wert der züchterischen Leistung erst nach Durchführung der Vermehrung und dem Verkauf der Stecklinge durch die Klägerin mit der Zahlung der Lizenzgebühren an die Züchter abgegolten wird, kann er in dem Preis, den die Klägerin ihrer Tochtergesellschaft bei dem Verkauf der Mutterpflanzen in Rechnung gestellt hat, nicht enthalten gewesen sein. Die Klägerin hat die Mutterpflanzen - wie sie selbst einräumt - ohne Berücksichtigung des Werts der darin verkörperten Züchterleistung und damit zu einem ermäßigten Preis an ihre Tochtergesellschaft geliefert. Das HZA hat somit zu Recht dem Transaktionswert der nach Vermehrung des Pflanzguts eingeführten Stecklinge den Wert der züchterischen Leistung, der in den zur Verfügung gestellten Mutterpflanzen enthalten war und in Form der Lizenzgebühren abgegolten wurde, gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 hinzugerechnet.

a) Der Hinzurechnung nach dieser Vorschrift steht nicht - wie das FG meint - entgegen, daß in den eingeführten Stecklingen keine körperlichen ,,Materialien, Bestandteile, Teile oder dergleichen" der gelieferten Mutterpflanzen, die den Wert der Züchterleistung verkörpern, enthalten sind. Der Senat braucht nicht auf die von den Beteiligten in diesem Zusammenhang aufgeworfene biologische Frage einzugehen, ob bei der hier vorliegenden vegetativen Vermehrung durch Ableger und Stecklinge das in der Mutterpflanze enthaltene genetische Material als körperliche Substanz in den Stecklingen auch nachfolgender Generationen enthalten ist oder ob lediglich spezifische Eigenschaften der Mutterpflanze über die Gene an die Tochter- und Enkelpflanzen weitergegeben werden. Die Hinzurechnungsvorschrift des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 ist weit gefaßt (Wert der . . . ,,Materialien, Bestandteile, Teile und dergleichen") und in ihrer Anwendung nicht an eine (teilweise) körperliche Identität zwischen beigestellten und eingeführten Waren gebunden. Als ,,in der eingeführten Ware enthalten" müssen neben den körperlich in den Waren enthaltenen Beistellungen auch die Waren angesehen werden, die als Abfälle, Reste, Ausschußwaren und sonstige Verluste zwar nicht unmittelbar in der eingeführten Ware enthalten sind, aber zur Herstellung verwendet wurden. Selbst Waren, die als Produktionshilfsmittel zur Herstellung der Einfuhrwaren gebraucht werden (im Gegensatz zum Verbrauch vgl. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer iii ZWVO 1980), ohne selbst in diese einzugehen, können unter diese Vorschrift fallen (Zepf, a.a.O., Art. 8 A 3.2.2 Abs. 2). Nach dieser mehr wirtschaftlichen Auslegung der Hinzurechnungsbestimmung ist auch die in den Mutterpflanzen verkörperte züchterische Leistung in die aus den Mutterpflanzen gewonnenen Stecklinge - auch der nachfolgenden Generationen - eingegangen, da der Wert dieser Leistung nur über die Vermehrung der Pflanzen realisiert werden kann.

Im Schrifttum wird für den vergleichbaren Fall der Einfuhr von Saatgut, bei dem zuvor das Basissaatgut zur Vermehrung einem ausländischen Vermehrungsbetrieb (Verkäufer) zur Verfügung gestellt worden war, hinsichtlich der Lizenzgebühren, die der Samenhändler (Einführer) für das Recht zur Vermehrung des Basissaatguts an die Züchter zu zahlen hat, die Auffassung vertreten, daß diese dem Transaktionswert des eingeführten Saatguts gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 hinzuzurechnen sind (Zepf, a.a.O., Teil IV B Fall 15a und Teil V M 1 Merkblatt Saatgut, hier: Ziffer 2.3 Abs. 3 und Ziffer 3). Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) hat in seinem Urteil vom 7. März 1991 Rs. C 116/89 (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) auf eine Vorlagefrage des FG München entschieden: ,,Bei einem Kaufgeschäft über Erntesaatgut, zu dessen Erzeugung vom Käufer geliefertes Basissaatgut verwendet wurde, sind für die Ermittlung des Zollwerts dem gezahlten oder zu zahlenden Preis gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i Zollwertverordnung 1980 Lizenzgebühren für die Vermehrung des Basissaatguts, die der Käufer an den Züchter des Basissaatguts für das Erntesaatgut zu entrichten hat, auch dann hinzuzurechnen, wenn die züchterische Leistung im Zollgebiet der Gemeinschaft erarbeitet worden ist."

Der EuGH hat ausgeführt, daß die Lizenzgebühren die züchterische Leistung vergüten und dem Züchter einen angemessenen Anteil an den Gewinn sichern sollten, die sich aus der Züchtung des Basissaatguts ergeben. Aus diesem Grunde stehe den Züchtern neben dem für das Basissaatgut verlangten Grundpreis eine Lizenzgebühr zu, die sich nach der Menge des eingeführten Erntesaatguts bemesse und nach dem Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Erntesaatguts festgelegt werde (Abs. 10). Es sei somit festzustellen, daß die Lizenzgebühren dem Erwerb des Basissaatguts zuzurechnen und Teil des hierfür zu zahlenden Preises seien. Da das Basissaatgut anschließend ,,in die eingeführten Waren eingehe", müßten diese Gebühren gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 dem für das eingeführte Saatgut tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis hinzugerechnet werden (Abs. 12). Die vorstehenden Ausführungen sind auf den hier vorliegenden Fall der Vermehrung und nachfolgenden Einfuhr von Blumenpflanzen übertragbar. Auch hier geht die in den Mutterpflanzen verkörperte züchterische Leistung ein in die aus diesen gezogenen Stecklingen. Die hierfür gezahlte Lizenzgebühr ist deshalb dem Zollwert der eingeführten Stecklinge hinzuzurechnen.

b) Entgegen der Auffassung des FG und der Klägerin scheitert die Hinzurechnung der Lizenzgebühren gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 nicht an der Beurteilung, daß die Klägerin ihrer Tochtergesellschaft die Mutterpflanzen nicht zu ermäßigten Preisen geliefert habe. Wie oben ausgeführt, sind Lizenzgebühren dem Wert der Mutterpflanzen zuzurechnen, da sie die darin enthaltene züchterische Leistung abgelten. Im Zeitpunkt der Lieferung der Mutterpflanzen an die Tochtergesellschaft stand dieser Wert aber noch nicht fest, da er von dem Umfang der Vermehrung und der späteren Einfuhr und Veräußerung von Stecklingen abhängig gemacht wurde. Der Wert der züchterischen Leistung ist somit in dem für die Mutterpflanzen verlangten Grundpreis nicht berücksichtigt, und diese sind somit zu ermäßigten Preisen geliefert worden. Diese Betrachtung steht in Einklang mit den vorstehend dargestellten Ausführungen des EuGH zu der Lieferung von Basissaatgut an einen Vermehrungsbetrieb und die spätere Lizenzzahlung für das eingeführte und veräußerte Erntesaatgut.

Für die Frage, ob der Tochtergesellschaft der Klägerin die Preisermäßigung für die Mutterpflanzen im Hinblick auf die Vermehrung des Lizenzprodukts und die Einfuhr der Blumenstecklinge gewährt worden ist, ist auch ohne Bedeutung, daß der Bezugspreis für die Mutterpflanzen nicht danach differenziert wurde, ob diese zur Herstellung der Einfuhrwaren für die Klägerin oder zur Herstellung solcher Stecklinge bestimmt waren, die die Tochtergesellschaft an Dritte verkaufen würde. Abgesehen davon, daß der Umfang der unterschiedlichen Verwendung der zu erzeugenden Stecklinge im Zeitpunkt der Lieferung der Mutterpflanzen nicht feststand, liegt ein hinzurechnungsfähiger feststellbarer Wert für die Preisermäßigung nur insoweit vor, als Stecklinge eingeführt und weiterveräußert werden. Denn nur in diesem Umfang sollte der Wert der züchterischen Leistung wegen des in Deutschland bestehenden Sortenschutzes durch Zahlung von Lizenzgebühren abgegolten werden. Da sich die Lizenzgebühren nur auf die Einfuhrwaren beziehen, sind sie zu Recht in vollem Umfang dem Transaktionswert hinzugerechnet worden. Auch der EuGH hat in dem zitierten Urteil zum Zollwert von eingeführtem Saatgut bei Zahlung von Lizenzgebühren in dem Umstand, daß eine Lizenzgebühr nicht zu zahlen war, wenn das gewonnene Erntesaatgut im Drittland vernichtet wurde, keinen Grund gesehen, ganz oder teilweise von der Annahme eines Preisnachlasses für das zur Verfügung gestellte Basissaatgut und der Hinzurechnung nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 abzusehen (Abs. 9 und 10 der Urteilsgründe; für den Fall der Hinzurechnung von Lizenzgebühren bei nur teilweiser Einfuhr des erzeugten Erntesaatguts vgl. auch Zepf, a.a.O., Teil V M 1, Merkblatt Saatgut, Ziffer 3.5).

3. a) Das HZA hat demnach im Streitfall den Transaktionswert der eingeführten Waren zu Recht um einen Zuschlag für die an die Züchter der beigestellten Mutterpflanzen zu zahlenden Lizenzgebühren erhöht. Da die Voraussetzungen für eine Hinzurechnung nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 gegeben sind, braucht die Anwendbarkeit anderer hier denkbarer Zurechnungsbestimmungen für die Lizenzgebühr nicht geprüft zu werden.

b) Nach Art. 8 Abs. 2 ZWVO 1980 dürfen Zuschläge zu dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nach diesem Artikel nur auf der Grundlage objektiver und bestimmbarer Tatsachen vorgenommen werden. Das HZA hat den nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b Ziffer i ZWVO 1980 hinzuzurechnenden Wert der züchterischen Leistung, der mit den von der Klägerin zu zahlenden Lizenzgebühren abgegolten wird, mit einem prozentualen Zuschlag zum Transaktionswert der jeweiligen Einfuhrwaren angesetzt, der sich nach dem Verhältnis der in den Jahren . . . gezahlten Lizenzgebühren zu den Rechnungswerten der Einfuhren dieser Jahre bemißt. Diese Berechnung beruht auf dem Zahlenmaterial, das anläßlich einer Betriebsprüfung für einen repräsentativen Zeitraum ermittelt worden ist. Die Klägerin hat gegen die Höhe dieser Zuschläge, die in der Einspruchsentscheidung des HZA näher erläutert worden sind, keine Einwendungen erhoben. Der Senat sieht deshalb die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 ZWVO 1980 als erfüllt an. Er kann somit in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Da die vom HZA vorgenommenen Zuschläge zum Transaktionswert der Waren auch der Höhe nach nicht zu beanstanden sind, war unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage der Klägerin gegen die Steuerbescheide abzuweisen.

c) Der Senat hält im vorliegenden Fall die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des EuGH (Saatgut-Urteil) für offenkundig. Er ist daher nicht nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417810

BFH/NV 1992, 213

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